115 ADMIRAL LEVSTROMO
Die TVF schickte eine so große Streitmacht gegen die Roamer, dass Admiral Stromo nicht am Ausgang dieser militärischen Operation zweifelte. Ein großartiger Sieg erwartete ihn, und das erleichterte Stromo.
Wenn er zuvor in die Schlacht gezogen war, hatte sich eisige, betäubende Kälte in ihm ausgebreitet. Er hatte sich von allen Ereignissen getrennt gefühlt, obwohl man von ihm erwartete, dass er alles leitete. Zeiten des Friedens und des Wohlstands in der Hanse hatten einem klugen Mann wie ihm die Möglichkeit gegeben, Karriere zu machen. Unglücklicherweise erwarteten alle von ihm, auch ein tapferes militärisches Genie zu sein.
Er hatte dem Aufstand von Ramah voller Entschlossenheit ein Ende gesetzt und sich dadurch den Ruf eines Kriegshelden erworben. Er war immer der Meinung gewesen, all die Medaillen, Ordensbänder und Beförderungen zu verdienen – bis er einem echten Feind begegnete und mit einer echten militärischen Krise konfrontiert wurde. Seine Niederlage beim Jupiter hatte alles verändert. Nie zuvor in seinem Leben hatte er solche Angst gehabt, und dadurch war etwas in ihm zerbrochen. Anschließend hatte er sich nie wieder so gefühlt wie vorher. Zweifellos sprachen die TVF-Soldaten hinter seinem Rücken über ihn.
Doch mit einer strengen Aktion gegen die Roamer konnte er seinen alten Ruf zurückgewinnen. Diese Möglichkeit galt es zu nutzen.
Sechzehn Mantas erreichten ein Sonnensystem, in dem das matte Licht eines roten Zwergsterns auf ein Durcheinander aus Asteroiden fiel. Nach den Daten, die sie aus dem beim Hurricane-Depot erbeuteten Clan-Schiff gewonnen hatten, versteckten sich dort die Roamer. Die Weltraumzigeuner wussten nichts davon, dass die Flotte zu ihnen unterwegs war, aber sie würden bald von ihr erfahren. General Lanyan hatte zwar darauf verzichtet, Molochs mitzuschicken – sie blieben den Hydroger-Patrouillen vorbehalten –, aber es war trotzdem eine sehr eindrucksvolle Streitmacht.
Auf der Brücke des Flaggschiffs beugte sich ein junger Taktiker zu seiner Konsole vor. »Die Sensoren registrieren Raumschiffverkehr, Admiral, und zwar genau dort, wo wir ihn erwartet haben. Es ist tatsächlich ein Kakerlakennest.«
Stromo atmete tief durch. »Suchen Sie nach Stützpunkten und dergleichen. Lokalisieren Sie den Hauptkomplex: einen Asteroidenhaufen, Raumhäfen, Ladedocks, Verbindungsgerüste und so weiter.«
»Ich verfolge die Flugbahnen der Schiffe zum Ausgangspunkt zurück, Sir. Na bitte, eine klare Übereinstimmung.«
»Teilen Sie die Flotte so auf, dass wir uns von allen Seiten nähern«, sagte Stromo. »Remora-Piloten zu den Hangars. Es geht darum, den Roamer-Komplex abzuschirmen. Niemand soll entkommen. Unsere Aufgabe besteht darin, hier eine klare Botschaft zu überbringen, und Taten sprechen deutlicher als Worte.«
»Unser Netz wird viele Löcher aufweisen, Admiral. Wenn sie in alle Richtungen fliehen, werden uns einige von ihnen entwischen«, sagte die Kommandantin des Flaggschiffs, Elly Ramirez. Stromo erinnerte sich an ihren Namen, weil sie befördert worden war, um den Befehl über diesen Manta-Kreuzer zu bekommen und die Roamerin Tasia Tamblyn abzulösen. Die Namen der anderen Offiziere kannte er nicht, denn vor dem Start auf der Erde war er ihnen nur einmal kurz gegenübergetreten.
Er begann mit einer Wanderung auf der Brücke des Manta. »Na schön, gegen einige undichte Stellen gibt es nichts einzuwenden. Sollen ein paar Roamer entkommen, um den anderen Clans mitzuteilen, dass wir es ernst meinen. Meine Absicht besteht darin, ihnen ordentlich Furcht vor der Hanse einzujagen. Sie werden es sich gründlich überlegen, uns noch einmal herauszufordern.« Stromo schüttelte den Kopf. »Anflug mit voller Angriffskonfiguration.«
Ramirez räusperte sich. »Bestimmt haben sie uns inzwischen entdeckt, Admiral. Wir sollte ihnen nicht die Chance geben, ihre Koffer zu packen. Ich schlage vor, dass wir unseren Schiffen eine Standardwarnung übermitteln, bevor dies außer Kontrolle gerät.«
Offiziere riefen Befehle. Stromo nickte und überließ Ramirez gern die Details. Dieser Paradeangriff würde den jüngeren Soldaten ein gutes Beispiel dafür geben, wozu die TVF imstande war. Sie würden Stromo als ihren tapferen Kommandeur sehen, der den Widerstand jener zerschlug, die sich weigerten, ihren Beitrag für das Wohl der ganzen Menschheit zu leisten.
Die schwer bewaffneten Kreuzer näherten sich von allen Seiten dem Hauptkomplex der Roamer. Stromo hatte klare Befehle: Im Gegensatz zur Aktion gegen das Hurricane-Depot sollte diesmal keine Zeit mit der Erbeutung von Material oder Informationen vergeudet werden. Es ging darum, den Roamern einen schnellen, entscheidenden Schlag zu versetzen.
Bevor sich die eisenharte Faust der Mantas um die Asteroiden schließen konnte, stoben Clan-Schiffe in alle Richtungen davon. »Wie ich vermutet habe, Admiral – sie entkommen«, sagte Commander Ramirez.
»Schießen Sie einige der kleineren Schiffe ab. Zeigen Sie ihnen, dass wir nicht mit uns spaßen lassen.«
Die neue Kommandantin erbleichte, und einige Brückenoffiziere rutschten voller Unbehagen in ihren Sesseln hin und her. »Sie haben den Roamern noch keine Aufforderung zur Kapitulation übermittelt, Admiral. Dies ist nicht fair…«
Stromo schnitt eine finstere Miene. »Der Vorsitzende Wenzeslas hat den Roamern vor einigen Wochen eine Warnung übermittelt, aber Sprecherin Peroni wies sie zurück. Den Roamern dürfte klar sein, warum wir so sauer sind.«
Ramirez gab nach, wenn auch widerstrebend. »Na schön. Einige der fliehenden Schiffe unter Beschuss nehmen.«
Vier Jazer-Blitze trafen Ziele, doch zehn verloren sich im All. Die Reaktion der Roamer ließ nicht lange auf sich warten – noch mehr von ihnen suchten das Weite. Admiral Stromo nahm sich vor, die Crews Zielübungen durchführen zu lassen. Oder hatten sie die Ziele absichtlich verfehlt? Fühlten sie sich noch immer der früheren Roamer-Kommandantin verpflichtet? Vielleicht war Tasia Tamblyns Einfluss größer, als die TVF geglaubt hatte…
Stromo seufzte und trat hinter den Sessel der Kommandantin. »Öffnen Sie einen Kom-Kanal.« Er rückte seine Uniform zurecht, strich das Haar glatt und versuchte, besonders ernst zu wirken. Ramirez wich aus dem Übertragungsbereich.
»Kanal geöffnet, Admiral.«
»Hier spricht Admiral Lev Stromo, Kommandeur von Gitter Null. Ich stelle den Roamern von Rendezvous ein Ultimatum. Die Terranische Verteidigungsflotte und die Hanse stufen Sie als Feinde ein. Die Entscheidungen Ihrer Regierung stellen eine klare Gefahr für die Menschheit dar. Hiermit übernimmt die Hanse Ihren Asteroidenkomplex. Ich verlange Ihre sofortige Kapitulation. Wir werden nicht darauf verzichten, gewaltsam gegen alle Schiffe vorzugehen, die zu fliehen versuchen.«
Ein schockierender Schwall aus Beleidigungen und Flüchen kam aus den Kom-Lautsprechern. Stromo hüstelte überrascht und verlegen. Die Roamer wussten sicher, was beim Hurricane-Depot geschehen war. So viele schwere Kreuzer zu sehen, die sich Rendezvous näherten… Wie konnten sie sich nicht ergeben? Der Admiral hatte mit ängstlichem Flehen und Unterwürfigkeit gerechnet, doch nicht mit respektlosen Verwünschungen.
In Stromos Wangen mahlte es, aber er beschloss, sich nicht provozieren zu lassen und der stolze militärische Kommandeur zu bleiben. »Versuchen Sie nicht zu fliehen. Alle Schiffe, die sich diesem Befehl widersetzen, werden zerstört. Sie haben zwei Stunden, um Rendezvous zu räumen und sich zu ergeben. Nach Ablauf dieser Frist vernichten wir Ihren Stützpunkt. Wenn dabei Roamer ums Leben kommen, so tragen Sie die Verantwortung, weil Sie unseren Instruktionen nicht Folge geleistet haben.«
Ramirez fügte den Worten des Admirals noch etwas hinzu. »Die TVF garantiert allen Gefangenen eine faire Behandlung. Sie werden keinen Schikanen ausgesetzt.«
»Als ob sie bereit wären, das zu glauben«, murmelte Stromo.
Wieder ertönten Flüche und Schmähungen aus den Lautsprechern des Kommunikationssystems. Voller Abscheu bedeutete Stromo dem zuständigen Offizier, den Kom-Kanal zu schließen. Er runzelte die Stirn, als die Roamer-Schiffe trotz seiner Warnung zu fliehen versuchten. »Erinnert Sie das nicht an Kakerlaken, die forthuschen, wenn jemand das Licht einschaltet, Commander Ramirez?«
Die kleinen Schiffe flogen im Zickzack zwischen den Asteroiden und waren schwer zu treffen. Zwar eröffneten die Mantas erneut das Feuer, aber die Waffenoffiziere verfehlten meistens das Ziel. Die Besatzungsmitglieder dieser Kreuzer müssen besser ausgebildet werden, dachte der Admiral.
Zu viele Schiffe der Roamer entkamen. Stromo schüttelte den Kopf und nickte der Kommandantin zu. »Commander Ramirez, starten Sie alle Remora-Staffeln. Ziehen Sie das Netz zusammen. Rendezvous gehört jetzt uns.«