DER HUNDERTJÄHRIGE KRIEG

In diesem Krieg bildet sich neben der englisch-französischen Erbfeindschaft erstmals durch die »enge Gegnerschaft« auch ein nationales Bewusstsein bei beiden staatlich einigermaßen gefestigten Nationen aus. Diese Erbfeindschaft war jahrhundertelang eine verlässliche Konstante der europäischen Politik. Sie endete erst mit der Entente cordiale um 1900, als man sich gegen einen gemeinsamen Gegner wandte: Deutschland.

ab 1337

ERBFEINDSCHAFT    Der englische König Johann Ohneland hatte bei Bouvines die Normandie und Anjou, den Stammbesitz der Familie Plantagenet, verloren und musste die Magna Charta unterschreiben. Ihm folgte Heinrich III., der gezwungen war, das parliamentum anzuerkennen, dann folgten drei Eduarde. Frankreich hatte seit 1340 zwei Könige: den französischen König Philipp VI. aus dem Haus Valois und den dritten Eduard aus England. Edward III. hatte gute dynastische Argumente für seinen Anspruch auf die französische Krone. Die Engländer hofften auch auf eine Revanche für Bouvines und die Rückeroberung ihrer 1214 verloren gegangenen französischen Gebiete. Es wäre ihnen beinahe geglückt.

1337 schickte Edward die ersten englischen Truppen nach Frankreich, er und seine unmittelbaren Nachfolger behaupteten ihre Stellung fast 100 Jahre lang erfolgreich. Berühmte Schlachten waren Crécy (1346) und Azincourt (1415); in beiden waren die Engländer gegen die Ritterheere Frankreichs zahlenmäßig glatt unterlegen, gewannen aber wegen ihrer »modernen« Fernwirkungswaffen, den Langbogenschützen. 1356 geriet ein französischer König (Johann II.) in englische Gefangenschaft und kam nur gegen ein hohes Lösegeld wieder frei: 3 Millionen Goldstücke plus (!) die Provinzen Gascogne, Limousin, Calais. Der englischen Krone gehörte zeitweise mehr als halb Frankreich.

Was danach geschah: 1428 war die Lage für den jungen französischen König Karl VII. verzweifelt. Er war nicht gekrönt, denn die Engländer hatten den Norden einschließlich Paris bis zur Loire besetzt. Nur Orléans, direkt am Nordufer der Loire gelegen, war noch in französischer Hand. Diese Festung mussten die Engländer knacken, dann war für sie der Weg über die Loire auch nach Süden frei. Doch die entscheidende Wende im Hundertjährigen Krieg zugunsten der Franzosen nahte in Gestalt der beinahe überirdischen Erscheinung von Jeanne d’Arc.

ca. 1412–1431

JEANNE D’ARC, DIE »JUNGFRAU VON ORLÉANS«    Die um 1412 geborene Jehanne war die Tochter des Bauern Jacques Darc und konnte weder schreiben noch lesen. Mit dreizehn Jahren will sie Engels- und Heiligenvisionen gehabt haben: Sie sollte Frankreich von den Engländern befreien und den Dauphin zur Krönung nach Reims geleiten. Im März 1429 erschien Jehanne vor dem Dauphin in Château Chinon. Wie sie Karl VII. von ihrer Mission überzeugen konnte, ist nicht bekannt, aber sie erhielt eine Rüstung und konnte mit einer kleinen Expeditionseinheit in das eingeschlossene Orléans vordringen. Die französischen Truppen wagten unter ihrer Leitung im Mai einen Ausfall gegen die Stellung der Engländer. Diese traten umgehend den Rückzug an. Im Juli geleitete Jehanne den Dauphin nach Reims. Am 17. Juli stand sie neben dem Altar, als Karl VII. in der Kathedrale gekrönt wurde. Gegen den Willen des Königs gelang ihr anschließend noch die Befreiung von Paris.

Im Mai 1430 wurde Jehanne von burgundischen Soldaten gefangen genommen. Die Burgunder lieferten sie an die verbündeten Engländer aus, die ihr wegen angeblicher Ketzerei den Prozess machten. Am 30. Mai 1431 wurde Jeanne d’Arc in Rouen auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Was danach geschah: Nach 1435 gaben die Burgunder ihr Bündnis mit England auf, und die Franzosen begannen etappenweise mit der Rückeroberung. Diese war 1453 mit der Einnahme von Bordeaux abgeschlossen. Der Hundertjährige Krieg war beendet. Mehr oder weniger direkt mit ihm im Zusammenhang stehen die englischen

1455–1485

ROSENKRIEGE    Wappen werden oft von symbolischen Tieren geziert. Auch Pflanzen können solche Wappenzier sein. Im Falle des englisch-französischen Adelshauses der Plantagenet ist der Ginster (planta genista) sogar namensgebend für die Dynastie. Die Plantagenets waren von Heinrich II. bis zu dem dekadenten Richard II., also von 1154 bis 1399, Könige von England.

Nach der Absetzung des kinderlosen Richards II. stritten zwei Seitenlinien der Dynastie, York und Lancaster, um die Thronansprüche. Die Anwärter waren also verwandt, da sie von zweiten oder dritten Söhnen Edwards III. abstammten. Jede dieser beiden Seitenlinien führte eine Rose im Wappenschild: York eine weiße und Lancaster eine rote Rose.

Zunächst regierten zwei Lancaster, Heinrich IV. und sein Sohn Heinrich V., von 1413 bis 1422 und führten den Hundertjährigen Krieg gegen Frankreich fort. Aber unter Heinrich VI. wendete sich das Blatt auf dem französischen Kriegsschauplatz, und die Engländer gerieten in die Defensive. Für den geistesschwachen Heinrich VI. führten Regenten die Herrschaft, und angesichts der sich verschlechternden Situation erhob nun Richard von York seine Thronansprüche. In der Folge entwickelte sich ein Intrigantenstadel mit Mord und Totschlag und Einkerkerungen im Tower, an dem sich auch Königinnen und Königinmütter beteiligten. Seit 1455 wurde der Familienstreit auch militärisch ausgetragen. Praktisch der gesamte Hochadel hielt entweder zur einen (Hofpartei) oder zur anderen Seite (Adelspartei). Wegen der vielen Schlachten mit ihren vielen Gefallenen in diesem Adelsbürgerkrieg war am Ende die englische Hocharistokratie völlig ausgeblutet.

Lachender Dritter war ein Verwandter der »roten Rose« der Lancasters, Heinrich Tudor, der den letzten Vertreter der »weißen Rose« der Yorks, Richard III. besiegte, aber eine Erbin Yorks heiratete. Er bestieg als Heinrich VII. den Thron und konnte mangels ernst zu nehmender Gegner aus dem Adel fast schon absolutistisch regieren.

Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?: Weltgeschichte - alles, was man wissen muss
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