34 WEISER IMPERATOR JORA’H
Die Tage vergingen langsamer im Ildiranischen Reich, als Jora’h wusste, dass Nira tot war. Aber er musste noch immer seine Herrschaft festigen und alle Geschlechter im Thism zusammenführen. Seine Pflicht bestand darin, die Zukunft zu sichern.
Der stolze und absolut loyale neue Kommandeur der Solaren Marine betrat die Kontemplationskammer. Im traditionellen Gruß legte er sich die Hände aufs Herz. »Du hast mich zu dir gerufen, Herr?«
Es fühlte sich seltsam an, so vom eigenen Sohn angesprochen zu werden. Jora’h beschloss, die förmliche Anrede zu erwidern. »Ja, Adar Zan’nh. Ich habe über deinen ersten Einsatz als Kommandeur der Solaren Marine entschieden.« Er lächelte, als er die Reaktion des jungen Mannes sah, und dann begriff er: Sie würden nie wieder nur Vater und Sohn sein.
Es geschah selten, dass der erste Sohn des Erstdesignierten nicht aus dem Adels-Geschlecht stammte wie Zan’nh – so etwas hatte Jora’h nie beabsichtigt. Sein Vater hatte vor langer Zeit gewusst, dass Jora’hs erster adlig geborener Sohn der nächste Erstdesignierte sein würde, und deshalb hatte er viele Untersuchungen durchführen lassen und sich mit Angehörigen des Linsen-Geschlechts beraten, um die beste Partnerin zu finden. Blutlinien waren verfolgt und Stammbäume inspiziert worden, bis man Jora’h die geeignete Frau als Fait accompli präsentierte.
Sie hieß Liloa’h, war schlank, anmutig und still. Als sie sich in Jora’hs privaten Gemächern auszog, ein verziertes Kleidungsstück nach dem anderen ablegte, sah er, dass ihre Haut mit komplexen Mustern und Chamäleonfilmen geschmückt war, die ihn faszinierten.
Liloa’h wurde damals sofort schwanger, und Angehörige des Mediziner-Geschlechts überwachten ihre Schwangerschaft sorgfältig. Jora’h setzte unterdessen seine Pflicht fort, weitere Kinder zu zeugen. Seine zweite Partnerin war eine Frau aus dem Soldaten-Geschlecht, muskulös und stark, ganz anders als die ruhige, kultivierte Liloa’h. Auch sie wurde schwanger. Aus der Verbindung des Adels und mit dem Soldaten-Geschlecht ging oft eine Person hervor, die sich gut dafür eignete, die Aufgaben eines militärischen Offiziers wahrzunehmen. Jene Frau war Zan’nhs Mutter.
Jora’h hatte gehofft, Liloa’h wieder zu sehen, vielleicht sogar Freundschaft mit ihr zu schließen, aber der alte Weise Imperator belehrte ihn eines Besseren. Und dann, im letzten Monat ihrer Schwangerschaft, fiel Liloa’h von einer Rampe des Prismapalastes und verlor ihr Kind. Sie war sehr unglücklich darüber, ihrer Pflicht nicht nachgekommen zu sein und kein Kind zur Welt zu bringen, das einmal zum Weisen Imperator werden würde. Jora’h durfte sie nicht noch einmal sehen, aber er glaubte fest daran, dass sein Vater ihr ein angenehmes Leben ermöglicht hatte.
Und so, durch einen Zufall, wurde Zan’nh zum erstgeborenen Sohn und Thor’h – das erste adlige Kind, ohne sorgfältige Auswahl empfangen – zum Erstdesignierten. Zan’nh war ein Musterbeispiel dafür, was ein Ildiraner sein konnte, ganz im Gegensatz zum zerstreuten, egozentrischen Thor’h, der sich mit Pery’h und Rusa’h auf den Weg nach Hyrillka gemacht hatte. Jora’h seufzte. »Ich bin nicht sicher, ob der Erstdesignierte seiner Rolle gerecht wird, aber in deine Fähigkeiten setze ich volles Vertrauen.«
Zan’nh stand aufrecht und reglos da, sprach kein abfälliges Wort über seinen Bruder. Durch die hellen Linien des Thism sah Jora’h den Glanz der Entschlossenheit des jungen Mannes. »Ich bin sicher, dass Thor’h seine Pflichten erfüllen wird. Er ist Ildiraner – was könnte er sonst tun?«
Jora’h, der nicht ganz so überzeugt war, gestattete sich ein bittersüßes Lächeln. »Ja, was könnte er sonst tun? Ich erinnere mich an die Zeit, als ich so jung und unvorbereitet war wie er.«
Zan’nh bedachte seinen Vater mit einem jungenhaften Lächeln, das in seinem sonst immer so ernsten Gesicht fehl am Platz wirkte. »Ich weiß genau, wie man sich dabei fühlt.«
Der Weise Imperator richtete sich in seinem Sessel auf. »Adar Kori’nh war sehr stolz auf dich, und das bin ich auch. Bei Manövern und Erkundungsmissionen hast du bereits viele Erfahrungen gesammelt. Ich glaube, du kannst dich jetzt direkt an die Arbeit machen.«
Zan’nh neigte den Kopf. »Danke, Herr. Ich würde mich lieber um unsere tatsächlichen Probleme kümmern, anstatt Zeit mit Zeremonien zu vergeuden. Welche Mission hast du für mich vorgesehen?«
»Du sollst die Vorteile sichern, die Adar Kori’nh bei seinem letzten Kampf für uns gewonnen hat.« Jora’h suchte nach einer bequemeren Position im großen Chrysalissessel. Er war froh, die Bediensteten fortgeschickt zu haben, die sonst immer an ihm herumwuselten. »Wir müssen den Umstand nutzen, dass der Feind von Qronha 3 vertrieben ist. Nimm dir genug Angehörige des Ektisammler-Geschlechts für einen Splitter, besorg dir die notwendige Ausrüstung und richte in der Atmosphäre des Gasriesen einen weiteren Produktionskomplex ein. Wir brauchen mehr Ekti – das ist eine militärische Notwendigkeit.«
Zan’nh verbeugte sich. »Ich sorge dafür, dass alles zu deiner Zufriedenheit erledigt wird, Herr.«