62
Henning Larsson stieg im Horisontvägen in
Skarpnäck aus dem Wagen und brachte den Sitz seiner Hose in
Ordnung. Das war ein Reflex aus den Tagen seiner Ehe. Seine Frau
hatte ihm immer Falten reingebügelt, da sah es blöd aus, wenn die
nicht in der Mitte saßen. Seit zwei Jahren waren an Henning Larsson
zwar Falten, aber keine Bügelfalten mehr zu sehen.
Hier glich ja ein Haus dem anderen! Alle Gebäude
waren aus roten Ziegeln erbaut, nur der Lack an den Eingangstüren
variierte, damit man sein eigenes Zuhause wiederfand.
Hinter ihm hatte Per seinen Transit abgestellt.
Zusammen mit dem Polizeischlosser suchte er auf der Ladefläche
seine Ausrüstung zusammen.
Als sie endlich fertig waren, faltete Henning die
Liste auf. »Nummer eins ist Nikolina Kovacevic. Skarpnäcks Allé.
Das ist da vorn um die Ecke.«
Per und der Schlosser hatten die Hände voll mit
Werkzeugkästen. Als an der Ecke klar wurde, dass es doch noch ein
Stück war, fluchte Per und lief zurück zum Wagen. Während Henning
zu Fuß weiterging, überholte ihn Per im ersten Gang und parkte vor
der Haustür.
Oben klingelte Henning dreimal kurz und dreimal
lang, klopfte mehrmals und klingelte schließlich bei der
Nachbartür. Eine Frau steckte den Kopf durch den Türspalt.
»Bist du Bücherei?«
Henning hielt ihr den Ausweis hin.
»Wir sind vom Bücherbus!«, fluchte Per hinter
Hennings Rücken. Er hatte sich schon mit dem Infrarot am Türknauf
zu schaffen gemacht.
»Wann hast du deine Nachbarin zuletzt
gesehen?«
»Na, sie ist in Kroatien. Habe ich schon Kollegin
gesagt.«
»Gut, wir schauen mal rein. Kann etwas laut
werden.«
Per sah auf und schüttelte den Kopf. Das hieß, dass
keiner der Fingerabdrücke aus der Akte an der Tür war. »Ich geh so
lange runter und rauche.«
Der Schlosser nahm sich die Tür vor. Nachdem er
eine halbe Minute lang mit der Bohrmaschine am Schloss
herumgekratzt hatte, wurde ihm klar, dass dies nicht sein
Lieblingsarbeitstag werden würde. »Ich hole die Fräse. Wenn alle
Schlösser auf deiner Liste aus dieser Legierung sind, dann gute
Nacht.«
Kurz darauf konnte es weitergehen. Der Schlosser
erklärte, dass er das eigentlich gar nicht dürfe. Die Fräse müsse
fest montiert sein. Wenn er mit dem Ding abrutsche, dann gute
Nacht. »Die reißt dir das Gesicht weg.«
»Wieso mir?«, fragte sich Henning und ging so lange
runter und rauchte. Eine Viertelstunde später stand fest, dass sie
mit einem Durchschnittsverbrauch von zwei Fräsköpfen pro Tür zu
rechnen hatten. Sie würden alle Türen ersetzen müssen. Diese hier
sah inzwischen aus, als hätte sie mit einem Bären gekämpft.
Fluchend stieg Henning in den Flur der Wohnung. Es
war vielleicht doch besser, in das Büro der Wohnungsgesellschaft
einzubrechen, die den Sommer über geschlossen war. Das würde nur
eine Tür bedeuten, wahrscheinlich aber auch einen Tresor, in der
die Schlüssel aufbewahrt wurden. Henning schritt die Räume ab.
Alles war aufgeräumt und geputzt. Bevor Per sich in Arbeit stürzte,
wollte Henning erst einmal abschätzen, wie wahrscheinlich es war,
hier einen Treffer zu landen. Eines der Zimmer diente wohl als
Arbeitszimmer. Außer dem Schreibtisch gab es Regale voller Bücher,
die meisten auf Kroatisch. Es passte. Gemäß ihrem Steuerbescheid
vom letzten Jahr verdiente Nikolina Kovacevic im Jahr
dreihunderttausend Kronen als Fachübersetzerin beim Wohnungsamt.
Henning konnte in der Wohnung nichts entdecken, was er nicht schon
zuvor aus seinen Unterlagen erfahren hatte. Per schlug vor, die
nächsten Türen einfach aufzubolzen. Es brachte ja nichts, bei einer
Spanholztür von zwei Zentimetern Dicke ewig am Schloss
herumzudoktern, das anscheinend in der Hölle geschmiedet worden
war, wenn der Schlosser die Hälfte der Zeit ohnehin auf dem Holz
herumrutschte. Der Schlosser gab zu bedenken, dass er seine
Schultern jetzt schon nicht mehr spüre.