14 DD

In der Stadtsphäre der Hydroger unter den Wolken von Ptoro hallten brummende Alarmsignale wie Hammerschläge durch die extrem dichte Atmosphäre. DD wusste nicht, wohin er fliehen sollte.

Die fremden Wesen schimmerten wie Quecksilber, als sie durch die chaotischen Skulpturen glitten, aus denen ihre Metropolis bestand. Die geometrischen Gebäude waberten und veränderten ihre Form, wie dreidimensionale kristallene Mosaike, die sich miteinander verbanden. Farben strahlten heller.

Der Modell-Freundlich-Kompi verstand nicht, was die überaus fremdartigen Hydroger taten oder sagten, aber er bemerkte ihre Unruhe. Um was für eine Art von Notfall handelte es sich? Die schwarzen Klikiss-Roboter – DD verstand sie ein wenig besser, aber sie waren genauso monströs für ihn – hasteten voller Aufregung umher. Schließlich gelang es ihm, einen der käferartigen Roboter anzuhalten. »Bitte sag mir, was vor sich geht.«

Der Roboter drehte seinen kantigen Kopf und richtete blitzende optische Sensoren auf den Kompi. »Das terranische Militär hat Ptoro erreicht. Scouts in den oberen Schichten der Atmosphäre beobachten es. Die Menschen haben den vorbereitenden Apparat der von meinen verfluchten Schöpfern entwickelten Fackel-Waffe eingesetzt. Einige Hydroger übernehmen die Verteidigung, während die Stadtsphären Transtore öffnen und diese Welt evakuieren. Wir Roboter brechen mit unseren Schiffen auf.«

Die brummenden Alarmsignale ließen die Metall- und Polymerkomponenten von DDs Körper vibrieren. »Was ist mit mir? Soll ich ebenfalls mitkommen?«

»Darum kümmert sich Sirix. Wir müssen wichtige Vorbereitungen treffen. Misch dich nicht ein.« Der große Roboter stapfte durch die dichte Atmosphäre fort und trat durch eine segmentierte kristallene Wand. Hinter ihm rückten die Facetten wieder an ihren Platz.

DD blickte nach oben und beobachtete, wie mehrere Kampfschiffe der Hydroger von der Stadtsphäre aufstiegen. Die großen Kugeln mit der diamantenen Außenhülle sausten wie dornige Kanonenkugeln nach oben.

Die tapferen TVF-Soldaten dort draußen würden es bald mit einer übermächtigen Streitmacht zu tun bekommen.

Beim Zünden der ersten Klikiss-Fackel hatten DDs Eigentümer Margaret und Louis Colicos niemandem schaden wollen und nicht einmal etwas von der Existenz der Hydroger gewusst. Diesmal aber setzte die TVF die Klikiss-Fackel ganz bewusst als Vernichtungswaffe im Krieg ein. Diplomaten der Hanse und Offiziere der Flotte hatten mehrmals versucht, Frieden zu schließen, aber die Hydroger wollten nicht verhandeln. Die Flüssigkristallwesen hielten Menschen als Spielzeuge bei ihren sonderbaren Untersuchungen und Experimenten für einigermaßen interessant, ansonsten aber für unwichtig – im Spiralarm gab es weitaus bedeutungsvollere Gegner.

DD hingegen hielt nichts für wichtiger, als jenen ambientalen Raum aufzusuchen, in dem Robb Brindle und die anderen Menschen gefangen waren. Auf dem Weg dorthin stellte sich dem kleinen Kompi niemand entgegen. Die Hydroger und Klikiss-Roboter waren viel zu sehr mit der Evakuierung beschäftigt, um ihm Beachtung zu schenken.

Als er den Raum betrat, standen die ausgemergelt wirkenden Gefangenen auf. »DD!«, sagte Brindle. »Hoffentlich bringst du gute Nachrichten.«

»Das ist leider nicht der Fall. Haben Sie den Aufruhr in der Stadtsphäre der Hydroger bemerkt?«

Einige Gefangene traten an die gallertartigen Wände und blickten durch die transparenten Membranen. »Wir sehen, dass es dort recht hektisch zugeht, aber wer weiß schon, was dahinter steckt«, sagte Brindle.

»Die Terranische Verteidigungsflotte ist eingetroffen und hat bereits den Ankerpunkt für ein Wurmloch gestartet. Ptoro soll mithilfe einer zweiten Klikiss-Fackel gezündet werden.«

Mehrere Gefangene hoben die Fäuste und jubelten. »Wurde auch Zeit!«

»Eine zweite Fackel!«

»Dagegen sind die Droger machtlos!«

Anjea war am lautesten. »Das wird den verdammten Fremden eine Lektion sein. Legt euch mit der TVF an, und ihr verbrennt euch.«

»Äh, ich möchte euch nicht die Freude verderben«, warf Brindle ein. »Aber es dürfe auch für uns ziemlich heiß werden.«

Einige Gefangene stöhnten kummervoll; andere schien es nicht zu kümmern.

»Gibt es eine Möglichkeit, diesen Ort zu verlassen?« Brindle sah sich fragend um. »Können wir den Einsatz der Fackel irgendwie verhindern?«

»Und den Drogern damit helfen? Auf keinen Fall!«

»Unser Tod bedeutet auch das Ende der Droger«, sagte ein verdreckter Charles Gomez. »Das ist es wert.«

»Ich glaube, die Hydroger wollen die Stadtsphären durch Transtore zu anderen Gasriesen bringen«, warf DD ein. »Ich vermute, sie nehmen Sie mit. Sie bleiben also in Sicherheit.«

»Wenn dies sicher ist, Kumpel, dann möchte ich nicht wissen, was du für gefährlich hältst.« Anjea Telton schnaufte.

Als der verwirrte Kompi nach einer passenden Antwort suchte, sagte Brindle in einem vermittelnden Tonfall: »Schon gut, DD. Ich weiß, dass du dir alle Mühe gibst. He, begleitest du uns? Nehmen die Hydroger auch dich mit?«

»Ich habe nur wenige Informationen, und leider reichen sie nicht aus, um diese Frage zu beantworten.«

Der mürrische Gomez wandte sich von der gewölbten, durchsichtigen Wand ab. Neben ihm riefen zwei Männer eine Warnung. DD sah auf und bemerkte mehrere mit Gelenken ausgestattete Gliedmaßen. Ein gepanzertes, käferartiges Etwas schob sich in den Ambientalraum, und als die Gefangenen zurückwichen, erkannte DD seinen Hauptpeiniger Sirix. »Komm sofort mit, DD. Unser Schiff ist startbereit.«

»Wir müssen die Sicherheit dieser Menschen gewährleisten«, erwiderte der Kompi. »Vielleicht kümmern sich die Hydroger nicht ausreichend um sie.«

»Die Hydroger können sie töten oder retten, wie es ihnen beliebt. Der Transfer dieser Stadtsphäre durch ein Transtor steht bevor, und wir haben nicht die Absicht, an dem Exodus teilzunehmen.«

»Warum nicht?«, fragte DD.

Brindle und die anderen Menschen starrten die beiden Maschinen an und versuchten, der rasenden elektronischen Kommunikation zu folgen.

»Wir haben andere Prioritäten. Hör auf damit, unsere Zeit zu vergeuden.«

DD begleitete den schwarzen Roboter pflichtbewusst durch die Membran, wechselte dabei einen letzten Blick mit Brindle, der besorgt, aber auch entschlossen wirkte.

Oben waren drei weitere Kugelschiffe zu sehen, die die Stadtsphäre verließen.

Sirix hatte es recht eilig, als er DD zum modifizierten Raumschiff führte. Die silberne Lache eines fließenden Hydrogers wuchs vor ihnen empor und nahm dabei menschliche Gestalt an.

Die Sprache des Fremden war viel zu komplex, als dass der Kompi sie verstehen konnte, aber er glaubte zu hören, dass bereits ein Fackel-Wurmloch geöffnet worden war und die Evakuierung der Stadtsphären unmittelbar bevorstand.

Sirix klickte und summte eine Antwort, die sarkastisch, fast ironisch erschien. »Die von unseren brutalen Herren und Schöpfern entwickelte Fackel-Waffe macht die Menschen jetzt so mächtig wie die Faeros, wenn auch nur zeitweise. Die Rückkehr der Faeros veranlasst euch vielleicht dazu, die Menschen bei eurem größeren Konflikt für irrelevant zu halten. Doch wenn sie in der Lage sind, nach Belieben Hydroger-Welten zu vernichten – werden sie dadurch nicht äußerst relevant?« Auf multiplen fingerartigen Beinen näherte sich Sirix dem Schiff. »Die destruktive Natur der Menschen, vor der wir oft gewarnt haben, ist schon mehrfach deutlich geworden.«

Ein Kräuseln huschte über den silbernen Körper des Hydrogers, und diese Antwort verstand DD mit geradezu schmerzhafter Deutlichkeit. »Die Klikiss-Roboter haben unsere Erlaubnis, so viele Menschen zu töten, wie sie wollen.«

Sirix drehte seinen flachen geometrischen Kopf. »Wir wissen, dass der Konflikt mit den Faeros und Verdani derzeit eure ganze Kraft beansprucht. Wir Roboter werden alles in unserer Macht Stehende tun, die Menschheit auszulöschen und ihre Kompis zu befreien.«

Der schwarze Roboter hastete zum modifizierten Schiff, das dem enormen Druck in der Tiefe des Gasriesen standhalten konnte, und geleitete DD an Bord. Mehrere Klikiss-Roboter standen bereits an den Kontrollen. Das Schiff startete sofort, passierte eine Wand der Stadtsphäre, glitt nach oben und entfernte sich schnell von der Hydroger-Metropolis. DD schwenkte seine optischen Sensoren und sah in die Richtung zurück, aus der sie kamen.

Grelles weißes Licht schien die Luft selbst zu zerreißen – es sah nach einem sich öffnenden vertikalen Maul aus. Riesige Stadtsphären der Hydroger flogen in den immensen Rachen des Transtors. Ein zweiter Transportkanal öffnete sich, und ein weiterer Komplex aus facettierten Kugeln glitt in Sicherheit.

Die schwarzen Roboter beschleunigten ihr Schiff, als es durch die Stürme des Planeten raste. Sie schenkten all den sonderbaren Lebensformen in den bizarren Wohnzonen und stabilen Schichten von Ptoros Atmosphäre keine Beachtung.

Tief unten, wo eben noch viele Stadtsphären geschwebt hatten, gleißte plötzlich das Licht einer neuen Sonne. Die Klikiss-Fackel hatte einen Neutronenstern in den Kern des Gasriesen transferiert und damit einen Gravitationskollaps ausgelöst.

Die letzten Stadtsphären der Hydroger flogen durch Transtore, die sich hinter ihnen schlossen. Sie waren entkommen und ließen nur die Kugelschiffe zurück, die die Aufgabe hatten, an den Menschen Vergeltung zu üben.

DD musste seine Sensoren rejustieren. Die Roboter flohen so schnell von Ptoro, dass ihr Schiff – das enormen Belastungen standhalten konnte – immer heftiger vibrierte und auseinander zu brechen drohte.

Und dann brannte der ganze Planet.