19
Umberto sang zu dem Lied aus dem Kofferradio, das auf der Anrichte stand. Dass die Sonne aufgehen solle, und das nur der Liebe wegen, davon konnte keine Rede sein. Linda duckte sich, um durch das winzige Fenster einen Blick zum Himmel zu werfen. Da war nichts, was golden leuchtete.
Die Espressokanne begann zu röcheln. Umberto nahm sie von der Herdplatte und füllte zwei Tassen. Als Hausmeister der HSB-Wohngenossenschaft brauchte er wie alle Hausmeister einen kleinen Schuppen, in dem er sich von Zeit zu Zeit vor seiner Frau in Sicherheit bringen konnte. Er lebte nun seit sechzehn Jahren in Schweden. Nach eigenen Angaben war er der einzige politische Flüchtling aus Italien. Er stammte nämlich aus Sizilien, und da war es eine grobe Ungeschicklichkeit der Muttergottes und der Mutter Umbertos gewesen, dass er mit Nachnamen auch noch Bossi hieß, so wie der Gründer der norditalienischen Separatistenpartei. Deshalb hing die Muttergottes seit sechzehn Jahren hier in dem kleinen Schuppen. Sie hatte nichts Besseres verdient.
»Nicht traurig sein, Linda!«
Linda presste die Lippen aufeinander und versuchte zu lächeln.
»Du bist unglücklich, das sehe ich doch.«
»Es ist nur die Matratze. Ich habe sie lieb gehabt.«
»Ach«, sagte Umberto. Er war nun schon so lange hier, konnte sich aber immer noch wundern. Linda hatte zwei Löffel Zucker in ihren caffè verdient. Danach wollten sie zum Matratzorama in der Hornsgatan aufbrechen.
Die Liebe zwischen Umberto und Linda hatte ganz verstohlen begonnen. Das Flachdach des Schuppens war mit braunem Granulat bedeckt gewesen. Darauf hatten bis vor zwei Jahren vereinzelt unempfindliche Hochgebirgspflanzen vegetiert. Aber dann war Linda gekommen. Heimlich war sie auf das Dach geklettert. Eines ihrer Talente war, dass sie sich überall hochziehen konnte, so entschlossen konnte sie sein. Umberto hatte gar nicht mitbekommen, wie sie einen Sack »Japanische Waldwiese« und Dünger ausgestreut hatte. Die Veränderung war noch in jenem Sommer eingetreten. Lange hatte Umberto nichts bemerkt, denn auch seine Wohnung lag im Erdgeschoss. Als die Waldwiese schon über die Kante des Dachs reichte und die Wände hinabwuchs, hatte er erst an ein Wunder der Muttergottes geglaubt, die im gleichen Sommer vom Schlafzimmer in den Schuppen umgezogen war. Doch dann konnte Frau Hansson aus dem Nebenhaus beobachten, wie die kleine Blonde aus dem sechsten Stock in Nummer 17 mit dem Gartenschlauch auf ihrem Balkon stand und das Dach des Schuppens mit einem Wasserstrahl von den Ausmaßen eines Regenbogens bewässerte. Von da an hatte Umberto aufgepasst und sie bei ihrem nächsten Besuch auf seinem Dach gestellt. Linda Cederström hatte sofort alles zugeben müssen. Umberto hatte gejammert, weil ihm bald die Wurzeln beim Kaffeetrinken in den Kopf wachsen würden, aber nun war die japanische Waldwiese schon im dritten Sommer, ohne dass es dazu gekommen war.
Nachdem sie ausgetrunken hatten, brachen sie auf. Linda hatte eine Kreditkarte für Notfälle, die sie zwei, drei Mal im Monat benutzte.
Die Falsche Tote
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