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Mit Genugtuung beobachtete Professor Fornell, wie die kleine Cederström sich an ihrem Bild abarbeitete. In natura wirkte sie noch jünger als auf dem Foto, das sie ihrer Bewerbung beigefügt hatte. Am Morgen hatte er ihr zwanzig Minuten lang erklärt, dass sie sich von dem Gedanken trennen musste, die Perspektive über den Farbkontrast zu erzielen. Sie hatte mit vor der Brust verschränkten Armen neben ihm gestanden und ihm zugehört und zugesehen. Gesprochen hatte sie nichts, weil sie einen dicken Kloß im Hals gehabt hatte. Das hatte er natürlich gewusst. Dann hatte sie zwei Stunden lang nach seinen Vorgaben gearbeitet, um zu beweisen, dass seine Vorschläge ins Verderben führten und ihre die richtigen gewesen wären. Eine Stunde vor der Mittagspause hatte sie endlich den Kloß in ihrem Hals heruntergeschluckt. Eigentlich war das schnell gegangen, wenn man bedachte, wie jung sie noch war. Offensichtlich wagten es die Kunstlehrer an ihrer Schule nicht mehr, sich in ihre Technik einzumischen. Sie hatte also das erste Bild unauffällig aus der Staffelei gespannt, irgendwo entsorgt und neu begonnen. Was er jetzt sah, war wirklich hinreißend. Lindas flüssige Bewegungen bewiesen, dass sie es auch so sah. Am Nachmittag hatte sie sich sogar getraut, zur Küche zu gehen, um sich einen Kaffee einzugießen. Nach zwei Tagen hatte sie sich endlich eingelebt. Die Verunsicherung war von ihr abgefallen.
Gleich wurde es fünf. Er ging zu ihr und stellte sich vor ihre Staffelei.
»War es schlimm?«
»Ja.«
Irgendwo gab es einen kleinen Generator in ihr, der ganz autonom von ihrer allgemeinen Unsicherheit immer wieder freche und schlagfertige Antworten erzeugte.
»Wir müssen noch weiter gehen«, sagte er. »Noch minimalistischer werden.«
»Okay.«
Er war gespannt, mit wie wenig sie auskommen würde. »Was sagt dein Kunstlehrer denn so?«
»Dass ich zu wenig hinschaue. Ich soll objektbezogener arbeiten.«
»Du bist eben sehr hermetisch«, sagte er, um in ihr die Saat für die Erkenntnis zu pflanzen, dass ihr Lehrer ein künstlerischer und pädagogischer Krüppel war.
»Okay«, sagte sie.
»Wir können morgen vor dem Mittagessen eine Stunde hinüber zu Liljevalchs gehen. Dann zeige ich dir, was hermetisch ist.«
Sie lächelte und begann, ihre Sachen zusammenzupacken. Bestimmt würde sie zu Hause weiterzeichnen. Gemeinsam verließen sie den Saal und schlenderten zum Ausgang.
»Und was, wenn Amelie morgen wieder nicht kommt?«
»Es kann schon mal vorkommen, dass sie nicht kommt«, log er und hoffte dabei, dass Amelie ihr nichts von dem Gespräch erzählt hatte. Warum sollte sie eine zweitklassige Künstlerin sein, wenn sie draußen in der Welt eine erstklassige Grafikerin sein könne, hatte er ihr letzte Woche gesagt. Sie hatte ihm geantwortet, er solle aufhören, Hannibals Spruchweisheit zu plagiieren, wo er ihm doch ohnehin schon so ähnlich sei, was Größenwahn und Impotenz angehe. Die militante Replik hatte er erwartet, anders kannte er sie nicht. Doch diesmal hatte sie den Schmerz der Erkenntnis in ihrem geschminkten Gesicht nicht mehr verbergen können. Er konnte sich gut vorstellen, dass Amelie jetzt irgendwo saß, um ihr Leben neu zu ordnen und sich von ihren Illusionen zu verabschieden.
»Soll ich dich mitnehmen?«, fragte er, aber Linda schüttelte den Kopf und deutete auf den 65er, der gerade oben an der Straße auftauchte. Sie grüßte und rannte los.
Die Falsche Tote
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