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Zur Besprechung um elf kam Sofi als Letzte. Die
anderen hatten sich schon am Tisch niedergelassen und sich über die
Tüte hergemacht, die Barbro vom Libanesen in der Scheelegatan
mitgebracht hatte. Sofi setzte sich, öffnete die Styroporhülle und
ließ sich den Dampf ins Gesicht steigen.
»Wie ist deine neue Assistentin?«, fragte
Barbro.
»Sie ist gut«, antwortete Sofi kauend. »Ein
bisschen forsch zu den Leuten. Warum schweigen, wenn man auch reden
kann? Das ist ihr Motto.«
»Wie weit seid ihr?«, wollte Kjell wissen.
»Jetzt wissen wir wenigstens, welchen Beruf die
Leute haben. Wir haben alle beim Steueramt überprüft. Es gibt zwei
Gruppen. Die einen sind Pensionäre, darunter die meisten
Auswanderer aus Deutschland. Da gibt es einige in der Siedlung, die
schon seit Jahrzehnten dort leben. Wir haben sie wegen des hohen
Alters zurückgestellt und weil hier auch das Motiv für das
Ausleihen des Buches verständlich ist. Die zweite Gruppe sind Leute
bis Mitte vierzig, und keiner ist Deutscher. Für diese vier wollen
wir eine Genehmigung beantragen.«
Kjell nickte. »Henning soll das machen, die Anträge
und die Öffnung. Du und ich, wir beide sind morgen im
Fernsehen.«
Sofi sah Kjell erschrocken an. Dass sie in der
Zeitung war, hatte ihr schon gereicht. Sie war gleich rot
geworden.
»Wir halten es für das Richtige. Die Polizeileitung
will, dass du auch auftrittst, weil du ja auch in der Zeitung bist.
Als lebendiges Dementi also.«
»Muss ich etwas sagen?«
»Wenn du gefragt wirst, kannst du antworten. So
einfach ist das.«
»Was sagen wir überhaupt?«
»Das beschließe ich kurz vor der Pressekonferenz
mit Sten und Rosenfeldt. Stens Überlegung lautet, dass Josefin
entweder tot oder entführt ist. Da es bisher kein Lebenszeichen
gibt, will er die Tatsache ihres Verschwindens
veröffentlichen.«
»Und du? Willst du das auch?«
»Ich weiß es nicht. Henning ist dagegen.« Henning
nickte, aß aber weiter. »Er hat so ein Bauchgefühl, sagte
er.«
Henning nickte und deutete mit der Gabel auf seinen
Bauch.
Sofi stellte sich den Ablauf der Pressekonferenz
laut vor. »Ihr werdet doch auf jeden Fall Antworten auf operative
Fragen geben müssen! Und wenn ihr nichts sagt, geben sich die
Journalisten die Antwort selbst. So einfach ist das!«
Kjell hob an, um ihr etwas entgegenzusetzen, obwohl
er das gar nicht wollte. Das Telefon kam ihm zuhilfe. Es läutete im
Nebenraum. Sofi erhob sich, aber Kjell bedeutete ihr, sitzen zu
bleiben und weiterzuessen, und ging selbst hinüber. Es war Hennings
Apparat.
»Hallo?«, fragte eine Frauenstimme. Sie klang leise
und ängstlich.
»Hier ist die Reichskriminalpolizei«, sagte Kjell
und nannte seinen Namen.
»Das Mädchen in der Zeitung, das ist dieselbe wie
auf der Zeichnung, die ihr über die Schwesternschaft verteilen
lasst, oder?«
»Ja«, antwortete Kjell ruhig und beglückwünschte
sich zu seinem Deal mit Amelie.
»Ich bin Saga Isaksson. Ich kenne das Mädchen. Ich
habe sie vor Kurzem getroffen. Ihr Name ist Klara.«
III
ΠΑΘΟΣ
Klage
Klage