67 CESCA PERONI

Roamer-Schiffe sanken Theroc entgegen, Retter in der Not.

Cesca befand sich an Bord des ersten Schiffes, zusammen mit ihrem Vater. Es fühlte sich gut an, etwas zu tun, den Theronen zu helfen; sie hoffte, den Schmerz der Überlebenden zu lindern und dadurch etwas zu tun, auf das sie stolz sein konnte. Cesca war nicht in der Lage gewesen, Reynald während seines Lebens Liebe anzubieten, doch sie wusste: Die Hilfe, die sie jetzt seinem Volk leisten würde, wäre ihm viel wichtiger gewesen.

Als sich der Schwarm aus wie improvisiert wirkenden Raumschiffen dem verbrannten Wald näherte, begann Cesca das ganze Ausmaß des Schadens zu verstehen, den die Hydroger und Faeros angerichtet hatten. Tränen quollen ihr in die Augen, als sie ihren Vater ansah und begriff, wie froh sie darüber war, bei dieser Gelegenheit bei ihm zu sein. »Ich hoffe nur, dass ich die richtigen Leute und genug Material mitgebracht habe, Vater.«

Denn Peroni konzentrierte sich auf den komplizierten Landeanflug. »Du bist deinem Leitstern zu dieser guten Tat gefolgt, Cesca. Vertrau darauf, dass du ausreichend inspiriert warst, an alle notwendigen Dinge zu denken. Wenn nicht, machen wir von unserem Einfallsreichtum Gebrauch. Wir helfen den Theronen dabei, wieder auf die Beine zu kommen.«

Als Kind hatte Cesca ihren Vater an Bord seines Handelsschiffes begleitet, bei den Flügen zu Hanse-Kolonien, entfernten Roamer-Siedlungen und selbst zur Erde, einer Welt, die sie mit ihrem Lärm und ihren vielen Menschen erschreckt hatte. An ihrem zwölften Geburtstag hatte Denn Cesca nach Rendezvous gebracht und Sprecherin Okiah gebeten, sie die Nuancen von persönlicher und familiärer Politik zu lehren, die er selbst nicht verstand. Als Cesca ihren Vater gefragt hatte, ob er bereit wäre, an der humanitären Mission auf Theroc teilzunehmen, hatte er nicht eine Sekunde gezögert. Wärme füllte ihr Herz, als sie an sein hilfsbereites Lächeln dachte…

Ein Schiff nach dem anderen landete in den offenen Bereichen, wo einst große Weltbäume gestanden hatten. Mit einem Kloß in der Kehle erinnerte sich Cesca an ihren früheren Besuch, an die prächtige Verlobungsfeier vor nicht allzu langer Zeit: grüne Priester und Baumtänzer, exotische Speisen und die Gerüche des Walds, die Geräusche von Insekten und Lichter zwischen den Bäumen.

Vergangenheit.

Cesca trat durch die Luke des Schiffes und neben ihren Vater, als schmutzige Theronen aus ihren improvisierten Unterkünften kamen. Unter ihnen erkannte sie Reynalds Eltern, die weitaus abgehärmter wirkten als in ihrer Erinnerung, so als hätten sie ihre letzte Kraft verloren. Vater Idriss, sein schwarzer Bart von grauen Linien durchzogen, richtete einen müden und ungläubigen Blick auf die Neuankömmlinge.

Cesca lächelte zuversichtlich und voller Stolz auf ihre erweiterte Roamer-Familie. »Die Clans möchten sich nützlich machen. Können wir euch helfen?«

Mutter Alexas Lächeln erblühte wie eine schöne Blume.

Nach dem Hydroger-Angriff hatten die Tiwis Theroc Hilfe geleistet, die Arbeit aber nicht zu Ende gebracht. Die von der TVF im Orbit hinterlassenen Beobachtungssatelliten lieferten nützliche Bilder von den Kontinenten, aber den Theronen fehlten Arbeitskräfte, Ausrüstung und Ressourcen, um mit einer Krise von diesen Ausmaßen fertig zu werden.

Selbst mit der Unterstützung aller arbeitsfähigen Theronen gab es für die Roamer alle Hände voll zu tun.

Mit Fertigteilen, die dazu bestimmt waren, auf unwirtlichen Welten innerhalb kurzer Zeit Unterkünfte zu bauen, errichteten die Claningenieure ein Basislager, an einer Stelle, wo die Eiswellen der Hydroger Dutzende von Weltbäumen zerfetzt hatten. Die Theronen gesellten sich ihnen hinzu und erklärten, welche Fortschritte sie bisher erzielt hatten. Sie diskutierten Pläne und erläuterten, auf welche Weise die grünen Priester den Roamern am besten helfen konnten.

Cesca beobachtete zufrieden, wie ihre Leute voller Kraft und Entschlossenheit mit den erschöpften Theronen zusammenarbeiteten. Hebemaschinen räumten den Boden frei und türmten die Reste der verbrannten Weltbäume zu großen Haufen auf, wie Grabmale des Weltwaldes. Für den Einsatz auf leblosen Planeten bestimmte Bagger kamen in großem Maßstab zum Einsatz und leisteten an einem Tag mehr als die Theronen in einem ganzen Monat.

»Zuerst einmal geht es darum, weitere Erosion zu verhindern«, sagte Kotto Okiah und stützte die Hände in die Hüften, als er das ganze Projekt beobachtete. »Wenn wir keine Vorbereitungen für die nächsten starken Regenfälle treffen, wird diese Sache zu einer gigantischen Katastrophe.«

»Dies ist bereits eine Katastrophe«, erinnerte ihn Cesca.

Er strich sich übers lockige braune Haar. »Ja. Und auf eine weitere möchten die Theronen sicher verzichten.«

Cesca kannte die Fähigkeiten des exzentrischen Ingenieurs und hatte ein Schiff zu den kalten Methangrabungen auf Jonah 12 geschickt. Kotto verabscheute es, ein Projekt verlassen zu müssen, das bereits die volle Aufmerksamkeit seines Intellekts beanspruchte, doch Cesca hatte ihn um einen persönlichen Gefallen gebeten, und das gab den Ausschlag. Jetzt folgte er ihr praktisch auf Schritt und Tritt.

Kotto ging durch die Arbeitsbereiche. Mehrmals hatte er Enttäuschung darüber zum Ausdruck gebracht, keine Gelegenheit bekommen zu haben, die Wrackteile des Hydroger-Schiffes zu untersuchen, bevor sie von den Tiwis zur Erde gebracht worden waren. Cesca versuchte, alle Ablenkungen von ihm fern zu halten, damit er sein Genie ganz dem unmittelbaren Problem widmen konnte. Kotto konzentrierte seine Kraft darauf, einem Waldplaneten beim Wiederaufbau zu helfen.

»Inzwischen ist der gesamte Siedlungsbereich frei geräumt, und ich habe unsere Schiffe veranlasst, ein Netz aus biologisch abbaubaren Polymeren darüber zu legen, das den Boden festhalten soll. Eine Gruppe aus Theronen sucht nach schnell wachsender einheimischer Bodenvegetation für die erste Phase der Rückgewinnung. Anschließend möchte ich Stützmauern errichten und einige der Hügel mit Terrassen versehen.«

Auf einem langen, dünnen Display erschienen elektronische Pläne, ein Bild nach dem anderen. »Wir können diese Gelegenheit für die Konstruktion moderner sanitärer Anlagen, energetischer Transferleitungen, Belüftungssysteme und Kommunikationsknoten nutzen.«

»Die Theronen haben ihre eigenen Vorstellungen, Kotto. Vermeiden Sie all das, was die Bewohner dieser Welt nicht wollen.«

Er blinzelte. »Ja, in Ordnung. Ich frage zuerst. Bisher sind die Theronen fasziniert von den Erneuerungsplänen und helfen uns, wo sie können.« Er rief einen anderen Teil der Pläne ab. »Normalerweise würde ich Rohmaterialien und Legierungen für den Bau verwenden, aber ich schätze, die Theronen halten nichts davon, wenn wir mit dem Tagebau beginnen oder Löcher ins Felsgestein bohren…«

»Ziehen Sie das nicht einmal in Erwägung. Auf einem leeren Asteroiden gibt es nichts daran auszusetzen, aber das hiesige Ökosystem hat bereits genug Schaden genommen. Wir sind hier, um den Planeten zu heilen und zu reparieren, nicht um alles noch schlimmer zu machen.«

»Genau das meine ich.« Kotto klopfte mit dem Zeigefinger auf den Plan. »Ich habe das Holz der toten Weltbäume auf Zusammensetzung und Festigkeit untersuchen lassen. Es ist eine bemerkenswerte Substanz, fast so stabil wie Stahl, aber verformbar. Wir können feuergehärtetes Holz für die Gerüste aller von den Theronen benötigten Gebäude benutzen.«

»Holz steht reichlich zur Verfügung«, sagte Cesca und betrachtete die Reste der verbrannten Weltbäume. »Leider.«

Kotto gab sich wie bei der Enthüllung eines Meisterwerks, als er die Baupläne zeigte. Sie sahen die Verwendung von geborgenem Holz, einigen Komponenten aus Roamer-Fertigung und ursprünglichem Material des Pilzriffs vor. »Sehen Sie, wir können diesen Teil der alten Stadt abstützen und den Rest neu bauen. Sie wird besser sein als vorher.«

Cesca zeigte sich beeindruckt. »Zuerst müssen wir die Zustimmung der Theronen einholen, aber ich bin sicher, dass sie sehr zufrieden sein werden.« Sie überraschte den verwirrten Erfinder mit einer freudigen Umarmung.

Denn Peroni steuerte sein Schiff neben die beiden Wasser transportierenden Raumer, die von den Zwillingen Torin und Wynn Tamblyn geflogen wurden – sie waren mit den beiden Tankschiffen von Plumas’ Wasserminen nach Theroc gekommen, um zu helfen. Aus der Umlaufbahn stellten Roamer-Scouts fest, wo noch Feuer auf den einzelnen Kontinenten brannten, und die beiden Tamblyn-Brüder machten sich daran, die Brände mit dem Wasser ihrer Tanker zu löschen.

Cescas Vater schickte dem Basislager tägliche Berichte. Eine Schiffsladung Wasser aus Therocs Seen nach der anderen regnete auf die letzten Feuerzonen herab, und es dauerte nicht lange, bis es auf dem Planeten keine Flammen mehr gab. Denn glaubte, das erleichterte Seufzen des Weltwaldes selbst im Orbit zu hören. Jeder gelöschte Brand war wie ein heißer Dorn, der aus dem empfindlichen Fleisch des Planeten gezogen wurde…

Cesca hörte zu, als mehrere landwirtschaftliche Spezialisten der Roamer mit Yarrod und anderen hochrangigen grünen Priestern sprachen. »Sie werden feststellen, dass wir Roamer uns gut mit effizienten Methoden des Getreideanbaus auskennen. Wir wissen, wie man einen möglichst hohen Ertrag erzielt. In den meisten Fällen müssen wir jeden Tropfen Wasser und jedes Gramm Düngemittel recyceln, um eine möglichst große Menge essbarer Biomasse zu produzieren.«

Maria Chan Tylar – Nikkos Mutter – zeigte Bilder von den Anbauflächen der Treibhauskuppeln in einem Asteroidengürtel. »Auf Theroc haben Sie Samen und Weltbaumschösslinge, aber wir müssen das Wachstum der neuen Bäume effizienter gestalten.«

»Jeder Schössling zählt«, pflichtete ihr Yarrod ernst bei.

»Jetzt fangen Sie an, wie ein Roamer zu denken«, sagte Maria. »Wir brauchen ein Bewässerungssystem, müssen die Reihen mit den Schösslingen neu anordnen und Vorsorge dafür treffen, dass die jungen Weltbäume schnell umgepflanzt werden können. Es gilt, viele Lücken im Weltwald zu schließen.«

Cesca überließ die grünen Priester und landwirtschaftlichen Spezialisten ihren Gesprächen und Plänen. Als sie inmitten von nun optimistischer Aktivität stand, sah sie zur beschädigten Pilzriff-Stadt auf und fühlte erneut einen Hauch Kummer.

Wenn sich die Dinge anders entwickelt hätten, wäre sie jetzt mit Reynald verheiratet. Das Bündnis zwischen Roamern und Theronen hätte beide Völker gestärkt, und Jess hätte ein normales Leben geführt, jenseits der Hoffnung auf eine Ehe mit ihr. Doch Reynald war tot, und Jess hatte sich in etwas Übermenschliches verwandelt.

Aber vielleicht konnte Cesca an diesem Ort etwas von noch größerer Bedeutung retten. Sie sah an einem halb verbrannten Weltbaum empor und ihre Lippen formten ein entschlossenes Lächeln.