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Umberto sang zu dem Lied aus dem Kofferradio, das
auf der Anrichte stand. Dass die Sonne aufgehen solle, und das nur
der Liebe wegen, davon konnte keine Rede sein. Linda duckte sich,
um durch das winzige Fenster einen Blick zum Himmel zu werfen. Da
war nichts, was golden leuchtete.
Die Espressokanne begann zu röcheln. Umberto nahm
sie von der Herdplatte und füllte zwei Tassen. Als Hausmeister der
HSB-Wohngenossenschaft brauchte er wie alle Hausmeister einen
kleinen Schuppen, in dem er sich von Zeit zu Zeit vor seiner Frau
in Sicherheit bringen konnte. Er lebte nun seit sechzehn Jahren in
Schweden. Nach eigenen Angaben war er der einzige politische
Flüchtling aus Italien. Er stammte nämlich aus Sizilien, und da war
es eine grobe Ungeschicklichkeit der Muttergottes und der Mutter
Umbertos gewesen, dass er mit Nachnamen auch noch Bossi hieß, so
wie der Gründer der norditalienischen Separatistenpartei. Deshalb
hing die Muttergottes seit sechzehn Jahren hier in dem kleinen
Schuppen. Sie hatte nichts Besseres verdient.
»Nicht traurig sein, Linda!«
Linda presste die Lippen aufeinander und versuchte
zu lächeln.
»Du bist unglücklich, das sehe ich doch.«
»Es ist nur die Matratze. Ich habe sie lieb
gehabt.«
»Ach«, sagte Umberto. Er war nun schon so lange
hier, konnte sich aber immer noch wundern. Linda hatte zwei Löffel
Zucker in ihren caffè verdient. Danach wollten sie zum
Matratzorama in der Hornsgatan aufbrechen.
Die Liebe zwischen Umberto und Linda hatte ganz
verstohlen begonnen. Das Flachdach des Schuppens war mit braunem
Granulat bedeckt gewesen. Darauf hatten bis vor zwei Jahren
vereinzelt unempfindliche Hochgebirgspflanzen vegetiert. Aber dann
war Linda gekommen. Heimlich war sie auf das Dach geklettert. Eines
ihrer Talente war, dass sie sich überall hochziehen konnte, so
entschlossen konnte sie sein. Umberto hatte gar nicht mitbekommen,
wie sie einen Sack »Japanische Waldwiese« und Dünger ausgestreut
hatte. Die Veränderung war noch in jenem Sommer eingetreten. Lange
hatte Umberto nichts bemerkt, denn auch seine Wohnung lag im
Erdgeschoss. Als die Waldwiese schon über die Kante des Dachs
reichte und die Wände hinabwuchs, hatte er erst an ein Wunder der
Muttergottes geglaubt, die im gleichen Sommer vom Schlafzimmer in
den Schuppen umgezogen war. Doch dann konnte Frau Hansson aus dem
Nebenhaus beobachten, wie die kleine Blonde aus dem sechsten Stock
in Nummer 17 mit dem Gartenschlauch auf ihrem Balkon stand und das
Dach des Schuppens mit einem Wasserstrahl von den Ausmaßen eines
Regenbogens bewässerte. Von da an hatte Umberto aufgepasst und sie
bei ihrem nächsten Besuch auf seinem Dach gestellt. Linda
Cederström hatte sofort alles zugeben müssen. Umberto hatte
gejammert, weil ihm bald die Wurzeln beim Kaffeetrinken in den Kopf
wachsen würden, aber nun war die japanische Waldwiese schon im
dritten Sommer, ohne dass es dazu gekommen war.
Nachdem sie ausgetrunken hatten, brachen sie auf.
Linda hatte eine Kreditkarte für Notfälle, die sie zwei, drei Mal
im Monat benutzte.