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Jetzt war sie doch froh, dass sie das Sommerkleid gewagt hatte. In München war die Hitze ungebrochen. Vor dem Flughafen waren sie sogleich von trockener Wärme empfangen worden. Ohne an einer Ampel anhalten zu müssen, war der Fahrer ihres Wagens in hohem Tempo einer Ringstraße durch die Stadt gefolgt. Sofi hatte sich den Wind durch das offene Fenster ins Gesicht wehen lassen. Dann hatte der Wagen die Schnellstraße verlassen und nur zwei Straßen gebraucht, bis er das Gebäude der Landespolizei erreichte. Sofi kam es vor, als bestünde die Stadt nur aus Schnellstraßen. Sie konnte auch kaum einschätzen, wie nah dieser Ort am Stadtzentrum lag, denn rundherum gab es nur Grünanlagen.
Erst nach ihrer Ankunft erfuhren sie, welches Verbrechen hinter den Fingerabdrücken stand. Als man sie zur Betrugsabteilung geführt hatte, hatten Kjells Augen sich zu Schlitzen verengt. Er hatte also auch mit etwas anderem gerechnet.
Im dritten Stock gab es einen Bankautomaten nur für den Zweck, ihn zu überlisten. Die Techniker hatten alles aufgebaut. Das glich einer värmländischen Verkaufsvorführung, wenn der Saat- und Futtermittelvertreter durchs Klaraälvtal zog und seine Schätze auf dem Stubentisch ausbreitete. Die Stube wurde davor tagelang geputzt, damit der Vertreter sich nichts dachte.
Die Deutschen hatten alle glasige Augen. Dass sich nach all den Jahren - auch wenn es nur zwei waren - Besuch aus Schweden ankündigen würde, um Licht in diese Sache zu bringen, das hatte hier niemand mehr erwartet. Kjell und Sofi lauschten der Vorführung, die alles andere als spektakulär war, und versuchten, eine Verbindung zu ihrem Fall zu entdecken. Der Techniker stellte sich vor den Automaten, schob seine Bankkarte hinein und hob fünftausend Euro ab. Er wiederholte die Vorführung noch dreimal, wobei ein Kollege beim dritten Mal die Scheine der ersten Abhebung hinten wieder reinstecken musste, sonst wären der Landespolizei die Geldscheine ausgegangen.
Sofi schlug in ihren Notizen die Seite mit Hennings Aufzeichnungen über Josefins Bankkonto auf und hielt sie Kjell hin. Er zuckte nur mit den Schultern.
»Wie lange hat es gedauert, bis es bemerkt wurde?«, fragte er die Deutschen.
»Leider sehr lange«, sagte Herr Hausmann und rieb sich die Unterarme. Er trug ein blaues Hemd, dessen Ärmel nur bis zu den Ellenbogen reichten. Seine Position kannte Sofi nicht, nur die von Herrn Mäusler, der einen braunen Anzug trug und die ganze Zeit schwieg. Sofi betrachtete interessiert die Falten im Gesicht von Herrn Mäusler. Es war so zerfurcht wie der Acker zu Hause, wenn Bengt, der Knecht, ihn sich im Frühjahr ordentlich mit dem Pflug vorgenommen hatte, wie er zu sagen pflegte. Abends nahm er sich die Harmonika ordentlich vor und spielte Stolze Johanna, und am Wochenende nahm er sich Marie aus Sälje ordentlich beim Sonntags-Hambo in Byn vor und brachte ihr langes Haar zum Wippen. An Bengt dachte Sofi immer, wenn um sie herum zu viel Neues war. Dann musste sie nicht so viel am Saum ihres Kleides herumzupfen.
»Es hat 36 Abhebungen gegeben mit einer Gesamtsumme von 109 000 Euro. Der Täter hat zwei Karten verwendet, wobei wir nur die zweite haben. Die erste Karte imitiert die Administratorkarte des Wartungstechnikers. Mit ihr konnte der Täter Zugang zum Menü erlangen, ohne den Automaten öffnen zu müssen. Diese Karte ändert gewisse Daten auf dem Computer. Mit der zweiten, einer fingierten Bankkarte, hat er dann das Geld abgehoben. Wir haben lange überlegt, wie der Täter in den Besitz der Codes gekommen sein könnte, die auf der ersten Karte enthalten sein müssen. Schließlich haben wir die Protokollbücher der Techniker mit den Standorten der betroffenen Automaten verglichen. Der Täter ist einem Techniker gefolgt und war jedesmal der erste Kunde nach der Wartung. Die Techniker schließen sich mit ihrem Notebook an den Automaten an, und in dieser Zeit hat sich der Täter die Codes mit einem ganz einfachen Bluetooth-Trick geholt. Das Ganze fand am Automaten der SEB-Bank am Hauptbahnhof sein Ende, weil ein banaler Gerätetreiber einen Versionskonflikt verursachte und der Automat sich wie in solchen Fällen vorgesehen sofort abschaltete. Die zweite Karte blieb stecken.«
»Waren Sie deshalb so interessiert, weil wir uns aus Stockholm gemeldet haben?«, fragte Kjell.
»Nein, wieso?«
»Die SEB ist die Stockholmska Enskilda Bank, die Stockholmer Privatbank.«
»Das bedeutet SEB?«
»Ja, inzwischen heißt sie Skandinaviska Enskilda, aber es ist eine alte Stockholmer Bank.«
Anscheinend war das den Deutschen nicht bewusst gewesen.
»Der Täter hat zahlreiche Fingerabdrücke auf der Karte hinterlassen«, sagte eine Frau mit kurzen braunen Haaren. Von ihrem Namen hatte sich Sofi nur den Anfangsbuchstaben B merken können. Frau B legte eine Serie von Fotos der Überwachungskameras aus allen neunundzwanzig Abhebungen auf dem Tisch aneinander. Jedesmal war der Täter dick vermummt gewesen. »Die anderen auf den Videos sehen auch so aus, es hat viel Schnee gelegen in dieser Zeit.«
Herr Hausmann schaltete ein Video ein. »Aus dieser Szene erkennen wir, dass der Täter nicht allein gewesen sein kann. Jemand muss vor der Tür gewartet haben.«
Auf dem Video sah man, wie sich der Täter vom Automaten zur Tür umwandte. Anscheinend sprach jemand zu ihm. Er zuckte mit den Achseln und wartete, bis der Automat die Karte auswarf. Dann eilte der Mann aus dem Schalterraum.
Sofi sah Kjell an. Der sah zurück.
»Die Tote?«, fragte sie auf Schwedisch und ganz leise.
Kjell zuckte mit den Achseln, aber Kjell hatte das auch gedacht, das hatte sie ihm angesehen.
Die Falsche Tote
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