ALTORIENTALISCHE KULTUREN
DER BRONZEZEIT

Im Fruchtbaren Halbmond im Vorderen Orient waren die Menschen als Ackerbauern in Tell-Kulturen früher sesshaft geworden (ab 8000 v. Chr.) als im europäischen Raum (ab 5500 v. Chr.). Während in Europa reetgedeckte Pfahlbaudörfer der Bandkeramiker und Trichterbecherkeramiker entstanden und man am Warnasee schon sehr hübsch Gold schmieden konnte, lebten auch die Menschen in den großen Flussoasen an Tigris, Euphrat und Nil in dörflichen Gemeinschaften. Auch sie töpferten, webten, benutzten Steinwerkzeuge und bearbeiteten Kupfer. Schon vor 3000 v. Chr. verbreitete sich die neue Technologie der Bronzeherstellung im Alten Orient, ab 2200 dann auch in Europa.

vor 3500 v. Chr.

SUMERER    Das älteste Kulturvolk im Orient hat seinen Namen von der unmittelbar nachfolgenden Kultur: Die Akkader nannten sie šumeru.

Allerdings waren die Sumerer kein semitisches Volk wie die Akkader. Ihre Herkunft ist unbekannt. In der Frühzeit ihrer Geschichte siedelten sie in mehreren Dutzend Städten, die auf Hügeln gebaut und von Mauern umgeben waren. Jede fasste nahezu 50000 Einwohner. Einzelne Stadtviertel gruppierten sich um den Tempel einer lokalen Gottheit, der Tempel des wichtigsten Wohnviertels beherbergte die Stadtgottheit. Zunächst bearbeiteten die Sumerer nur das Land in der Umgebung, selbst die Ackerbauflächen der Aristokratie umfassten nur wenige Hektar. Ansonsten lag zwischen den Städten unwirtliches Ödland. Erst die Entwicklung der Bewässerungstechnik ermöglichte allmählich die Ausweitung der Territorien. Wo diese aneinanderstießen, ergaben sich erbitterte Kämpfe um die Vorherrschaft, ein Hauptzug der sumerischen Geschichte, die im Detail nicht rekonstruierbar ist. Zentren der Sumerer waren Städte wie Ur, Uruk, Nippur, Lagasch, im Süden des heutigen Irak, nahe des Persischen Golfs. Das alles geschah ungefähr zu der Zeit, als in Pfahlbausiedlungen am Mondsee und in Pfyn die ersten Kupfergegenstände auftauchten.

ca. 3500 v. Chr.

DIE STÄDTE DER ZIKKURATE: UR UND URUK    Spätestens ab Mitte des 4. Jahrtausends waren Ur und Uruk neben der ursprünglichen Obed-Stadt Eridu die ältesten sumerischen Stadtstaaten. Eine Zeit lang war das damals direkt am Euphrat gelegene Ur die dominierende Metropole. Hauptgötter der Sumerer waren der Himmelsgott An, für den schon vor 3000 v. Chr. ein hoher Tempel errichtet wurde, sowie die Inanna/Ischtar, die »Venusgöttin«. Die hoch ragenden Stufentempel (akkadisch Zikkurat = »Götterberg«) lassen sich seit 3500 v. Chr. archäologisch nachweisen; man kennt ungefähr 25 davon. Diese bemerkenswerte bautechnische Leistung erscheint auch im Alten Testament der Bibel »chronologisch« früh, nämlich bereits in der Genesis, im ersten Buch Mose im Zusammenhang mit der »Sprachverwirrung« der am Hochbau beteiligten »Völker«. Mangels exakter historischer Kenntnis der Frühgeschichte nannte ihn die Bibel »Turm von Babel«. Die Zikkurat-Tempelpyramiden sind aber sumerischen Ursprungs. Babylon entstand erst später.

In der Hochblüte der sumerischen Kultur mit Keilschrift und Tempelpyramiden entwickelte sich Jahrhunderte später Uruk zur ersten Großstadt der Welt, in der über 100000 Menschen wohnten. Uruk ist das biblische Erech. Die Errichtung einer zehn Kilometer langen Stadtmauer um 2500 wird König Gilgamesch zugeschrieben. Die Königsdynastien der Sumerer sind erst ab etwa 2500 aus »Königslisten« fassbar und geben vage Anhaltspunkte für historische Abläufe. Die Funde von Waffen und Schmuck aus den Königsgräbern zeugen vom hohen Stand der Metallurgie. Typisch für sumerische Menschendarstellungen in Statuen und auf Reliefs sind die Augen mit den »Augenringen«.

3200 v. Chr.

KEILSCHRIFT    entwickelte sich genau wie die Hieroglyphen und wie unser Alphabet aus der Abstrahierung von Bildzeichen. Die ältesten Zeichen waren Bilder mit entsprechender Bedeutung: Essschale = Essen; drei Berggipfel = Gebirge. Im Lauf der Zeit wurden komplexere Begriffe aus mehreren Zeichen zusammengesetzt, und der Lautwert spielte eine wichtige Rolle, wie bei der Entwicklung des Alphabets auch. Die Keilschrift wurde nicht mit groben Keilen, sondern mit kleinen Griffeln aus Holz oder Rohr in weichen Ton eingedrückt. Wenn der Ton trocknete, blieb die »Schrift« erhalten.

Gelehrten des 19. Jahrhunderts n. Chr. ist es gelungen, die überlieferten Keilschrifttafeln zu entziffern. Dabei stellte sich heraus, dass es sich hauptsächlich um Vorratslisten, Rechnungen und Verträge handelte: Sobald die Gesellschaften arbeitsteiliger wurden, musste man den Warenstrom dokumentieren und die Vorratswirtschaft für die Tempel und Paläste organisieren: Buchhaltung war die erste Form der »Literatur«, keine mythischen Urworte. Die ältesten, noch sehr bildhaften Keilschrifttafeln datieren von 3300 v. Chr., also aus der Ötzi-Zeit, doch erst um 2700 entwickelte sich daraus die abstraktere Keilschrift. Diese konnte dann von den Hethitern für ihre ganz andere, nämlich indogermanische Sprache verwendet werden.

Unsere Kenntnis der Sumerer ist noch recht jung. Weder in der griechisch-römischen Antike und nicht einmal in der Goethe-Zeit hatte man einen Begriff und eine Vorstellung von »sumerisch«. Man hielt die Akkader, von denen die Bibel berichtet, für das älteste Volk des Orients.

2700 v. Chr.

SINTFLUT UND GILGAMESCH    In Eridu im heutigen Irak, der Stadt mit der ältesten sumerischen Kulttradition (5. bis 4. Jahrhundert v. Chr.), haben sich Königslisten erhalten, die in Abschnitte »vor der Flut« und »nach der Flut« unterteilt sind. »Vor der Flut« werden nur mythische Könige mit jahrtausendelanger Regierungszeit genannt. Möglicherweise lag dazwischen in vor- oder frühsumerischer Zeit eine lang anhaltende Wetterverschlechterung mit verheerenden Regenfällen und Überschwemmungen, die so einschneidend war, dass sie sich den Menschen tief ins Gedächtnis gegraben hatte.

Die Erinnerung an eine »große Flut« findet sich auch im ältesten bekannten Epos der Menschheit, im sumerisch-akkadischen Gilgamesch. Wie in der Bibel gehört dort das Bild einer Arche zur Sintflut. Tontafelfunde berichten von einem König Zi-usudra, der im Zusammenwirken mit dem Weisheitsgott Enki eine Arche baute, um die Flut zu überstehen.

Sehr kurz gesagt ist die Gilgamesch-Sage die Geschichte eines legendären riesenhaften sumerischen Königs, der vielleicht zur Pyramidenzeit lebte und, oftmals in Begleitung seines Freundes und Dieners Enkidu, durch Kriegszüge und Abenteuer Ruhm und Unsterblichkeit gewinnen wollte. Das Kraut der Unsterblichkeit konnte er aber nicht erlangen. Gilgamesch verlor seinen geliebten Freund Enkidu wegen des Zorns der Ischtar. Denn die Menschen, so die Kernaussage des Mythos, sind gegen den Willen der Götter machtlos.

ca. 2500 v. Chr.

DAS ERSTE WELTREICH: AKKAD    Auf die Sumerer folgten die Akkader, die erstmals über andere Völker als das eigene auf einem großen Territorium herrschten. Die alte Geschichtsschreibung sah in diesem ersten akkadischen Territorialreich die Weltherrschaftsidee »alle Völker unter einem Zepter« verwirklicht. Im Mittelalter spielte diese Vorstellung eine große Rolle.

Niemand weiß, wo die Hauptstadt Akkad wirklich lag. Jedenfalls nicht im Süden am Persischen Golf wie die sumerischen Stadtstaaten, sondern in Mittelmesopotamien, vermutlich in der Umgebung des späteren Babylon. Der Gründer von Stadt und Reich der Akkader und deren erfolgreichster Herrscher war Sargon. Die Akkader waren ein semitisches Volk und aus dem später arabisch genannten Raum zugewandert. Sie übernahmen wesentliche Teile der sumerischen Kultur, insbesondere die Keilschrift und den Götterhimmel.

INANNA, VENUS, MORGENSTERN    Die sumerisch-akkadische Götterwelt ist genauso vielfältig wie die griechisch-römische; Götter gab es wie Sand am Meer – oder wie Sterne am Himmel, denn die altbabylonischen Kulturen vergöttlichten den Sternenhimmel.

Inanna alias Ischtar alias Astarte war die Stadtgöttin von Uruk und die beliebteste aller Göttinnen. Der ihr zugeordnete Planet war der lieblich leuchtende »Morgen-« bzw. »Abendstern«. Bis in die Gegenwart ist so die Planetenbezeichnung Venus direkt mit Ischtar verbunden. Sie war die große weibliche Göttin, Liebesgöttin, Mutter- und Fruchtbarkeitsgottheit, konnte aber auch eine grausame zerstörerische Kriegsgöttin sein. Ihr erotischer Aspekt lebt in der griechisch-römischen Aphrodite/Venus fort. Inanna ist die sumerische, Ischtar die semitisch-babylonische Namensform. In westsemitischen Kulturen, also mehr zum Mittelmeer hin, lautete die Namensform Astarte oder Aschera. In der frühsemitischen Götterüberlieferung figurierte Aschera sogar noch als Göttergattin des El, ein früher Name für den biblischen Jahwe.

ca. 2000 v. Chr.

ASSUR    Das älteste assyrische Reich entstand im mesopotamischen Norden und ist nach dem Hauptgott Assur benannt: ein Fruchtbarkeits- und Berggott, kein »Herr im Himmel«. Die Assyrer waren Semiten und sind bis heute die Namensgeber für »Syrien«.

Assur war zunächst ein Stadtstaat am Oberlauf des Tigris auf der Höhe des heutigen Mossul, der von dem lebhaften Handel zwischen dem rohstoffarmen Mesopotamien und Anatolien und dem iranischen Hochland profitierte und sich zum Flächenstaat ausdehnte. Hier lag die Keimzelle der späteren assyrischen Weltmacht. Zuvor begann in Mesopotamien die ebenso reale wie legendäre Geschichte Babylons.

Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?: Weltgeschichte - alles, was man wissen muss
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