DIE VIER GROßMÄCHTE
DER BRONZEZEIT

Während sich nördlich des Alpenbogens die verschiedenen Schnurkeramiker und Glockenbecherkeramiker ausbreiteten, Megalith-Anlagen aufrichteten und das Siedeln in Pfahlbaudörfern immer noch gang und gäbe war, existierten zwischen Ägäis und Persischem Golf vier kulturelle und politische Zentren: Babylon und Ägypten, die jeweils schon auf eine tausendjährige relativ einheitliche kulturelle Tradition zurückblickten, die nicht-indoeuropäische minoische »Seemacht« Kreta und die indogermanischen Hethiter. Neuankömmlinge im ägäischen Raum waren die frühgriechischen Stämme, vor allem die Achäer; ihr bekanntestes Zentrum war Mykene.

1800 v. Chr.

BABYLON/BABEL    ist in unserem geschichtlichen Gedächtnis die älteste Großstadt der Welt, Inbegriff einer vielsprachigen Zivilisationsmetropole, Brennpunkt der Geschichte. Weder Rom noch Jerusalem sind so sprichwörtlich und symbolträchtig geworden wie der Turmbau zu Babel, die babylonische Sprachverwirrung, die babylonische Gefangenschaft oder das Sündenbabel.

Aber Babylon ist nicht gleich Babylon. Im Laufe der Geschichte wurde die strategisch günstig am Euphrat gelegene, aber auch nicht weit vom Tigris entfernte Stadt immer wieder zerstört und immer wieder aufgebaut. Von hier aus regierten viele verschiedene Dynastien. Die sehr alte »Turmbau«-Überlieferung bezieht sich auf eine ganz andere, nämlich die sumerische Kultur mit ihren Zikkurats. Rund zweieinhalbtausend Jahre liegen zwischen der Zikkurat-Zeit und der neubabylonischen Glanzzeit unter dem Chaldäer Nebukadnezar II. (604–562 v. Chr.), als das Ischtar-Tor (Pergamon-Museum, Berlin) gebaut und die Juden in die Gefangenschaft verschleppt wurden. Natürlich gab es auch unter Nebukadnezar eine hoch ragende Tempelanlage. Wo ist sie geblieben? Schließlich stehen die Pyramiden auch noch. Alexander der Große ließ sie abreißen.

ca. 1750 v. Chr.

HAMMURAPI    Eines der kleineren Reiche im Stadtstaatenverbund der Sumerer bildeten die Amurriter oder Amoriter, ein semitisches Volk am Euphrat, aus sumerisch-akkadischer Sicht ein unzivilisiertes Kriegervolk. Diese Amoriter gewannen um 1800 v. Chr. die Vorherrschaft im mittleren Mesopotamien und gelten als die Gründer Babylons. Hammurapi war der sechste König ihrer Dynastie und er war der bedeutendste und machtvollste. In seiner über vierzigjährigen Regierungszeit von etwa 1790 bis 1750 v. Chr. entwickelte er Babylon vom Stadtstaat zum Flächenstaat. Mit ihm beginnt die sehr beträchtliche Wirkung des »Geschichtsbegriffs Babylon«.

MARDUK    Der babylonische Hauptgott stammte bereits aus dem sumerischen Götterhimmel und avancierte in Hammurapis Reich vom lokalen Stadtgott zum Chef des Pantheons. Sein Name bedeutet »junger Stier«. Die Geschichte seiner Götterkarriere wird im Weltschöpfungsmythos Enuma elisch erzählt, dem bedeutendsten literarischen Werk der babylonischen Literatur. Ähnlich wie später bei den Griechen wurden die aus verschiedenen Kulten hervorgegangenen Götter in eine »Verwandtschaftsbeziehung« gebracht und zur Großfamilie geordnet. Das Enuma elisch enthält – wie die Genesis – Elemente aus dem Gilgamesch-Epos, diente aber hauptsächlich dazu, Marduk als obersten Reichsgott zu etablieren und einen einheitlichen religiösen Reichskult zu schaffen: Nachdem Marduk im Kampf gegen die Urmutter Tiamat die Welt erschaffen hat, formt er den Menschen aus Lehm.

CODEX HAMMURAPI    In Keilschrift verfasst ist der älteste bekannte Gesetzestext aus der Zeit um 1750 v. Chr. Der Codex Hammurapi war nicht die erste Gesetzessammlung der Alt-Antike, aber er ist der einzige vollständig erhaltene. Die »Erstausgabe«, eine 1902 gefundene Steinstele mit Autorenbild, ist im Louvre zu besichtigen (Kopie im Pergamon-Museum in Berlin).

Der schwarze Diorit-Block ist 2,25 Meter hoch und enthält 282 »Paragraphen« über Strafrecht, bürgerliches Recht und Handelsrecht. Ein Viertel beschäftigt sich mit der Regelung von Besitzverhältnissen, also Grundbesitz, Hauseigentum und bewegliche Sachen. Das berühmte »Auge-um-Auge«-Prinzip ist im Codex verankert. Ein Rechtsfortschritt: Vorher zerstörte man für ein verletztes Auge gleich drei oder mehrere andere. Hammurapis Innenpolitik war vergleichsweise »sozial«, denn er wusste, dass eine prosperierende Wirtschaft ohne einen verbindlichen Rechtsrahmen nicht möglich war. Die Bauern sollten von unnötigen Härten verschont und die Veteranen mit Land versorgt werden.

Was danach geschah: Unter Hammurapis Nachfolgern schwand die Macht seiner Dynastie. Es war das Schicksal Mesopotamiens, von immer neuen Völkern erobert und innerhalb wechselnder Grenzen beherrscht zu werden – bis in die Gegenwart. Das altbabylonische Reich endete 1530 v. Chr. mit der kurzzeitigen Eroberung seiner Hauptstadt durch den Hethiterkönig Mursˇili. Dessen Großmacht verfügte zu jener Zeit bereits über ein Monopol in der Eisengewinnung und -verarbeitung – und Eisen durchschlägt Bronze. Unmittelbar darauf herrschten im Gebiet Babylons bis 1160 v. Chr. die iranischen Kassiten, ein halbnomadisches, kriegerisches Bergvolk, das mangels Zeugnissen keiner Sprachfamilie zuzuordnen ist. Ihre vierhundertjährige Herrschaft bedeutete einen kulturellen und wirtschaftlichen Rückschritt für Babylon, auch wenn die Kassiten-Könige im 14. Jahrhundert v. Chr. Beziehungen zu Ägypten, insbesondere zu Echnaton und Tutenchamun, unterhalten hatten.

SIEBEN-TAGE-WOCHE    Sumer, Akkad, Assur und Babylon unter Hammurapi werden manchmal etwas pauschal unter der Bezeichnung »Alt-Babylon« zusammengefasst. Die »altbabylonische Zeitrechnung« ist das älteste nach wie vor lebendige Kulturgut, das uns überliefert ist. Zu den heute noch präsenten Kalendervorstellungen der Alt-Babylonier zählen etliche Sternbilder, der Tierkreis, die Sieben-Tage-Woche sowie der Sabbat, aus dem in spätantiker Zeit der sonntägliche Ruhetag wurde.

Ganz zu Anfang zählte man die Woche zu fünf Tagen nach den Fingern an einer Hand. Dann beobachtete man, dass die auffälligste rhythmische Erscheinung, der Mondzyklus, sich (annähernd) in vier Viertel zu je sieben Tagen unterteilen ließ. Die Altbabylonier, vermutlich schon die Sumerer, verknüpften die Tage mit den sieben Wandelsternen einschließlich Sonne und Mond, die allesamt mit bloßem Auge am Himmel zu sehen sind. Diese »Planeten« wurden für Götter gehalten und mit Götternamen benannt. Die Wochentage hießen nach den Planetengöttern, ganz wie in dem uns vertrauten Kalender: Sonntag, Montag

Bezeichnenderweise steht die Zeitmessung auch am Anfang des biblischen Schöpfungsberichts: »Es war Abend und es ward Morgen: erster Tag« (Genesis 1, 5). Hier wird die Nacht gezählt, was typisch ist für »Mondkalender«, die verbreitetste Kalenderform in den alten Kulturen. Das »Sieben-Tage-Werk«, der Bericht von der Schöpfung der Welt in der Genesis, beruht also auf bereits fest etablierten Kalendervorstellungen, die überall im Nahen Osten aus Mesopotamien mit seiner großen kulturellen Ausstrahlungskraft übernommen wurden. Der Jahwe oder Elohim der Bibel hat sie nicht erfunden.

Übrigens: Die sonst so schlauen Griechen hatten erstaunlicherweise ein sehr umständliches Kalenderwesen, das nichts zur weiteren Entwicklung beitrug.

SABBAT    Wort und Brauch Schabbaton sind babylonischen Ursprungs; an diesem »Vollmondtag«, den man für einen Unglückstag hielt, sollte die Arbeit ruhen, da sie nicht unter guten »Vorzeichen« stand. Das schwingt noch im englischen Saturday mit, da Saturn ein eher düsterer Gott der Melancholie war. Im christlichen Zusammenhang ist der Ruhepausentag natürlich nicht identisch mit dem jüdischen Sabbat, sondern man nimmt den darauffolgenden als »Tag des Herrn« (französisch dimanche, spanisch domingo). Diese Bezeichnung wird erst im 4. Jahrhundert n. Chr. im Römischen Reich offiziell. Das deutsche und englische Sonntag und Sunday (lateinisch sol invictus-Tag) ist schon vorher entstanden.

HEXAGESIMALSYSTEM    Schon die Babylonier konnten Zahlen mit sehr reduzierten Zeichen schreiben, und sie hatten bereits einen ähnlichen Begriff von deren Stellenwert wie die moderne Mathematik. Allerdings benutzten sie nicht das Dezimalsystem, sondern das Hexagesimalsystem, das auf der Grundlage der Zahl 60 beruht. Unsere Einteilung des Kreises in 360 Grad und die Stundeneinteilung in 60 Minuten zu 60 Sekunden gehen auf dieses babylonische System zurück.

DER BABYLONISCHE TIERKREIS    In enger Analogie zum Monatskreis steht der Tierkreis. Die Babylonier unterteilten die Sonnenbahn in zwölf etwa gleich lange Abschnitte. Diese belegten sie mit Sternbildernamen. Ob Mythenhelden, Götter oder Kulttiere, man sah darin immer göttliche Wesen. Dieser Himmel war sehr lebendig und voller Bedeutungen. Alle Tierkreiszeichen außer »Skorpion« und »Fische« haben ein babylonisches Vorbild.

ca. 1800/1700 v. Chr.

ABRAHAM    Für Abraham war diese polytheistische Welt mit ihren vergöttlichten Planeten und Sternbildern, ihren Feld-, Wald-, Wiesen- und Tiergottheiten oder ihren lokalen Götterstandbildern oberflächlich und austauschbar. Für ihn waren diese Götter tot. Er postulierte den Glauben an ein einziges, einheitliches göttliches Prinzip: an einen Gott, dem der Mensch Gehorsam schuldete.

Der biblische Urvater Abraham ist natürlich keine historische Persönlichkeit, genauso wenig wie König Artus, aber als literarische Gestalt lässt er sich einem bestimmten Umfeld zuordnen. Man sieht ihn in etwa als »Zeitgenossen« Hammurapis. Nach den Schilderungen der Bibel kann man sich ihn als eine Art Nomadenfürsten oder Scheich vorstellen, der aus Ur stammte und an der Seite seines Vaters nach Haran im heutigen Syrien gekommen war. In späten Jahren wies ihn sein Gott Jahwe an, mit seinem Nomadentross nach Kanaan zu ziehen. Als er nach einem langen Umweg über Ägypten und den Negev dort eintraf, schloss Jahwe mit Abraham einen Bund und versprach ihm: »Ich will deine Nachkommenschaft zahlreich machen wie den Staub der Erde.« (Genesis 13, 16). Auf dieser Verheißung beruht der Name Abraham, was wörtlich »Vater der Vielen«, »Vater der Völker« bedeutet. Doch Abraham hatte nur einen Sohn, den Isaak (den er beinahe opferte). Das Versprechen erfüllte sich erst mit seinen Urenkeln, den zwölf Söhnen Jakobs.

So wird eine historisch sicher ganz anders verlaufene Geschichte vom Zusammenwachsen mehrerer Nomadenclans zu einem »Volk« als geradlinige Abstammungsgeschichte erzählt. Geschichte als Familiengeschichte kann man sich leichter merken. Den Juden gilt Abraham als Urvater. Die von ihm ebenfalls auf Gottes Geheiß vorgenommene Beschneidung der Knaben ist das Zeichen der Zugehörigkeit zu seinem Volk.

Wegen ihrer gemeinsamen »Abstammung« aus der monotheistischen biblischen Tradition werden die drei Religionen Judentum, Christentum und Islam auch »abrahamitische« Religionen genannt. Die Namensversion auf Arabisch lautet »Ibrahim«.

ab ca. 2000 v. Chr.

HETHITER    Neben Babyloniern, Assyrern, der minoisch-kretischen Kultur und Ägypten gab es im Vorderen Orient ab etwa 2000 v. Chr. noch das Großreich der Hethiter. Es umfasste einen Teil der heutigen anatolischen Türkei. Bereits bei den Griechen der klassischen Antike war das Hethiter-Reich gründlichst in Vergessenheit geraten. Erst im späten 19. Jahrhundert wurde es von Archäologen und Sprachforschern wiederentdeckt, und man erkannte sehr schnell, dass es sich um ein Volk mit indoeuropäischer Sprache handelte.

2000 v. Chr.

HATTUSA    Die Hethiter nannten ihr Reich »Hatti«. Die Ägypter, mit denen sie in diplomatischem und zuweilen auch feindlichem Kontakt standen, nannten sie Ht’, die hebräische Version lautet Hittim. Die Hauptstadt Hattusa (gesprochen: hattusch) ist noch immer nicht vollständig ausgegraben. Sie hatte unter anderem ein »Löwentor« und vermutlich auch Königsgräber.

Die Hethiter schufen ausgedehnte Steinbauten, besaßen ein hochstehendes Kunsthandwerk und schrieben ihre Sprache in Keilschrift. Hauptsächlich über die benachbarten Assyrer trieben sie Handel mit ganz Mesopotamien. Ihr Regierungssystem war eine Art Feudalsystem mit einem König an der Spitze. Sie gehörten zu den ersten, die Eisen verarbeiten konnten, was ihnen im Konzert der vier Großmächte der Bronzezeit eine herausragende Stellung verlieh. König Muršili, plünderte Babylon 1530 v. Chr. und besiegelte damit das Ende der Dynastie Hammurapis. Die berühmteste Verbindung aber bestand zu einem Ort, den die Hethiter »Wilusa« nannten. Es könnte ein Vasallenstaat, ein bronzezeitliches Kleinkönigtum oder ein Handelspartner gewesen sein. Womöglich handelte es sich bei diesem »Wilusa« um das griechische Wilios / Ilios / Ilion, den Namensgeber für die Ilias, zu Deutsch: Es handelte sich um Troja.

ca. 2500 v. Chr.

DER SCHATZ DES PRIAMOS    Auf oder eher in (!) einem Hügel beim heutigen westtürkischen Hisarlik entdeckte Heinrich Schliemann (1822–1890) auf der Suche nach dem Troja der Ilias eine eindrucksvolle Ruinenstadt. Gleich zu Beginn der Ausgrabungen 1871 war klar: Hier befanden sich mehrere Siedlungsschichten, die von der Antike über die Bronzezeit bis hinunter in die Jungsteinzeit übereinander gelagert waren.

Die ältesten fünf Schichten der Stadt stammen nach den gegenwärtigen archäologischen Befunden aus der Zeit nach 3000 v. Chr. Der sogenannte »Schatz des Priamos« gehört eindeutig zur Schicht Troja II (2600–2300 v. Chr.). Damit ist er rund 1000 Jahre älter als die Schicht, die man mit dem legendären Untergang der Stadt im Trojanischen Krieg in Verbindung bringt. Diesen ordnet man der von offensichtlich starken Zerstörungen gekennzeichneten Schicht VIIb zu, also einer wesentlich jüngeren – falls der homerische Krieg um Troja tatsächlich vor dem Hisarlik-Hügel stattfand.

Auf jeden Fall aber war Troja II ein frühbronzezeitlicher Nachbar von Hattusa. Der aus rund 8000 Edelmetall-Stücken bestehende Schatz ist ein eindrucksvoller Beleg für die Bedeutung und den Reichtum der Stadt. Sie lag schon damals strategisch günstig an wichtigen Fernhandelswegen genau gegenüber der Meerenge der Dardanellen. Über sie sollten noch viele Einwanderungs- und Eroberungswellen hinweggehen.

Übrigens: Der am 31. Mai 1873 gefundene »Schatz des Priamos« befand sich bis 1945 in Berlin und wurde als Kriegsbeute nach Russland verschleppt. Noch immer befindet er sich in den Gewölben des Puschkin-Museums in Moskau.

1274–1260 v. Chr.

DER ÄLTESTE FRIEDENSVERTRAG: KADESCH    Nach dem frühen Tod des später weltberühmt gewordenen ägyptischen Pharaos Tutenchamun schickte dessen Witwe eine Gesandtschaft nach Hattusa und machte dem hetithischen König Schuppiluliuma I. einen Vorschlag. Sie wolle einen seiner Söhne heiraten und ihn zum Pharao machen. Die Nachricht über den diplomatischen Austausch hat sich erhalten und zeigt, dass sich Hatti und Ägypten als gleichrangig betrachteten.

Schuppiluliuma hatte Nordsyrien erobert. Das ägyptische Großreich war bereits seit 100 Jahren im benachbarten Libanon präsent. Wenige Generationen später kam es zur welthistorisch ersten Auseinandersetzung zweier Großmächte: Hatti und Ägypten rangen um die Vorherrschaft in der Levante.

Der hethitische König Muwatalli trat um 1280/1270 v. Chr. weiteren Expansionsbestrebungen der Ägypter unter Ramses II. entgegen. Im heutigen syrisch-libanesischen Grenzgebiet, nahe der Festung Kadesch, boten beide Seiten die für damalige Verhältnisse ungeheure Anzahl von 20000 Kämpfern für eine Schlacht auf. Die pharaonische Propaganda feierte einen großen Sieg. Ramses’ Tempelbauten, zumal in Abu Simbel, sind bedeckt mit Darstellungen des kämpfenden Pharao – dabei musste er froh sein, dass die Schlacht unentschieden ausgegangen war und Muwatalli nicht weiter vordrang. Um 1260 v. Chr. schlossen der neue hethitische König Hattusili III. und Ramses den ältesten schriftlichen Friedensvertrag der Welt. »Kopien« des ägyptisch-hethitischen Vertrages von Kadesch in akkadischer Keilschrift für die Hethiter und als Hieroglyphen-Text vom Tempel in Karnak befinden sich heute im UNO-Gebäude in New York.

3000/2000 v. Chr.

KRETA, MINOS UND DIE MINOISCHE KULTUR    Die Anfänge der kretischen Zivilisation gehen zurück bis in die sumerisch-akkadische Zeit und die ersten Dynastien in Ägypten um 3000 v. Chr. Sie ist nicht griechisch und kennt keine Zeus-Religion. Im Mittelpunkt der religiösen Vorstellungen der Kreter stand offenbar ein Stierkult. Die einzige bekannte Figur ist »König Minos«, der legendäre Erbauer des ebenso legendären Labyrinths, in dem der stierköpfige Minotaurus hauste. »Minos« war aber eher ein Königstitel und nicht der Name einer historischen Person. Die »Minosse« kann man etwas großzügig als Zeitgenossen Hammurapis bezeichnen. Sie beendeten irgendwann in der langen Zeitspanne zwischen 3000 und 2000 v. Chr. im Ostmittelmeer das Piratenwesen und ermöglichten so einen sicheren Handel in der Region. Schon damals bestanden enge Handels- und Kulturkontakte zu den Kykladen, zur hethitisch-phönizischen Levante und zu Ägypten.

Um 2000 v. Chr. begann der Palastbau auf Kreta. Der britische Archäologe Sir Arthur Evans (1851–1941) entdeckte und ergrub 1900 bis 1903 die Paläste von Knossos (minoisch ku-nu-ša). Er verband sie mit dem aus der Sage bekannten Königsnamen und bezeichnete die kretische als »minoische« Kultur.

2100–1700 v. Chr.

DER PALAST VON KNOSSOS    Etwa gleichzeitig mit Hammurapi und der 12. Dynastie in Ägypten setzte die »Palastkultur« in Kreta ein. Wie im Alten Orient und später in Mykene war ein »Palast« (oder ein Tempel) Herrschafts- und Wirtschaftszentrum zugleich. Knossos stieg zur stärksten Macht Kretas auf. Sein Palast mag als Vorbild für das sagenhafte Labyrinth des Minotaurus gedient haben. In der – griechischen – Sage liegt der Ursprung von Redewendungen wie der vom Ariadnefaden (der sprichwörtliche »rote Faden«) und vom Flug des Ikarus, bei dem abstürzt, wer leichtsinnig zu hoch hinaus will. Die Hochblüte der minoischen Kultur setzte um 2000 v. Chr. dramatisch schnell ein, da ihr die Bronzeverarbeitung einen enormen technisch-wirtschaftlichen Schub verlieh.

In den Palästen gab es jede denkbare Art von Wohnluxus, komplett mit Toilette, Badewanne, Balkon und Kühlräumen. Höhepunkte der minoischen Kunst sind Wandmalereien von schlanken jungen Männern, die über Stiere springen, und jungen Frauen mit bemerkenswert schmaler Taille sowie von Delfinen aus dem ebenfalls zum minoischen Kulturbereich gehörenden Santorin.

Die höfische Kultur in den minoischen Palästen war die erste urbane Zivilisation auf europäischem Boden. Um 1700 v. Chr. wurde sie durch eine Naturkatastrophe, womöglich die vulkanische Explosion der Insel Thera (Santorin) oder ein Erdbeben, vorübergehend zerstört.

Was danach geschah: Der Wiederaufbau erfolgte rasch. In den beiden Jahrhunderten um 1600 v. Chr. erlebte Kreta eine zweite, noch glanzvollere Blütezeit mit diplomatischen Beziehungen zu den Hyksos in Ägypten, minoische Handwerker bauten sogar Paläste für die Hyksos. In einem Erdbeben und nachfolgender Flutwelle ging die Flotte und damit die Vorherrschaft auf See verloren. Diese übernahmen fortan die griechischsprachigen Achäer. Tontafelzeugnisse weisen darauf hin, dass seit etwa 1450 v. Chr. achäische Griechen aus Mykene die herrschende Schicht in Kreta bildeten. Beide Kulturen beeinflussten sich gegenseitig, und es entstand eine mykenisch-minoische Mischkultur, kurz bevor die Seevölker gerade in der Ägäis besonders zerstörerisch wirkten. Mykene, Knossos, Troja – alles ging unter.

1800 v. Chr.

PHÖNIZIER I    Das später von den Griechen so genannte Phönizien (heute: Libanon, Westsyrien, Südtürkei) war eine zersplitterte politische Landschaft reiner Stadtstaaten: Tyros, Sidon, Byblos, Ugarit oder das kürzlich wiederentdeckte Qatna und einige andere. Die »Phönizier« kannten kein »Nationalbewusstsein«, sondern identifizierten sich mit ihrer jeweiligen Heimatstadt. Deswegen gab es auch nie ein »phönizisches Reich«. Die Stadtstaaten gerieten fortwährend in wechselnde Tributabhängigkeiten von den umgebenden hethitischen oder ägyptischen Großmächten. Nach der eisenzeitlichen Wanderung wurde das Gebiet politisch meist von den Assyrern dominiert.

In der klimatisch sehr begünstigten Gegend gab es viel Gartenanbau, vielleicht stammt der Wein sogar dorther. Und wegen der zentralen geografischen Lage betrieben die Phönizier seit jeher Handel nach allen Richtungen. Von einem ihrer Exportschlager entlehnten später die Griechen den Namen des Volkes: Mit dem Saft der Purpurschnecke phoinix färbten die Phönizier ein begehrtes Luxusgut: purpurfarbenes Tuch. Ihr einzigartiges kulturelles Vermächtnis an die Welt ist die Entwicklung des phönizischen Alphabets.

1750 v. Chr.

ALPHABET I    Um 1750 v. Chr., kurz bevor die älteren minoischen Paläste durch Erdbeben einstürzten, begann in der phönizischen Welt bis hinunter zum Sinai eine Entwicklung in der Geschichte der Schrift, die etwa 500 Jahre andauerte und an deren Ende das phönizische Alphabet stand, dessen direkten Nachfolger der Leser hier unmittelbar vor Augen hat. Das phönizische ist die Mutter aller Alphabete. Die hebräischen, arabischen, griechischen und die lateinischen Buchstaben sind daraus hervorgegangen, natürlich auch die kyrillischen.

Die durch fruchtbaren Ackerbau und ausgedehnte Handelsbeziehungen im gesamten damaligen Orient vernetzten phönizischen Stadtstaaten waren kulturelle Schmelztiegel. Man kannte und beherrschte die Schriftsysteme der Nachbarn (Keilschrift, ägyptische Hieroglyphen, die kretische Hieroglyphenschrift Linear-A). Da muss der Gedanke an Vereinheitlichung und Vereinfachung aufgekommen sein, ebenso wie die geniale Idee, Zeichen nur noch als Symbol für einen Laut zu benutzen und nicht länger als Chiffre für eine Silbe oder ein Wort. Bei den Phöniziern lehnten sich viele Zeichen in ihrer äußeren Gestalt an ägyptische und kretische an, doch die Formen der »Buchstaben« wurden im Lauf der Jahrhunderte immer einfacher, damit man immer flüssiger schreiben konnte.

Diese Entwicklung war kein »Sprung« oder Geistesblitz eines Einzelnen, sondern ein Prozess. Im Vergleich mit den vorhergehenden rund anderthalbtausend Jahren, in denen die alten Hochkulturen ihre Schriftsysteme äußerlich und strukturell viel weniger entwickelt hatten, erscheint es im Nachhinein als beachtlicher Durchbruch. Dabei war das Endprodukt keineswegs aus einem Guss. Gerade in der Anfangsphase gab es viele lokale nordsemitische und südsemitische (im Sinaigebiet) Varianten. Die für die Weltkultur entscheidende Entwicklung vollzog sich jedoch ab 1750 v. Chr. im nordpalästinensisch-syrischen Raum bei den Phöniziern und war um 1250 v. Chr. abgeschlossen. Die Griechen übernahmen dieses Alphabet etwa 100 bis 200 Jahre später. Bevor es dazu kam, mussten sie aber erst einmal in die Ägäis einwandern.

Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?: Weltgeschichte - alles, was man wissen muss
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