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»Rechtsschwingendanke.«
Sofi sank in den Sitz zurück und zog ihr
Portemonnaie aus der Tasche. Auch mit dem Deutschsprechen klappte
es immer besser. Der Taxifahrer bog wie befohlen rechts ab. Sofi
bat ihn, am Straßenrand zu halten.
Der Fahrer hielt und wandte sich zu ihr um. »Sind
Sie aus Argentinien?«
Sofi sah auf. Der Fahrer war ein älterer Mann mit
speckiger Lederjacke und feucht zurückgekämmten Haaren.
»Wieso glauben Sie das?«
»Weil Sie so sprechen und so aussehen.«
Sie wusste nicht recht. Das war eine völlig neue
Idee. Wie sahen Argentinierinnen eigentlich aus? Sie fragte. Der
Fahrer konnte seinen Eindruck klar begründen. Nur Argentinierinnen
sahen zugleich süd- und nordländisch aus.
Sie lächelte und nickte. Auch der Fahrer nickte
bestätigt. Dass sie einen argentinischen Akzent haben sollte, war
nicht so schlimm, solange es kein schwedischer war. Dabei konnte
sie nur vier Sätze auf Spanisch, zwei davon waren
schweinisch.
Sie sprang aus dem Taxi und überquerte die Straße.
Den Namen des Lokals, wo sie sich verabredet hatten, hatte sie
nicht mehr über die Zunge gebracht und den Fahrer nach dem
Gedächtnis lotsen müssen. Das Lokal war überfüllt. Weil man in
Deutschland rauchen durfte, musste sie erstmal am Eingang stehen
bleiben, bis sich ihre Augen an den Dunst gewöhnt hatten. Sie
erkannte Kjells Arm, der durch die Luft ruderte. Sie winkte zurück
und bahnte sich den Weg zwischen den Tischen hindurch. Sie musste
aufpassen, dass sie mit ihrem Rucksack keine Gläser von den Tischen
stieß.
Erschöpft ließ sie sich auf den Stuhl fallen. Die
Kellnerin kam, und Sofi deutete auf Kjells Glas, weil sie nur
Rotwein und Bier auf Deutsch bestellen konnte.
»Und?«, fragte sie heimtückisch.
»Ich kann immerhin die wichtigsten Übersetzungen
ausschließen. Ich glaube aber dennoch an eine indirekte
Übersetzung.«
»Ich auch«, sagte Sofi und zog das kleine graue
Büchlein aus ihrer Tasche. »Und zwar hiervon.«
Kjell nahm das unscheinbare Buch und betrachtete
es. Auf dem Umschlag sah ihm eine Maske mit aufgerissenem Mund
entgegen, wie sie die Schauspieler in der Antike getragen hatten.
Kjell schlug das Buch an den drei Stellen auf, die Sofi mit
Papierstreifen markiert hatte, fand die Textstellen sofort und
nickte knapp.
»Emil Staiger. Gedanken aus griechischen Tragikern.
1940.«
»Er war kein Altphilologe«, berichtete Sofi. »Er
war Germanist und Pädagoge. Von ihm gibt es nur diese Auszüge, mehr
nicht.«
Kjell drehte und wendete das Buch.
»Es gibt nur diese Ausgabe. Wie hoch die Auflage
war, weiß ich nicht.«
»Aisakos kann es also nur in einem Antiquariat
gefunden haben«, überlegte Kjell.
»Oder auf dem Dachboden. Auf jeden Fall hat er mit
Deutschland zu tun. Die Person, die auf dem Überwachungsvideo nicht
zu sehen ist, das ist die Tote.«
»Also ist sie auch Deutsche, glaubst du.«
Sofi hob die Schultern. »Sieht doch so aus, oder?
Ich bin dann noch einmal in alle Geschäfte zurück, in denen ich
zuvor bereits gewesen war. Kein anderer hat dieses Buch, und die
meisten konnten mir sogar sagen, dass sie es in den letzten Jahren
nicht verkauft haben. Jetzt weiß ich endlich, warum in
Antiquariaten immer jemand auf einer Schreibmaschine tippt.«
»Dann sollten wir das zu Hause vielleicht auch
probieren. In meinem Antiquariat wird auch für jeden Titel eine
Karte angelegt.«