WELT DER ANTIKE

Durch den Seevölkersturm um 1200 v. Chr. war die bronzezeitliche Hochkulturphase im gesamten östlichen Mittelmeer zu Ende: Das Hethiter-Reich und die inzwischen mykenisch-minoische Mischkultur verschwanden vollständig, in Babylonien gewannen die Assyrer die Vorherrschaft. Ägypten blieb intakt, mehr aber nicht. In den Jahrhunderten von 1200 bis 500 v. Chr. bildete sich dann die Mittelmeerwelt der Antike: Ägypter, Griechen, Römer, Assyrer und Perser, Israel. Mit den ersten gesicherten Daten beginnt nun die bekannte Weltgeschichte.

um 1200/1100 v. Chr.

DER TROJANISCHE KRIEG    Der gewaltigste Donnerschlag um 1200/1100 v. Chr. mit unüberhörbarem Nachhall bis in die Sprache der Gegenwart wird für unser historisches Gedächtnis durch den Untergang Trojas markiert – falls die Annahme stimmt, dass die archäologisch gesicherte Zerstörung von Troja VII den »historischen Hintergrund« für Homers Ilias abgibt.

Ilion lautet der Name der sagenhaften Stadt, gegen die die Griechen in der Ilias in einen zehnjährigen Krieg ziehen. Die erste epische Dichtung des Abendlandes hat ihren Namen von dieser Bezeichnung für »Troja«. Nach der sensationellen Auffindung und Ausgrabung »Trojas« durch Schliemann seit 1871 glaubte man sich gewiss, nun tatsächlich den Ort des Trojanischen Krieges gefunden zu haben. 1873 präsentierte Schliemann stolz den »Schatz des Priamos«. Immerhin scheint wenigstens für den Hisarlik-Hügel der Name Ilion (hethitisch Wilusa) durch einen Tontafel-Vertrag aus der Zeit um 1300 v. Chr. gesichert zu sein. Möglicherweise war Wilusa ein vom mächtigen Hethiter-Reich abhängiger Vasallenstaat.

Doch beim weiteren Forschen und Graben stellte sich schnell heraus, dass es mehrere »Troja« gab. Immer wieder war der strategisch zweifellos günstig in Sichtweite der Dardanellen gelegene Siedlungshügel erobert, gebrandschatzt, durch Erdbeben zerstört oder verlassen und immer wieder neu aufgebaut worden.

Wilusa muss also nicht »Troja« gewesen sein. Denn es gibt auf dem Hisarlik-Hügel nur eine nachweislich mit starken Zerstörungen verbundene Schicht VIIb, die auf ungefähr 1200 v. Chr. datiert wird. Wer jenes »Troja« VIIb zerstört haben könnte, ist damit noch nicht gesagt. War es eine panhellenische Streitmacht, waren es brandschatzende eisenzeitliche Indogermanen aus Ostmitteleuropa oder wandernde Volksstämme vom Balkan oder räuberische Expeditionen in Wikinger-Manier unbekannter Herkunft? Wer weiß.

ca. 1100 v. Chr.

DORISCHE WANDERUNG    Seit etwa 1100 v. Chr. wanderten aus dem nördlichen Balkan erneut griechisch sprechende Stämme nach Griechenland ein. Sie werden etwas pauschal als »Dorer« bezeichnet. Das ist die zweite – und letzte – große griechische Einwanderungswelle in die Ägäis nach jenen Hellenen, die mehr als 500 Jahre zuvor die »mykenische« Palastkultur aufgebaut hatten. Die etwas herben eisenzeitlichen Dorer sahen allerdings nur noch deren rauchende Trümmer.

Sie verdrängten ortsansässige Frühgriechen aus vielen Regionen auf die Kykladen-Inseln und auf die andere Seite der Ägäis, die Westküste der heutigen Türkei. Durch eine dieser Gruppen erhält diese Küste die Bezeichnung »Ionien«.

um 900 v. Chr.

ETRUSKER I    Die Etrusker erschienen um 900 v. Chr. in Italien. Ihre Herkunft ist ungeklärt, obwohl schon die Antike sie als aus Kleinasien stammend bezeichnete. Sie vermittelten eigene sowie Kulturelemente der archaischen Griechen auf italischem Boden, am nachhaltigsten natürlich das (west)griechische Alphabet.

1000–900 v. Chr.

ITALIKER    Zeitgleich mit der riesigen indoeuropäischen Wanderung am Beginn der Eisenzeit und der Dorischen Wanderung der Griechen über den Balkan sickerten die Italiker (Latiner, Falisker, Umbrer, Osker, Samniten) auf die Apennin-Halbinsel ein und stießen hier auf eine nicht-indoeuropäische Vorbevölkerung (Ligurer, Sikanen).

Die Italiker stammten definitiv aus der nordalpinen Urnenfelderkultur, vermutlich aus mitteleuropäischen Siedlungsräumen an Elbe, Oder, Weichsel. Ihre Sprachen, vor allem das später so wichtige Latein, sind germanischen und möglicherweise auch keltischen Sprachen näher verwandt als dem Griechischen. Der Stamm der Latiner drang bis an den Unterlauf des Tiber vor und wurde auf sieben Hügeln über einer sumpfigen Flusssenke sesshaft. Dort wurden sie Nachbarn eines etruskischen Familienclans, der die Gegend beherrschte. Diese neuen Nachbarn waren die Rumlinna. Von ihnen hat Rom seinen Namen.

900 v. Chr.

POLIS    Da Griechenland sehr gebirgig ist und keine großen zusammenhängenden Flusssysteme hat, wäre hier eine Reichsbildung schwierig gewesen, und sie hat bekanntlich auch nicht stattgefunden. Die Hellenen bildeten keine politische, sondern nur eine sprachliche und kulturelle Einheit mit den panhellenischen Zentren in Delphi und Olympia.

Die neu zugewanderten dorischen Griechen knüpften in nichts an die Kultur ihrer mykenischen Vorgänger an. Die Mykener hatten eine Palastkultur, wo der Fürstenpalast eine Art markt- und landbeherrschendes Großunternehmen war. Ganz anders die dorischen Griechen. Sie entwickelten schon kurz nach ihrer Einwanderung eine Art Selbstverwaltung der öffentlichen Angelegenheiten, das Polis-System.

Es gab Hunderte solcher Landgemeinden, größere oder kleinere, wo die Grundeigentümer das umliegende Land bebauten und ihre Angelegenheiten selbst regelten. Grundbesitz und ausreichend finanzielle Mittel, um sich wenigstens seine Hopliten-(Soldaten-)Ausrüstung leisten zu können, waren für den demos (die freien Grundbauern) die Voraussetzung, um als Gemeindebürger dazuzugehören. Die Landgemeinden waren im Prinzip alle unabhängig. Von »Stadtstaaten« kann man bei den meisten nicht sprechen, denn dafür waren sie einfach zu klein. Städte mit größerem Umland wie Athen und Sparta waren die Ausnahme. Fast jede Polis hatte eine Akropolis und eine Agora. Die gleichberechtigte Teilnahme aller Vollbürger an der Politik wurde aber erst in der Attischen Demokratie um 500 v. Chr. verwirklicht.

ca. 1000–900 v. Chr.

ALPHABET II    Die älteste bisher gefundene griechische Inschrift findet sich auf einer Vase um 900 v. Chr. Demnach kannten die Griechen das phönizische Alphabet bereits, vielleicht schon seit der Zeit um 1000 v. Chr. Mit der Welt des Vorderen Orients, zumal mit den Stadtstaaten der Kleinasien am nächsten gelegenen phönizischen Küste bestand sicher ein Handels- und Kulturaustausch. Die phönizischen Stadtstaaten standen seit Jahrhunderten in voller Blüte; verglichen damit waren die hellenischen Landgemeinden Entwicklungsgebiet. Die Griechen haben sich dieses Kulturimports nie geschämt und die altorientalischen Kulturen, auch Ägypten, immer mit Hochachtung bewundert.

Das für die Weltkulturgeschichte wichtigste Ergebnis des kulturellen Austauschs ist die Übernahme des Alphabets von den Phöniziern und die Anpassung der Vokale. Wie bei vielen frühen Schriftsystemen wurden im phönizischen Alphabet nur Konsonanten wiedergegeben. So war es auch bei den Hieroglyphen, weswegen man zum Beispiel nicht weiß, wie die Pharaonensprache ausgesprochen wurde. Im Phönizischen gab es einige Laute, für die die Griechen keine Verwendung hatten. (So wie es im Deutschen kein englisches th oder keine französische Nasale gibt). Diese »freien« Zeichen verwendeten die Griechen dazu, Vokallaute darzustellen und vervollständigten damit das Alphabet zu der Form, an die wir heute noch gewöhnt sind.

Da es weder Wörterbücher noch Rechtschreibkommissionen gab, waren mehrere voneinander abweichende Varianten in Umlauf. In den Kolonien in Sizilien und Unteritalien war es das westgriechische Alphabet, von dem das lateinische Alphabet abstammt, das Sie gerade lesen. Es wurde durch die nachfolgende geschichtliche Entwicklung (Römisches Reich, römisch-lateinische Kirche, weltweite Kolonisation der Europäer) zum wichtigsten und weltweit erfolgreichsten Schriftsystem der Gegenwart.

Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?: Weltgeschichte - alles, was man wissen muss
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