92 KOTTO OKIAH
Während der Reise nach Osquivel war der Komfort recht eingeschränkt, aber das nahm Kotto überhaupt nicht zur Kenntnis. Seine Aufmerksamkeit galt anderen Dingen. Die Arbeit auf Theroc hatte er bereits vergessen, und jetzt widmete er sich ganz neuen Problemen und Rätseln.
Cesca Peroni hatte ihm eine freie Koje an Bord eines Frachters besorgt, der zu den Werften von Osquivel flog. Er hatte zu essen, zu trinken und Luft zum Atmen. Mehr brauchte er nicht. Der Kapitän des Frachters war ein Einzelgänger, der die Einsamkeit liebte und von Passagieren nicht viel hielt. Aber da der exzentrische Ingenieur die meiste Zeit über in seiner Kabine blieb und dort Berechnungen anstellte, kamen die beiden Männer gut miteinander zurecht.
Die Vorstellung, ein intaktes Hydroger-Schiff zu untersuchen, faszinierte Kotto. Er sah sich ungeahnten Möglichkeiten gegenüber. Leider war kaum etwas über die Raumschiffe der Hydroger bekannt, was bedeutete, dass er erst dann Theorien entwickeln konnte, wenn er mit den Untersuchungen begonnen hatte. Bis dahin versuchte er, sich mit anderen Herausforderungen abzulenken.
Zuerst die extreme Hitze auf Isperos, der mehrere Roamer zum Opfer gefallen waren. Anschließend hatte er sich vorgenommen, es auf dem ultrakalten Mond Jonah 12 besser zu machen, wo Seen aus flüssigem Methan und Eisberge aus gefrorenem Ammoniak der Landschaft etwas Zauberhaftes gaben. Da die Atmosphärengase in fester Form vorlagen, konnten Roamer mit speziellen Fahrzeugen Wasserstoff einfach vom Boden aufsammeln.
Doch die meisten von Menschen hergestellten mechanischen Systeme waren nicht imstande, auf Dauer in einer so kalten Umgebung zu funktionieren. In seiner Kabine an Bord des Frachters überarbeitete Kotto das Konstruktionsmuster der Raupen und Extraktoren, entwarf dann eine neue Vakuumisolierung für die Motoren.
Er hatte sich nie für einen besonders abenteuerlichen Mann gehalten, aber er erinnerte sich an die Worte, die Cesca Peroni an jenem Tag, als sie Sprecherin geworden war, an alle Roamer gerichtet hatte. Die junge Frau war so engagiert, schön und pflichtbewusst gewesen, dass Kotto beschlossen hatte, sie nicht zu enttäuschen…
In seiner freien Zeit befasste er sich auch mit Dokumenten über Klikiss-Transportale und die Klikiss-Fackel. Die insektoide Zivilisation hatte fremdartige Formen der Mathematik und Technik entwickelt, doch für Kotto war das alles sehr interessant. Er fand großen Gefallen daran, Ideen auf ungewöhnliche Weise miteinander zu verbinden. Seine Gedanken waren wie ein Projektil, das in Schwerelosigkeit als Querschläger hin und her sauste.
Als der Frachter sein Ziel erreichte, schob Kotto all die Dinge beiseite, mit denen er sich während des Flugs beschäftigt hatte. Del Kellum stand an der Luke, die Hände an die Hüften gestützt. »Verdamm, Kotto, Ihre Mutter hat uns gesagt, dass wir auf Ihre verrückten Ideen hören sollen. Jetzt haben Sie Gelegenheit, so verrückt zu sein, wie Sie möchten.«
Kotto nahm keinen Anstoß an diesen Worten. »Das weiß ich zu schätzen.« Er blickte sich im Andockraum um. »Wo ist das Wrack? Ich kann es gar nicht abwarten, mit der Arbeit zu beginnen.«
»Ein solches Objekt in der Nähe von bewohnten Stationen wäre zu gefährlich – die Droger könnten kommen und danach suchen.« Del Kellum klopfte Kotto auf die Schulter und ging mit ihm durch den Korridor. »Einige meiner Arbeiter haben das Schiff zur anderen Seite der Ringe gebracht. Dort wartet es allein auf Sie.«
Kellum aktivierte einen Wandschirm und ließ ein Orbitaldiagramm darauf erscheinen. Ein blinkender Punkt markierte die Stelle, an der sich das Hydroger-Schiff befand, in einem stabilen Orbit am äußeren Rand der Ringe. »Ich habe Ihnen fünf unserer Zuhörer- und Soldaten-Kompis als Assistenten zugewiesen, aber Sie werden der einzige Mensch dort draußen sein. Es sei denn, Sie brauchen noch jemanden.« Er hob fragend die Brauen und hoffte, dass Kotto verneinte.
Der Ingenieur schüttelte den Kopf. »Nein, ich arbeite lieber allein.«
»Gut. Vorräte, Geräte und Ausrüstungsmaterial liegen für Sie bereit.« Del Kellum rief ein Bild des Hydroger-Schiffes auf den Schirm, und Kotto betrachtete es fasziniert. »Finden Sie so viel wie möglich darüber heraus.«