40
»Rechtsschwingendanke.«
Sofi sank in den Sitz zurück und zog ihr Portemonnaie aus der Tasche. Auch mit dem Deutschsprechen klappte es immer besser. Der Taxifahrer bog wie befohlen rechts ab. Sofi bat ihn, am Straßenrand zu halten.
Der Fahrer hielt und wandte sich zu ihr um. »Sind Sie aus Argentinien?«
Sofi sah auf. Der Fahrer war ein älterer Mann mit speckiger Lederjacke und feucht zurückgekämmten Haaren.
»Wieso glauben Sie das?«
»Weil Sie so sprechen und so aussehen.«
Sie wusste nicht recht. Das war eine völlig neue Idee. Wie sahen Argentinierinnen eigentlich aus? Sie fragte. Der Fahrer konnte seinen Eindruck klar begründen. Nur Argentinierinnen sahen zugleich süd- und nordländisch aus.
Sie lächelte und nickte. Auch der Fahrer nickte bestätigt. Dass sie einen argentinischen Akzent haben sollte, war nicht so schlimm, solange es kein schwedischer war. Dabei konnte sie nur vier Sätze auf Spanisch, zwei davon waren schweinisch.
Sie sprang aus dem Taxi und überquerte die Straße. Den Namen des Lokals, wo sie sich verabredet hatten, hatte sie nicht mehr über die Zunge gebracht und den Fahrer nach dem Gedächtnis lotsen müssen. Das Lokal war überfüllt. Weil man in Deutschland rauchen durfte, musste sie erstmal am Eingang stehen bleiben, bis sich ihre Augen an den Dunst gewöhnt hatten. Sie erkannte Kjells Arm, der durch die Luft ruderte. Sie winkte zurück und bahnte sich den Weg zwischen den Tischen hindurch. Sie musste aufpassen, dass sie mit ihrem Rucksack keine Gläser von den Tischen stieß.
Erschöpft ließ sie sich auf den Stuhl fallen. Die Kellnerin kam, und Sofi deutete auf Kjells Glas, weil sie nur Rotwein und Bier auf Deutsch bestellen konnte.
»Und?«, fragte sie heimtückisch.
»Ich kann immerhin die wichtigsten Übersetzungen ausschließen. Ich glaube aber dennoch an eine indirekte Übersetzung.«
»Ich auch«, sagte Sofi und zog das kleine graue Büchlein aus ihrer Tasche. »Und zwar hiervon.«
Kjell nahm das unscheinbare Buch und betrachtete es. Auf dem Umschlag sah ihm eine Maske mit aufgerissenem Mund entgegen, wie sie die Schauspieler in der Antike getragen hatten. Kjell schlug das Buch an den drei Stellen auf, die Sofi mit Papierstreifen markiert hatte, fand die Textstellen sofort und nickte knapp.
»Emil Staiger. Gedanken aus griechischen Tragikern. 1940.«
»Er war kein Altphilologe«, berichtete Sofi. »Er war Germanist und Pädagoge. Von ihm gibt es nur diese Auszüge, mehr nicht.«
Kjell drehte und wendete das Buch.
»Es gibt nur diese Ausgabe. Wie hoch die Auflage war, weiß ich nicht.«
»Aisakos kann es also nur in einem Antiquariat gefunden haben«, überlegte Kjell.
»Oder auf dem Dachboden. Auf jeden Fall hat er mit Deutschland zu tun. Die Person, die auf dem Überwachungsvideo nicht zu sehen ist, das ist die Tote.«
»Also ist sie auch Deutsche, glaubst du.«
Sofi hob die Schultern. »Sieht doch so aus, oder? Ich bin dann noch einmal in alle Geschäfte zurück, in denen ich zuvor bereits gewesen war. Kein anderer hat dieses Buch, und die meisten konnten mir sogar sagen, dass sie es in den letzten Jahren nicht verkauft haben. Jetzt weiß ich endlich, warum in Antiquariaten immer jemand auf einer Schreibmaschine tippt.«
»Dann sollten wir das zu Hause vielleicht auch probieren. In meinem Antiquariat wird auch für jeden Titel eine Karte angelegt.«
Die Falsche Tote
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