48 RLINDA KETT
Es bereitete Rlinda Kett große Freude, die Unersättliche Neugier zu fliegen, und sie hätte jedes Ziel angesteuert, das die Hanse ihr nannte. BeBob und sie bekamen all das Ekti, das sie benötigten, solange sie Ausrüstungsmaterial und Kolonisten zu den neu besiedelten Welten brachten.
Rlinda hatte ihr Schiff bereits voll beladen, aber diesmal bestimmte ein einzelner Passagier ihren Kurs, aufgrund einer ausdrücklichen Bitte des Vorsitzenden Wenzeslas höchstpersönlich. Sie sah den Mann im Sessel des Kopiloten an und lächelte. »Schön, Sie wieder an Bord zu haben, Davlin.«
Sein Gesichtsausdruck blieb neutral. »Ich muss zugeben, dass es auch mich freut, Sie wieder zu sehen, Rlinda. Seltsam, nicht wahr?«
»Haben Sie sonst keine Freunde?«
»Es sind nicht mehr viele, seit ich für die Hanse arbeite.«
Rlinda schaltete den Autopiloten ein und lehnte sich in ihrem verstärkten Sessel zurück. »Dann wird es Zeit, dass Sie Gelegenheit finden, wieder ein richtiges Leben zu führen. Wie wär’s, wenn wir uns die Zeit mit einem Spiel vertreiben, während wir unterwegs sind? Ich kann Ihnen ein breites Spektrum an Unterhaltungsmöglichkeiten anbieten.«
»Nein.« Es klang nicht unhöflich, nur desinteressiert.
Rlinda lächelte weiterhin – sie wusste, dass Davlin Lotze eine harte Nuss war. »Möchten Sie, dass ich etwas Besonderes für Sie koche? Ich kenne viele Rezepte.«
»Nein.«
Sie rieb sich die Hände. »Ihr Wunsch besteht also allein darin, ein angenehmes Gespräch zu führen?«
»Nein.«
Es funkelte in Rlindas Augen. »Ich ziehe Sie nur auf, Davlin. Das wissen Sie doch, oder?«
»Ja.«
»Ich dachte, Spione sollten zuvorkommend sein und sich jeder Situation anpassen können.«
»Ich bin kein Spion, sondern Spezialist für obskure Details und exosoziologischer Forscher.«
»Mit anderen Worten: Sie sind ein Spion ohne feine Lebensart.«
»Ich schätze, darauf läuft es hinaus.« Davlin überraschte Rlinda mit einem Lächeln, dem allerersten überhaupt.
»Ihr Lächeln ist bezaubernd, Davlin. Sie sollten es öfter zeigen.«
»Genau darum zeige ich es nicht. Zu viele Leute würden es bemerken.«
Rlinda seufzte und gab ihm einen mütterlichen Klaps auf die Hand. Ein Gespräch mit Davlin Lotze war wie ein Besuch beim Zahnarzt, aber sie fand trotzdem Gefallen daran.
Davlin war still, ordentlich und unaufdringlich. Er hatte kurz geschnittenes Haar und ein Gesicht, dessen Alter man kaum bestimmen konnte. Er war groß und gut gebaut. An seinen Zügen fiel nur auf, dass sie durch nichts auffielen. Kein Wunder, dass die anderen Kolonisten so wenig auf ihn geachtet hatten.
»Crenna ist sehr nett. Ich bin nur einige Male dort gewesen, aber die Welt machte einen recht guten Eindruck auf mich.«
»Ja. Voller Stille und Normalität. Mir gefielen die Leute dort.« Davlin sah aus dem Fenster und beobachtete die dahinziehenden Sterne. »Was ganz anderes, als durch Transportale der Klikiss zu gehen und den Bestimmungsort unbekannter Koordinatenkacheln zu erforschen. Ich habe genug für die Hanse getan, von Spionage bis zum direkten Kampf. Einige meiner frühen Missionen als Träger einer Silbermütze waren… ziemlich scheußlich.«
Das überraschte Rlinda. »Sie waren bei den Silbermützen? Davon haben Sie mir nichts erzählt. Und ich dachte, Sie hätten mir Ihre ganze Lebensgeschichte anvertraut.«
Davlin musterte sie mit ausdrucksloser Miene. »Gewisse Teile habe ich ausgelassen.«
»Ich weiß nie, wann ich Ihnen glauben kann, Davlin.«
Daraufhin lächelte er erneut. »Gut.«
Nach einer Weile wuchs Crennas Sonne inmitten der Sterne vor dem Schiff. Als der gleißende Ball die Bildschirme füllte, aktivierte Rlinda die Filter. »Noch immer starke Sonnenfleckenaktivität, aber nichts Gefährliches. Als ich das letzte Mal ins Crenna-System kam, um Sie abzuholen, trieben sich einige Hydroger in der Nähe der Sonne herum. Ich weiß nicht, wonach sie gesucht haben. Die ungewöhnliche Sonnenaktivität schien sie zu interessieren.«
»Haben die Hydroger Sie angegriffen?«
»Nein. Ich habe alle Systeme deaktiviert und mich tot gestellt. Entweder bemerkten sie die Neugier nicht, oder sie scherten sich nicht um mich.«
»Ich habe die letzten Berichte von der Kolonie gelesen«, sagte Davlin. »Von irgendwelchen Hydroger-Sichtungen war darin nicht die Rede.«
»Umso besser. Auch BeBob hat es auf Crenna gefallen.« Rlinda hob die Brauen. »Erinnern Sie sich an Branson Roberts?«
»Ja, ich erinnere mich an Captain Roberts.«
»Er fliegt jetzt wieder mit mir und transportiert Fracht mit der Blinder Glaube. Aber das ist alles inoffiziell. Eigentlich hat er sich unerlaubt von der Truppe entfernt, wegen zu gefährlicher Erkundungsmissionen für die TVF.«
»Das dürfte General Lanyan gar nicht gefallen.«
»Das Gefühlsleben des Generals ist sein Problem. Wir machen uns deshalb keine Sorgen.«
In letzter Zeit waren Rlinda und BeBob damit beschäftigt gewesen, Baumaterial und schweres Gerät zu transportieren. Auf Crenna sollte Rlinda zehn oder mehr Freiwillige für die Kolonisierungsinitiative aufnehmen, obwohl es ihr ein Rätsel blieb, warum jemandem daran gelegen sein sollte, eine so friedliche Welt zu verlassen und ins Unbekannte aufzubrechen. Manche Leute suchten immer woanders nach einem besseren Leben. Andere stellten sich der Herausforderung, eine eigene Gesellschaft zu gründen und auf einer ungezähmten Welt zu überleben. Rlinda wusste nicht, wo ein Mann wie Davlin in dieses Bild passte.
»Ich wette, nach einem Jahr langweilen Sie sich.«
»Langeweile wäre etwas ganz Neues für mich. Ich freue mich darauf.« Davlin seufzte, und es klang zufrieden.
Rlinda behielt eine recht hohe Geschwindigkeit bei, als sie in die Umlaufbahn des Planeten Crenna einschwenkte und ihm auf seinem Weg ums Zentralgestirn folgte. Kurze Zeit später erschien die Kolonialwelt vor ihnen, wie ein Juwel im All. »Da sind wir, Davlin. Jetzt kommt der schwere Teil für Sie. Vor Ihrem Verschwinden hielten all die Leute dort unten Sie für einen ganz normalen Kolonisten mit ein wenig technischem Geschick. Man wird Ihnen viele Fragen stellen. Sind Sie bereit, sich als Spion zu erkennen zu geben?«
»Als Spezialist für obskure Details«, korrigierte er.
»Was auch immer.«
Davlin sah Rlinda mit stoischem Gesicht an. »Ich bin durchaus imstande, mit schwierigen Situationen fertig zu werden. Die Siedler auf Crenna sind gutherzige Menschen. Sie werden mich akzeptieren.«
Rlinda veränderte den Kurs, senkte die Geschwindigkeit und steuerte die Unersättliche Neugier in die Atmosphäre des Planeten. Dann beugte sie sich zur Seite und klopfte Davlin kameradschaftlich aufs Knie. »Es war mir eine Freude, Sie wieder an Bord gehabt zu haben. Denken Sie daran: Ich helfe gern, wenn Sie etwas brauchen.«
Es war eine dahingeworfene Bemerkung, die sie schon oft gemacht hatte. Der Mann an ihrer Seite wirkte überrascht. »Das ist ein gefährliches Angebot.«
»Und Sie haben versucht, sich als gefährlichen Mann darzustellen.« Rlinda zuckte mit den Schultern, sah auf die Kontrollen und konzentrierte sich auf die Landung. »Aber ich schätze, ich riskiere es.«