35
Sofi ließ sich in den Sitz sinken und schloss die Augen. Sie hörte, wie sich die Türen schlossen, und bald rauschte die Bahn leise dahin. Viel leiser als daheim vernahm man nur ein tiefes Summen. Sie hatte auch den ganzen Tag noch keinen Menschen gesehen, der in ein Headset sprach. Alle blickten ins Leere und ließen an sich vorbeiziehen, was sie am Tag erlebt hatten.
»Wenn ich mit Linda in Deutschland U-Bahn fahre, dann spielen wir immer Alfred Döblin«, sagte die Stimme von Kjell neben ihr.
Sofi schlug die Augen auf und wartete auf eine Fortsetzung.
»Du musst dir vorstellen, dass du bei der Arbeit bist und gerade Feierabend machen willst. Du freust dich auf Zuhause und steckst schon im Mantel, als das Telefon schrillt.«
»Schrillt?«
»Du bist ja Döblin und lebst in den Dreißigern.«
»Ach so.«
»Jemand teilt dir mit, dass du auf keinen Fall nach Hause gehen darfst, weil dort die Geheimpolizei auf dich wartet, um dich zu verhaften. Und jetzt sitzt du in der U-Bahn und hast nur dreißig Reichsmark in der Tasche. Du musst so schnell wie möglich das Land verlassen, aber im Ausland kennst du niemanden, und die Grenzen sind gesperrt. Deine Wohnung wirst du nie mehr wiedersehen.«
»Wieviel sind dreißig Reichsmark?«
»Denk nicht immer so pragmatisch!«
Sofi schloss die Augen, und als sie zwei Stationen mit allen anderen aus der Bahn drängte, fühlte sie sich ganz benommen. Sie mussten den langen Bahnsteig entlanglaufen.
»Bist du bereit?«, fragte Kjell.
»Ja.«
»Was ist geschehen?«
»Josefin Rosenfeldt, die Tochter des Justizkanzlers, ist verschwunden. Eine Frau in ihrem Alter stürzt aus dem Fenster von Josefins Wohnung.«
»Wie ist es geschehen?«
»Josefin lädt die Isländerin Sesselja Ragnarsdóttir ein, vorübergehend bei ihr zu wohnen. Sie reist mit ihrem Vater nach Frankreich, bricht den Aufenthalt jedoch früher ab als üblich. Sie reist zurück nach Stockholm, gibt Unterlagen ihres Vaters in der Kanzlei ab und ist seitdem verschollen. Als Sesselja ankommt, öffnet eine andere Person die Tür und bestreitet nicht, Josefin zu sein.«
Am Ende des Bahnsteigs stellten sie sich mit den anderen Menschen auf die Rolltreppe.
»Kennen sich Josefin und die Fremde?«
»Ja. Nein.«
Als sie das Freie erreichten, leuchtete das letzte Licht des Tages. Ihre Telefone fingen zugleich an zu piepsen. In der letzten halben Stunde mussten eine Menge Anrufe angekommen sein. Alle kamen von Henning. Sofi drückte die Kurzwahl.
»Was ist los bei euch?«, fragte Henning gehetzt.
»Es gibt hier keinen Empfang in der U-Bahn.«
»Die Mikroskopie ist fertig. Die Tote hat den Liebesbrief geschrieben.«
»Was? Ist das sicher?«
»Ihr Profil ist in der Tinte. Sie muss den Brief in den Händen gehalten haben, als die Tinte noch feucht war. Es gibt keinen Zweifel. Und wir haben Abdruckfragmente im Buch und DNA. Das alles hat also nichts mit Josefin zu tun. Deine Theorie mit den Rachegöttinnen kannst du wohl vergessen.«
Die Falsche Tote
scho_9783641017156_oeb_cover_r1.html
Section0001.html
scho_9783641017156_oeb_toc_r1.html
scho_9783641017156_oeb_fm1_r1.html
scho_9783641017156_oeb_ata_r1.html
scho_9783641017156_oeb_fm2_r1.html
scho_9783641017156_oeb_fm3_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c01_r1.html
scho_9783641017156_oeb_p01_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c02_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c03_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c04_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c05_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c06_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c07_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c08_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c09_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c10_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c11_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c12_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c13_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c14_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c15_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c16_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c17_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c18_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c19_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c20_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c21_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c22_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c23_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c24_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c25_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c26_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c27_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c28_r1.html
scho_9783641017156_oeb_p02_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c29_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c30_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c31_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c32_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c33_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c34_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c35_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c36_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c37_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c38_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c39_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c40_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c41_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c42_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c43_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c44_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c45_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c46_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c47_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c48_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c49_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c50_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c51_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c52_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c53_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c54_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c55_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c56_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c57_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c58_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c59_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c60_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c61_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c62_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c63_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c64_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c65_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c66_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c67_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c68_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c69_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c70_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c71_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c72_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c73_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c74_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c75_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c76_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c77_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c78_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c79_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c80_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c81_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c82_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c83_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c84_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c85_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c86_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c87_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c88_r1.html
scho_9783641017156_oeb_c89_r1.html
scho_9783641017156_oeb_bm1_r1.html
scho_9783641017156_oeb_tea_r1.html
scho_9783641017156_oeb_cop_r1.html