EISZEIT UND STEINZEIT

Als der dänische Historiker Christian Jürgensen Thomsen (1788–1865) die Leitung des Nordischen Museums in Kopenhagen übernahm und die Sammlungen neu ordnete, fiel ihm etwas auf: Die Fundgegenstände waren überwiegend aus Stein, Bronze und Eisen gefertigt und in genau dieser zeitlichen Abfolge entstanden. Die Einteilung der frühen Menschheitsgeschichte (in erster Linie Europas) in Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit stammt von Thomsen.

EISZEIT    Der Gedanke, die Alpengletscher könnten früher einmal eine viel größere Ausdehnung gehabt haben, entstand um 1820 unter Schweizer Naturgelehrten. Der badische Privatgelehrte Karl Friedrich Schimper (1803–1867) entwickelte daraus um 1835 in seinen Münchener Vorträgen über Weltsommer und Weltwinter eine Theorie der Klimaschwankungen – damals eine außerordentlich kühne Idee.

Schimper hatte Findlinge, also Gesteinsbrocken, die offensichtlich nicht aus der Gegend stammten, in der sie lagen, sowie Schleifspuren im Schweizer Jura untersucht. 1837 verfasste er eine Ode (!) mit dem Titel Über die Eiszeit. Dies ist die Taufurkunde des Wortes »Eiszeit«. Schimper schrieb nie ein systematisches Werk über seine Entdeckungen und blieb daher weitgehend unbeachtet. Ein befreundeter Kollege, der Schweizer Louis Agassiz, verstand seine Ideen am besten und propagierte sie mit mehr Erfolg.

2,7 Millionen v. Chr.

PLEISTOZÄN    Die Ursachen jener landschaftsprägenden Vereisungen sind bis heute ungeklärt. Klar ist nur, dass sie vor etwa 2,7 Millionen Jahren einsetzten und das Klima seitdem in Zeiträumen von einigen zehntausend bis zu hunderttausend Jahren stark schwankte. Von »der« Eiszeit im Rahmen der frühen Erdgeschichte zu sprechen, wäre also irreführend, zumal es zwischen den Eiszeiten immer wieder beachtliche Wärmeperioden gab. Diese Periode der Erdgeschichte wird Pleistozän genannt. In der letzten Phase, von ca. 100000 bis 10000 v. Chr., waren die Klimaschwankungen geradezu dramatisch. Vor 20000 Jahren reichte das Eis bis 50 Kilometer südlich von Berlin. Nach 5000 Jahren war »Berlin« wieder eisfrei, noch einmal vier- bis fünftausend Jahre später auch die Ostseeküste.

2,5 Millionen v. Chr.

ALTSTEINZEIT    Die Altsteinzeit datiert man auf etwa 2,5 Millionen Jahre, als frühe Hominiden wie Homo habilis und Homo ergaster in Afrika erste Steinwerkzeuge herstellten, bis zum Sesshaftwerden der Jäger und Sammler in der Jungsteinzeit vor 10000 bis 12000 Jahren. Sesshaftigkeit ist demnach relativ neu. Die Faustkeile aus Stein sind das charakteristischste Werkzeug jener Hominiden. Oft erkennt der geübte Blick des Archäologen nur noch daran das Vorkommen von Menschen. Knochenfunde sind eher selten.

500000–30000 v. Chr.

NEANDERTALER    Der Mensch aus dem Neandertal bei Düsseldorf stammt etwa aus der Zeit um 42000 v. Chr. Seine Knochenreste entdeckte 1856 der Elberfelder Lehrer Carl Fuhltrott, der ihn sofort als »Urmensch«-Typus erkannte, was die damalige »Fachwelt« jedoch zunächst nicht akzeptierte.

Im sogenannten mittleren Pleistozän schweiften die Neandertaler durch riesige Gebiete von Südrussland, Ostanatolien und dem Nahen Osten bis nach Portugal. Trotz dieses enormen Verbreitungsgebietes lebten wohl immer nur höchstens 10000 Neandertaler gleichzeitig. Und sie lebten natürlich nur in den südlichen Breiten Europas – südlich des 50. Breitengrades (Mainlinie). Nördlich davon war ja alles vergletschert. So ist das Neandertal eine der nördlichsten Fundstellen überhaupt.

Die ältesten Funde sind rund 125000 Jahre alt; man schätzt das Alter dieses Homo aber wesentlich höher ein – auf bis zu 500000 Jahre. Neandertaler beherrschten den Umgang mit dem Feuer, sie fertigten Speere und Faustkeile und wechselten häufig den Lagerplatz, um die natürlichen Ressourcen optimal zu nutzen. Mittlerweile kennt man Hunderte von Neandertaler-Lagerplätzen »im Freien«. Die Vorstellung, sie hätten ebenso wie die ihnen folgenden Cro-Magnon-Menschen in Höhlen gehaust, entstand, weil sich die Fundrelikte in Höhlen wesentlich besser erhalten haben.

Die Archäologie teilt die mittlere Steinzeit in mehrere Perioden, die alle nach Fundorten in Südwestfrankreich benannt sind. Die älteste ist das Mousterién (ca. 120000–40000). Es fällt erdgeschichtlich in die letzte, die Würm-Eiszeit. Möglicherweise gab es in dieser Periode einige tausend Jahre lang ein Nebeneinander von Neandertaler und Cro-Magnon-Mensch. Die Cro-Magnon gehören in das Aurignacien (40000–30000 v. Chr.).

Seit Neuestem ist durch DNA-Analysen nachgewiesen, dass Neandertaler und Homo sapiens zwischen 110000 und 50000 im Nahen Osten koexistierten und Gene austauschten. Mit anderen Worten: Einzelne dieser Individuen hatten Sex miteinander. Auch in jedem von uns steckt also ein bisschen Neandertaler.

Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?: Weltgeschichte - alles, was man wissen muss
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