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Sofi wirkte erschöpft, so dass Kjell sich mit ihr
für eine ganze Stunde in die Cafeteria zurückzog. Inzwischen nahm
Barbro mit Hilfe von Carin aus dem Ausländerdezernat die Verhöre in
Angriff.
Sofi aß ohne Lust und sah dabei aus dem Fenster. Um
sie ein wenig abzulenken, erzählte er ihr von seiner Unruhe,
irgendetwas übersehen zu haben. Das glaube sie auch, erwiderte sie
zu seinem Erstaunen. Aber beide wussten nicht, was das sein konnte.
Sie waren sich nicht einmal einig darüber, welches Ereignis an
welchem Tag stattgefunden hatte, so schnell war in der letzten
Woche alles gegangen.
Im Büro warteten bereits Sten und Barbro auf
sie.
»Die Blutuntersuchung hat nichts ergeben«, sagte
Barbro. »Wir müssen auf den DNA-Vergleich warten. Aber Ulla glaubt,
dass sie irgendwie untereinander verwandt sind.«
»Aber nach ihrer Akte hat Elvira keine lebenden
Verwandten mehr«, erwiderte Sofi. »Sie ist mit ihrer Mutter nach
Schweden gekommen, und die ist gestorben.«
Kjell wollte wissen, wer denn nun beim Friseur
gewesen war.
»Die sagen nichts. Wir wissen bisher nur, dass
Elvira fließend Schwedisch spricht, die Mittlere versteht einiges,
gibt aber vor, nichts zu verstehen. Und die Jüngste versteht
wirklich nichts. Wahrscheinlich ist sie erst seit einigen Tagen
hier.«
»Woher wisst ihr denn, wie gut sie Schwedisch
können, wenn sie nicht sprechen?«
»Das lässt sich ganz leicht herausfinden. Zwei
Ermittler unterhalten sich im Verhörraum und die Kamera zoomt auf
die Pupillen. Es gibt auch noch andere Tricks.«
»Wie wollt ihr nun vorgehen?«, erkundigte sich
Kjell und schaute auf seine Uhr.
»Wir nehmen uns Elvira vor.«
Kjell nickte. »Ich gehe mich jetzt umziehen.«
»Komm mit«, sagte Sten zu Sofi.
Sofi folgte dem Reichskriminalchef durch den
langen Gang zu seinem Büro, das am anderen Ende des Gebäudes lag
und Fenster hinaus auf die Bergsgatan hatte. Sie machte sich darauf
gefasst, alles noch einmal besprechen zu müssen, dabei schien es
den anderen gar nicht nahe zu gehen, dass sie zwei illegale
Flüchtlinge hatte auffliegen lassen. Sie empfand eine solche Wut
gegen Elvira Muharremi. Sofi wäre nie auf die Idee gekommen, die
anderen nach ihrem Ausweis zu fragen, wenn Elvira sie eingelassen
hätte. Obwohl das auch Unsinn war. Auch dann hätte keine von den
dreien das Mädchen auf der Zeichnung wiedererkennen wollen, und
damit hätte sie sich nicht zufriedengegeben.
Sten hatte nicht vor, große Worte zu machen. »Deine
Probezeit läuft am Montag ab«, sagte er beiläufig und umrundete
dabei seinen Schreibtisch.
»Daran habe ich überhaupt nicht mehr
gedacht.«
»Das hat keiner. Außer der Personalabteilung. Du
hast gute Arbeit gemacht. Du bist jung und übermotiviert, genau wie
ich.«
»Was wäre denn ›normal motiviert‹?«
Sten lächelte und wog Sofis Personalakte in seinen
Händen. »Nicht genug für die Reichskrim. Was hat es mit den
Computern auf sich?«
Sofi zuckte mit den Achseln. Einfach weiterlügen,
das hatte bisher hervorragend geklappt. »Ich hab nur gern
rumgeschraubt.«
»Können wir davon ausgehen, dass du deine ganze
Kapazität auf deine Tätigkeit bei der Reichskriminalpolizei
richtest?«
»Das könnt ihr«, sagte sie, und das konnte man ja
kaum als Lüge bezeichnen.
»Du willst also bleiben?«
»Darf ich?«
Sten nickte und hatte auf einmal einen Bogen Papier
in der Hand, den er mit seiner Unterschrift versah. Noch während er
seinen Füller zuschraubte, erhob er sich aus dem Sessel und reichte
ihr über seinen Schreibtisch hinweg die Hand.
»Dann herzlich willkommen. Die Welt wartet auf
mich.« Bei Sten wusste sie nie genau, wie ernst er etwas meinte und
wie ernst er sich selbst nahm.
Sie traute sich erst, auf ihre Urkunde zu schauen,
als sie die Hälfte des Ganges zurückgelegt hatte und hinter ihrem
Rücken die Treppenhaustür ins Schloss fallen hörte. Für einen
Moment blieb sie stehen, um den Text zu studieren. Sie war jetzt
Inspektorin.