82 CESCA PERONI

Als die Roamer-Techniker die Reparaturarbeiten in der Pilzriff-Stadt beendeten, lud Cesca Mutter Alexa und Vater Idriss zu einer Besichtigungstour ein.

Roamer arbeiteten mit schwerem Gerät im Wald. Sie hatten Ordnung geschaffen und viele behelfsmäßige Unterkünfte für die Theronen errichtet. »Ich weiß nicht, wie wir ohne die Hilfe der Roamer zurechtgekommen wären«, sagte Alexa.

Cesca nickte ernst. »Die Hydroger haben unsere Himmelsminen zerstört, und dadurch mussten wir unsere traditionelle Lebensweise ändern. Aber wir lassen uns nicht unterkriegen. Wir kämpfen und halten an den Dingen fest, die uns am meisten bedeuten. Unsere Völker haben viel gemeinsam.«

Vater Idriss sah zu der großen organischen Masse mit den vielen Streben und Stützen auf. »Die Pilzriff-Stadt sieht… anders aus.«

»Sie sieht gut aus«, sagte Alexa. »Gehen wir hinauf.«

Cesca begleitete einen aufgeregten Kotto Okiah, als die beiden Oberhäupter der Theronen den Ort erreichten, von dem aus sie in glücklicheren Zeiten regiert hatten. »Sie haben mit dem zur Verfügung stehenden Material ausgezeichnete Arbeit geleistet und innovative Lösungen gefunden, Kotto.«

Der exzentrische Ingenieur platzte fast vor Stolz. »Darauf verstehen sich Roamer, Sprecherin.« In nur einem Monat hatten er und seine Leute etwas geschafft, für das die Theronen ein Jahr gebraucht hätten.

Alexa und Idriss standen im wiederhergestellten Versammlungsraum und warteten darauf, dass sich ihre Augen ans matte künstliche Licht gewöhnten. Unsicher sahen sie sich um, und ihre Blicke glitten über die vielen Veränderungen. »Ich hatte befürchtet, wir müssten das ganze Pilzriff aufgeben«, sagte Alexa.

Kotto ging voller Aufregung umher, wie ein von der Leine gelassener junger Hund. »Sie kennen die Pläne, und jetzt sehen Sie, was wir gemacht haben. Die tragenden Wände wurden mit dicken Balken aus Weltbaumholz verstärkt. Wir hätten Stützelemente aus Metall oder Polymeren verwenden können, aber ich dachte mir, dass Ihnen ein natürliches Erscheinungsbild lieber ist.« Mit den Fingerknöcheln klopfte er an einen der Balken, die Teile des großen Raums abstützten. »Unter der Stadt haben wir ein ganzes Netz aus Streben angebracht. Derzeit sieht es nicht besonders elegant aus, aber Sie könnten das Gerüst hinter Kletterpflanzen und dergleichen verschwinden lassen.«

»Wie auch immer es aussieht – die ehemaligen Bewohner dieser Stadt werden sich freuen, zurückkehren zu können«, sagte Idriss.

Alexa seufzte leise. »In diesem Versammlungsraum haben wir Reynald gekrönt. Mir ist, als wäre es erst gestern gewesen. Und jetzt sind Reynald und Beneto tot.« Sie wandte sich an Idriss, und Tränen glänzten in ihren Augen. »Warum ist Sarein noch nicht heimgekehrt? Sie hätte bereits hier sein sollen.«

»Nahton hat bestätigt, dass sie bald kommt«, erwiderte Idriss.

Kotto führte sie in Korridore, die tief ins Innere der Pilzriff-Stadt reichten. »Sehen Sie, wir haben neue Wasser- und Energieleitungen verlegt. Die alten Belüftungssysteme waren ineffizient, und manche von ihnen endeten in Räumen ohne Ausgang. Von wem auch immer sie stammten… Ganz offensichtlich waren sie das Ergebnis wiederholter Improvisation.«

Idriss sah seine Frau an. »Ja, so sind sie entstanden.«

»Jetzt ist alles viel effizienter. Sie werden den Unterschied bemerken, wenn Sie die neuen Systeme benutzen.« Kotto schritt neben den beiden Theronen, die angesichts der vielen Veränderungen und Verbesserungen verblüfft und wie benommen wirkten. Vermutlich wussten sie gar nicht, was sie mit all den neuen Dingen anfangen sollten.

Alexa schien die Gedanken ihres Mannes zu erraten und berührte seinen muskulösen Arm. »Es sind Veränderungen, mit denen wir leben können, Idriss. Unsere Welt wird nie wieder so sein wie vorher.«

Kotto ging voraus. »Die Stadt ist nun so weit instand gesetzt, dass ein Drittel der ursprünglichen Bewohner zurückkehren kann… vielleicht auch die Hälfte, wenn sie bereit sind, enger zusammenzurücken.«

Alexa zeigte wenig Freude über die gute Nachricht. »Wir brauchen nicht zusammenzurücken – beim Angriff der Hydroger sind viele ums Leben gekommen.«

Kotto nickte verlegen und traurig. »Bitte entschuldigen Sie.«

Voller Ruß und außer Atem eilte ihnen Cescas Vater durch einen Korridor entgegen. »Cesca!« Er strich sich das schweißfeuchte Haar aus der Stirn, als er seine Tochter erreichte. »Eins unserer Schiffe ist gerade mit einer Nachricht von Osquivel gekommen. Del Kellum braucht Kottos Hilfe.«

Der Ingenieur hob die Brauen. »Es gibt hier noch viel zu tun.«

Denn lächelte. »Kellum hat ein kleines Hydroger-Schiff gefunden, vollkommen intakt. Er glaubt, dass Sie der beste Mann dafür sind, es zu untersuchen – falls Sie Interesse haben.«

Kotto schnappte nach Luft. »Ein echtes Hydroger-Schiff, unbeschädigt? Keine Trümmer wie jene, die die Hanse von hier fortgebracht hat?«

»Ein Schiff ohne irgendwelche erkennbaren Schäden. Eine einzigartige Gelegenheit für einen unerschrockenen Forscher.« Cesca erkannte das provozierende Lächeln ihres Vaters wieder – damit hatte er sie oft herausgefordert, als sie ein Mädchen gewesen war.

Kotto hatte in seiner langen beruflichen Laufbahn immer wieder Erstaunliches geleistet, und Cesca wusste, dass er der beste Mann für diese Aufgabe war. Seine Neugier kannte keine Grenzen, und er kannte sich mit unterschiedlichen Technologien aus, von terranischen bis hin zu ildiranischen. Außerdem hatte er alle verfügbaren archäologischen Artikel über die Hinterlassenschaften der Klikiss gelesen. »Sie müssen nach Osquivel.«

»Aber hier gibt es noch so viel Arbeit…«

Cesca betonte jedes einzelne Wort. »Sie müssen nach Osquivel, Kotto.«

Wie ein Kind zögerte er noch einen Moment und lächelte dann. »Ja… ja. Wann können wir aufbrechen?«

Denn deutete zum Ausgang. »Alle Feuer im Wald sind gelöscht, und Torin Tamblyn möchte zu den Wasserminen von Plumas zurückkehren. Er nimmt Sie mit.«

Nachdem Kotto voller Aufregung fortgeeilt war, begleitete Cesca Idriss und Alexa zu einem offenen Balkon, von dem aus sie die Aktivitäten beobachten konnten. Aus der Ferne kam das Brummen schwerer Maschinen. Theronen und Roamer schlangen Kabel um verkohlter Weltbäume und räumten sie mit Hebegeräten beiseite. Viele Stämme waren bereits dort gestapelt worden, wo das Feuer am heftigsten gewütet und tiefe Breschen im Weltwald hinterlassen hatte. Cesca fragte sich, was sie mit all dem toten Holz anfangen sollten.

Sie sah nach unten und beobachtete, wie Yarrod am breiten Stamm zum hohen Pilzriff emporkletterte. Er war mit dem Selbst des Weltwaldes verbunden und bewegte sich mit dem flinken Geschick eines Geckos. Als er das Gerüst aus Stützen und Streben unter dem Riff erreichte, schwang er sich zur Seite und zog sich zum Balkon hoch.

Der grüne Priester war fast so alt wie seine Schwester Alexa, und sein Gesicht zeigte die tätowierten Symbole der Fertigkeiten, die er im Dienst der Weltbäume erlernt hatte. Bei der Rückkehr zum verbrannten Wald hatte er ausgemergelt und bestürzt gewirkt, aber jetzt schien ihn neue Kraft zu erfüllen.

»Ich bringe eine Nachricht vom Weltwald, einen Vorschlag für Cesca Peroni und die Roamer. Möchten Sie das Holz bergen und fortbringen? Es hat bemerkenswerte Eigenschaften, und vielleicht können Sie es anderenorts verwenden.«

»Es ist ein großes Geschenk, Sprecherin Peroni«, sagte Idriss. »Und ein großzügiges.«

»Aber es genügt nicht, um Ihnen all das zu vergelten, was Sie für uns getan haben«, fügte Alexa hinzu.

Cesca versuchte, keine zu große Freude zu zeigen. Nirgends sonst im Spiralarm stand Menschen das Holz von Weltbäumen für den Bau oder auch nur für Schmuck zur Verfügung. »Ich bin… fasziniert. Seit dem Verlassen der Erde haben die Angehörigen unserer Clans im Innern von Asteroiden, an Bord von Raumschiffen und auf unwirtlichen Welten gelebt. Wir hatten nur selten über den Luxus von Holz verfügt, und jetzt bieten Sie uns mehr an, als wir für unsere eigenen Zwecke verwenden können.«

»Sie sind auch Händler«, sagte Yarrod. »Vielleicht können Sie das Holz als Handelsware nutzen.«

»Ja, vielleicht.« Es ärgerte Cesca noch immer, dass sie keine Antwort von der Hanse bekommen hatten, und sie fürchtete, dass der Vorsitzende Wenzeslas irgendetwas plante. »Zwar haben wir die Handelsbeziehungen zur Hanse abgebrochen, aber wir könnten den Ildiranern Holzprodukte anbieten, oder abgelegenen Kolonien, die kaum Verbindungen zur Großen Gans unterhalten.«

Cesca ahnte, dass sich mit Weltbaumholz viel Geld verdienen ließ, und sie traf sofort eine Entscheidung. »Und Sie bekommen einen Teil des Erlöses. Auch die theronische Wirtschaft hat durch den Angriff schweren Schaden erlitten.«

»Der Wald gibt uns alles, was wir brauchen«, sagte Idriss.

Alexa legte ihm die Hand auf den Arm. »Jetzt sind die Dinge anders, Idriss. Unser Volk leidet Not. Mit mehr Geld könnten wir Material kaufen und zusätzliche Arbeiter bezahlen, die dem Wald dabei helfen, sich schneller zu erholen.«

Idriss kratzte sich am schwarzen Bart. »Daran habe ich nicht gedacht.«

»Sind Sie sicher, dass der Weltwald erlaubt, so viel Holz fortzubringen? Immerhin handelt es sich um Weltbäume, um tote Brüder des Waldes.«

Yarrods Gesicht zeigte einen stoischen Ausdruck. »Cesca Peroni, Sie helfen uns dabei, unsere Toten fortzubringen, und dadurch bekommt Ihr Opfer zusätzliche Bedeutung. Erst dann kann der Ort des Massakers neues Leben hervorbringen.«

In der Ferne zog eine schwere Maschine einen riesigen verkohlten Baumstamm, so groß wie ein Raumschiff. Cesca nickte. »Der Verkauf des Weltbaumholzes wird unseren Clans helfen, so wie die Roamer Ihnen geholfen haben. Dies soll das Symbol der Zusammenarbeit und Freundschaft zwischen Roamern und Theronen sein.«

Mutter Alexa drückte die große Hand ihres Mannes. »Das hätte sich Reynald gewünscht.«