DIE INDUSTRIELLE REVOLUTION

Der Begriff »Industrielle Revolution« selbst kam in den Dreißigerjahren des 19. Jahrhunderts in bewusster Analogie zur Französischen Revolution auf. Friedrich Engels verwendete ihn 1845.

MANCHESTER-KAPITALISMUS    Die Textilherstellung war seit Jahrhunderten »die« Leitindustrie in Europa und die englische Stadt Manchester ein Zentrum der »industriellen« Verarbeitung. Die 1769 erfundene und mit Wasserkraft betriebene Waterframe-Spinnmaschine ersetzte das Handspinnen. Dank der Erfindung der Dampfmaschine expandierte auch die Baumwollverarbeitung. Keineswegs zufällig wurde die erste englische Personen-Eisenbahn 1830 vom wichtigsten Überseehafen Liverpool nach Manchester gebaut.

Alle negativen Begleiterscheinungen eines ungezügelten Wirtschaftsliberalismus zeigten sich hier früh und drastisch: die Herabwürdigung von Arbeitern zu mit Hungerlöhnen abgespeisten Hilfsarbeitern, Frauen- und Kinderarbeit, keine Vorsorge gegen Unfall, Krankheit, Alter, die willkürliche Behandlung durch die Industrieherren. Zur begrifflichen Identifizierung Manchesters mit »Ausbeuter-Kapitalismus« hat sicherlich auch beigetragen, dass Friedrich Engels, der Mitverfasser des Kommunistischen Manifests, über 20 Jahre dort lebte und aufgrund seiner Beobachtungen und Erfahrungen sein einflussreiches Buch Die Lage der arbeitenden Klasse in England verfasste. Manchester galt als Inbegriff der hässlichen, lauten, stinkenden, mit Fabriken planlos zugebauten Industriestadt.

1735/1760

EISEN UND STAHL    Die Verwendung von Steinkohle statt Holzkohle zur Eisenverhüttung und die Umwandlung von Steinkohle zu Koks gelang dem englischen Eisenwarenfabrikanten Abraham Darby (1711–1763)aus Coalbrookedale. Um 1760 entwickelte er auch den Kokshochofen für die Eisenschmelze. Diese Erfindungen machten den Kohleabbau überhaupt erst sinnvoll und lohnend. Coalbrookedale gilt als die Wiege der Industriellen Revolution schlechthin. In der Nähe entstand 1779 die erste Eisenbrücke der Welt, die Ironbridge über den Fluss Severn; sie ist heute ein Weltkulturerbe. Die Umsetzung von Watts wesentlicher Verbesserung der Nutzung der Dampfkraft in eine industriell einsetzbare Dampfmaschine gelang 1776 in der Eisenfabrik von John Wilkinson.

1884/1893

EISENBAHN UND ZEITZONEN    Der Eisenbahnbau war von Anfang an ein Stück Weltgeschichte, weil er schon in der Biedermeierzeit in allen entwickelten Industrieländern betrieben wurde, den nordamerikanischen Kontinent erschloss und durch die Einrichtung der Zeitzonen eine neue globale Zeitwahrnehmung hervorbrachte. Wegen der Beteiligung vor allem europäischer Investoren am Eisenbahnbau in Amerika, Indien, im Osmanischen Reich, China oder Brasilien war die Finanzierung ebenfalls ein grenzüberschreitendes Phänomen.

Im Bergbau wurden Transportwägelchen in den Stollen seit 1767 auf Eisenschienen geschoben oder von Pferden gezogen. Hier wurden auch die allerersten Lokomotiven eingesetzt, was George Stephenson (1781–1848), der Erfinder der Dampflok (1814), der als Kind in einer Kohlengrube arbeiten musste, vollkommen vor Augen hatte. Die erste Eisenbahnstrecke entstand in England 1825 (Stockton-Darlington; nur für Güter), in Deutschland 1835 (Nürnberg-Fürth), inzwischen auch schon zur Personenbeförderung.

Noch lange nach dem Aufkommen der Eisenbahnen gab es überall in der Welt nur Lokalzeiten. Die Notwendigkeit, »gleiche« Abfahrts- und Ankunftszeiten für den grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr anzugeben, führte zur Einführung der Zeitzonen. Auf der »Internationalen Meridiankonferenz« 1884 wurde eine von dem kanadischen Eisenbahningenieur Sandford Fleming vorgeschlagene Einteilung in 24 Zeitzonen rund um den Globus zu je 15 Längengraden angenommen, was jeweils etwa einer Stunde Differenz entsprach. In Deutschland wurden die Lokalzeiten 1893 abgeschafft und die Mitteleuropäische Zeit (Greenwich plus eine Stunde) für das gesamte Reichsgebiet eingeführt.

Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?: Weltgeschichte - alles, was man wissen muss
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