WIE ATHEN EINE
DEMOKRATIE WURDE

Sklaverei gehörte zum Alltag in der Antike. Sklavenhandel war ein normaler Erwerbszweig. Der »Markt« rekrutierte sich seit jeher aus Kriegsgefangenen, Beutesklaven (Piraterie, Plünderei) und weiträumigem Sklavenhandel.

Ein weiterer verbreiteter Grund für das Absinken auf den Status eines Unfreien war die Schuldknechtschaft ehemals freier Bauern. Es war ein permanentes Problem der antiken Wirtschaft, dass kleinbäuerliche Betriebe wegen der fortgesetzten Erbteilung zu klein und damit unrentabel wurden – ganz abgesehen von den Folgen von Misswirtschaft oder Missernte. Weil es keinerlei entwickelte Finanzwirtschaft, also keine »Banken« und kein geordnetes Kreditwesen gab, wurde Geld nur direkt in Münzen und dann zu Wucherzinsen ausgeliehen. Das wurde fatal, wenn ein Bauer seine Schulden nicht mehr bezahlen konnte. Er war persönlich haftbar: Der Gläubiger konnte den Schuldner in die Sklaverei verkaufen. Gerade in Attika waren die Dinge so weit gediehen, dass durch diesen Schuldnerverkauf der Kleinbauern sogar der Heeresbestand an Soldaten und damit die Wehrfähigkeit des Gemeinwesens bedroht war. Dies war der soziale und politische Zündstoff der Solon-Zeit.

594 v. Chr.

SOLONS REFORM    Der von allen Seiten als Schlichter anerkannte Staatsweise Solon (640–560 v. Chr.) verfügte eine allgemeine Schuldentilgung und die Abschaffung der Schuldknechtschaft. Auf dieser gesünderen wirtschaftlichen Grundlage gliederte er die Bürgerschaft nach ihren Ernteerträgen (modern gesprochen: nach ihrem Einkommen) in vier Klassen. Die Staats- und Rechtsreform stärkte auch die Rechte der Einzelnen im Sinne einer staatsbürgerlichen Gleichstellung. Selbst die Theten, die einfachen Lohnarbeiter ohne eigene Ernteerträge, erhielten nun immerhin das aktive Wahlrecht. Theoretisch stand damit auch einfachen Bauern der Zugang zu politischen Ämtern offen, sofern sie denn ausreichende Einkünfte hatten. Bis dahin war dies ein Privileg der Adelsklasse gewesen.

Damit nahm Athen eine andere Entwicklung als Sparta, wo eine kleine Oberschicht von den Erträgen der Masse der Untertanen, der Heloten, lebte, deren allfällige Aufstände stets im Keim erstickt wurden.

Solons Gesetze wurden auf Tafeln öffentlich ausgestellt und jeder Bürger erhielt ein Klagerecht. Die Einklagbarkeit von Rechten wird somit schon früh als Teilaspekt des demokratischen Prinzips sichtbar.

Was danach geschah: Noch zu Lebzeiten Solons riss der Adlige Peisistratos um 560 v. Chr. unter nicht ganz klar überlieferten Umständen die Alleinherrschaft (tyrannis) über Athen an sich. Athen erlebte eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte. Peisistratos führte das Münzwesen ein (die Münzen mit Athena und der Eule) und stiftete 566 das Panathenäen-Fest, dessen Umzug auf den berühmten Elgin-Reliefs des späteren Parthenon dargestellt ist, sowie die Dionysien, aus denen die antike Tragödie hervorging. Seine Regierungszeit galt als Goldenes Zeitalter. Die Söhne Hippias und Hipparch konnten sich 527 bis 510 v. Chr. als Tyrannen halten.

Die Tyrannis der Peisistriden fand um 510 v. Chr. mithilfe Spartas in rochadenreichen Aktionen durch den zweiten großen athenischen Reformer Kleisthenes ein Ende. Sogar das delphische Orakel wurde durch Schmiergeld von Kleisthenes in seine Bestrebungen, die Macht in Athen zu gewinnen, verwickelt: Er erwirkte einen Spruch, der dem spartanischen König die Pflicht auferlegte, die Tyrannis in Athen zu stürzen. Nur zehn Jahre nach der Reform des Kleisthenes (510 v. Chr.) kam es zum Ionischen Aufstand und danach zu den Perserkriegen. Kleisthenes stammte aus der Aristokratenfamilie der Alkmeoniden. Der spätere Staatsmann Perikles war übrigens sein Neffe.

Etwa zur selben Zeit schüttelte Rom die etruskische Königsherrschaft ab und wurde Republik.

510 v. Chr.

DIE ATTISCHE DEMOKRATIE    Nach seiner Rückkehr aus dem Exil und der Vertreibung des Hippias unterteilte Kleisthenes (ca. 570–507 v. Chr.) das attische (athenische) Staatsgebiet in Stadtgebiet, Küstenland und Binnenland; diese bestanden aus jeweils zehn Selbstverwaltungsgemeinden. Durch Los wurde jeweils eine der Gemeinden mit zwei anderen aus den anderen beiden Gebieten zu einer »Phyle« zusammengeschlossen. Das ergab zehn Phylen. So wurde die Bevölkerung staatsrechtlich neu gemischt und alten Oberschichten der Einfluss genommen. Jede Phyle entsandte 50 Abgeordnete in den Rat der 500. Dieser repräsentierte die Bürgerschaft, den demos. Bei seiner Reform war es Kleisthenes keineswegs um ein idealistisches Verfassungskonzept mit der Leitidee größerer Bürgerbeteiligung gegangen. Er suchte lediglich die Unterstützung des demos, um selbst mehr Einfluss zu gewinnen. Er verstarb bald nach seiner Reform auf einer Reise.

Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?: Weltgeschichte - alles, was man wissen muss
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