DAS ENDE DER
RÖMISCHEN REPUBLIK
Zu viele römische Kleinbauern waren nach den Punischen Kriegen den Anforderungen des Militärdienstes nicht mehr gewachsen. Die Situation war dramatisch und die Wehrfähigkeit massiv beeinträchtigt.
133–121 v. Chr.
AGRARREFORM DER GRACCHEN Als Soldaten mussten die Bauern ihre Ausrüstung aus eigenen Mitteln aufbringen. Im römischen Volksheer gab es keine staatlichen Rüstkammern und keinen Sold. Zudem konnten sie während der Feldzüge ihre Äcker nicht mehr bewirtschaften, während sich die vermögenden Adligen die inzwischen eroberten Territorien, eigentlich römischer Staatsbesitz (ager publicus), durch billigen Kauf unter den Nagel gerissen hatten.
Zwei Brüder aus der Familie der Gracchen versuchten als Tribunen, durch Agrarreformen und andere Maßnahmen die Verarmung und Verschuldung der Kleinbauern zu verbessern und ein politisches Gegengewicht zum Senat zu schaffen. Die beiden Gracchen waren Adlige. Ihre berühmte Mutter Cornelia stammte direkt aus der Familie der Scipionen, der Hannibal-Bezwinger.
Die heftigen Kämpfe um die beabsichtigte Reform der Bodenbesitzverhältnisse bestanden aus einem Hin und Her von Volksbeschlüssen, Senatsbeschlüssen, Anträgen, Wahlmanövern. Das republikanische Rom geriet in eine Verfassungskrise. Dahinter standen handfeste Machtinteressen Einzelner und das letztlich obsiegende Beharrungsvermögen des Senats, der die Großgrundbesitzer- und Finanziersinteressen vorläufig wahren konnte.
Der ältere Gracche Tiberius wurde 133 v. Chr. von der Senatsopposition erschlagen, außerdem ungefähr 300 seiner Anhänger. Sein elf Jahre jüngerer Bruder Gaius, der Tiberius unterstützt und nach dessen Tod sein politisches Erbe übernommen hatte, beging 121 v. Chr. bei einem Aufruhr in auswegloser Situation Selbstmord.
Was danach geschah: Die Probleme konnten mit den Instrumenten der altrepublikanischen Verfassung nicht gelöst werden. Die Gracchen waren den Beharrungskräften im Senat buchstäblich zum Opfer gefallen. Das Volk brauchte doch den starken Führer. Es setzte zunächst auf den Heeresreformer Marius. Oder umgekehrt: Dieser setzte auf das Volk, um die Macht zu gewinnen. (Cäsar machte es dann genauso.)
107 v. Chr.
LEGIONÄR Gaius Marius (156–86 v. Chr.) war ein ausgezeichneter Soldat und hatte als Nicht-Adliger eine beispiellose Ämterlaufbahn absolviert. Neben seinen militärischen Erfolgen war die Heeresreform seine wichtigste politische Unternehmung. Erst durch ihn wurde um 107 v. Chr. das römische Heer von einer Volksarmee in ein Berufsheer umgewandelt, und erst durch diese Professionalisierung erhielten die römischen Legionen ihre Schlagkraft, die zum Zusammenhalt des Imperiums notwendig war. Die Legionäre aber waren auf ihre jeweiligen Feldherrn eingeschworen, spielten also als Machtinstrument in der Innenpolitik eine wesentliche Rolle. Das war während des alsbald anhebenden Bürgerkrieges so und setzte sich bis in die späte Kaiserzeit fort, als Heerführer von ihren Truppen zu Kaisern ausgerufen wurden.
113–101 v. Chr.
FUROR TEUTONICUS Seit 113 v. Chr. zitterte Rom angesichts der Nachricht, dass ein römisches Heer von Kimbern und Teutonen geschlagen worden war, kurz bevor diese italischen Boden erreichten. Die römischen Gemüter beruhigten sich keineswegs, als die Legionäre 105 v. Chr. bei Arausio (Orange) in der Provence noch eine Niederlage erlitten. Erst Marius schlug die Teutonen 102 bei Aix-en-Provence, die Kimbern 101 v. Chr. beim norditalischen Vercelli.
Seit dem Keltenangriff 387 unter Führung des Brennus (Vae victis!) fuhr den Römern bei solchen Invasionsversuchen sofort der Schrecken in die Glieder. Die Kimbern und Teutonen waren vermutlich wegen einer Klima- und Ernteverschlechterung von der Nordsee oderaufwärts bis an die Alpen gezogen. Sie waren die ersten Germanen, die die Römer zu Gesicht bekamen.
Deren blindwütige, berserkerhafte Kampfweise muss bei den Römern einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben. Etwa 150 Jahre später sprach der römische Historiker Lukan (39–65 n. Chr.) in Erinnerung daran vom furor, dem Rasen und Wüten der Teutonen. »Teutonen« ist dabei ganz konkret als Stammesname gemeint. Eine sprachliche Verbindung zu dem Wort »deutsch« gibt es nicht. Diese Begriffsausdehnung fand erst in der Neuzeit statt. Zum geflügelten Wort wurde Furor teutonicus aber bereits im Mittelalter wegen der grimmigen Kampfesweise der Ordensritter in den slawischen Gebieten.
um 88 v. Chr.
RÖMISCHER BÜRGERKRIEG Der folgenreiche römische Bürgerkrieg hatte einen außenpolitischen Anlass: Mithridates, König von Pontos am Schwarzen Meer, hatte die in Kleinasien seit jeher siedelnden Griechen aufgewiegelt, Steuer- und Tributzahlungen an die Römer zu verweigern. Im Jahr 88 v. Chr. wurden 80000 Römer gleich welchen Alters oder Geschlechts in Ephesos an einem Tag ermordet. Das war ein gewaltiges Blutbad. Vom Senat (den »Optimaten«) wurde der in seiner Jugend verarmte Adlige Sulla (ca. 138–74 v. Chr.), der 88 Konsul war, mit dem Oberbefehl über die Truppen gegen Mithridates betraut und beinahe gleichzeitig vom Volk (den »Popularen«) der Teutonenbezwinger Marius. Damit offenbarte sich ein innenpolitischer Konflikt zwischen diesen beiden »Parteien«, der äußerst blutig ausgetragen wurde. Mal hatten die Optimaten, mal die Popularen Oberwasser. Jede Partei rächte sich grausam an der anderen.
PROSKRIPTIONSLISTEN Nach jedem Machtwechsel und bis in die Zeit der ebenfalls bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen Octavian (der spätere Augustus) und Marc Anton 43 v. Chr. wurden die Köpfe der prominenten Ermordeten vor den Rednertribünen auf dem Forum aufgespießt, Leichen lagen unbestattet herum, die Häuser samt der Hausangestellten wurden geschändet, das Vermögen eingezogen, die Kinder und Enkel der Geächteten ermordet. Insbesondere Sulla bediente sich in den ersten beiden Jahren seiner Diktatur dieser »Reichsacht«. Die Geächteten waren nicht nur vogelfrei, sie wurden regelrecht gejagt, weil man Belohnungen für sie aussetzte. Das Mittel der Politik war der gegenseitige Totschlag. So wurden die Proskriptionslisten zum Symbol für die gnadenlose Härte des römischen Bürgerkrieges. Manche gerieten nur aus Verdacht oder wegen der Habgier ihrer Nachbarn auf die Listen.
Auch der junge Cäsar, der Hocharistokrat, der seine Karriere später aber auf dem Ticket der Popularen machte, wurde von Sulla verfolgt – aber durch Interventionen Dritter gerettet. Die Tragödie des römischen Bürgerkrieges und der geradezu zwangsläufige Untergang der Republik bestand darin, dass der Senat, die republikanische Institution schlechthin, zur reinen Interessenvertretung der Aristokratie verkommen war. Der geldgierige Adel verfolgte mithilfe der Staatsinstitutionen nur seine eigenen finanziellen Interessen ohne Rücksicht auf das Volk. Der Versuch der Gracchen, den Kleinbauern nach dem Aderlass der Punischen Kriege eine wirtschaftliche Existenzgrundlage und die politischen Mitwirkungsrechte zu erhalten, war bereits im Vorfeld des Bürgerkrieges gescheitert. Die reformunfähige, modern gesprochen reaktionäre Partei der Optimaten mobilisierte in der Person Sullas alle Machtmittel der Unterdrückung, einschließlich Mord und Militär. Die senatorische Oberschicht wollte weiterhin nach Willkür herrschen und ungehindert ihren Reichtum mehren. Die Ironie der Geschichte: Nur zwei skrupellose Hocharistokraten höchsten staatsmännischen Zuschnitts – Cäsar und Augustus – waren in der Lage, die Pattsituation als Anführer der Popularen in zähem Ringen zu überwinden, damit der Staat die öffentliche Sicherheit wieder gewährleisten konnte.
100/102–44 v. Chr.
CÄSAR stammte aus verarmtem römischem Hochadel. Sein früher leicht zu merkendes Geburtsjahr 100 v. Chr. wurde schon im 19. Jahrhundert auf 102 v. Chr. korrigiert.
Mit ihm stand zum ersten Mal in Europa ein einziger Mann an der Spitze eines Weltreiches. Von seinem Namen leitet sich das deutsche Wort »Kaiser« her. Cäsar gilt als Realpolitiker par excellence. Er hatte keine politische Vision, außer, wie er selbst sagte, »der Erste und der Beste zu sein«. Das setzte er konsequent in die Tat um, unter Einsatz aller sich bietenden Machtmittel.
In Rom war der Staat zu Cäsars Zeit nicht nur durch den Bürgerkrieg erschüttert, sondern bereits seit längerer Zeit durch und durch korrumpiert. Vor allem die Provinzen, die von den Statthaltern rücksichtslos ausgepresst wurden, waren eine Beute einiger Adliger und Neureicher, die sich die Pfründe gegenseitig zuschoben. Die maximale Bereicherung war das einzige Ziel und erfolgte mit einer Brutalität, gegen die die Banker der Finanzkrise von 2008/2009 wie Erdnussfarmer wirken.
In diesem Milieu bewegte sich Cäsar völlig ungezwungen. Schon bevor er überhaupt ein Amt innehatte, hatte er sein Privatvermögen aufgebraucht und Millionenschulden zur Ämtergewinnung aufgehäuft. Seine Gläubiger waren ihm nach seinem Konsulat im Jahr 59 v. Chr. so hart auf den Fersen, dass sie ihn zunächst nicht nach Spanien zu seiner Statthalterschaft abreisen lassen wollten. Doch als er von dort nach knapp anderthalb Jahren zurückkehrte, beglich er seine Millionenschulden, überwies einen stattlichen Betrag an den Fiskus und machte erneut immense Schulden, um sich auf allen Seiten Wohlwollen zu erkaufen. Im Gallischen Krieg (58–51 v. Chr.) sanierte sich Cäsar – und seine Soldaten – erneut. Die Plünderung der keltischen Heiligtümer führte zu einer geradezu deflationären Abwertung des Goldpreises in Italien: Viel zu schnell wurden die Massen goldener Weihegaben eingeschmolzen und im wortwörtlichen Sinne umgemünzt.
In der Schlussphase seiner Machtergreifung am Rubikon setzte sich Cäsar über alle rechtlichen Bedenken hinweg, um in Rom alleiniger Konsul zu werden – was ihm auch gelang. Seinen letzten Gegner Pompejus verfolgte er im Herbst des Jahres 48 v. Chr. bis nach Ägypten. Anschließend genoss er das Zusammensein mit Kleopatra auf Kreuzfahrten mit prunkvollen Königsbarken auf dem Nil.
Während der verbleibenden zwei Jahre seiner Alleinherrschaft in Rom, nach der Rückkehr aus Ägypten, führte Julius Cäsar im Jahr 45 v. Chr. den in manchen Bereichen bis heute gültigen Julianischen Kalender ein. Der altrömische Mondkalender war völlig durcheinandergeraten und in Ägypten hatte er das bessere Modell kennengelernt. Cäsar war nun Alleinherrscher (griechisch mónarchos), musste sich aber hüten, einen dementsprechenden Titel anzunehmen, genauso wie sein Nachfolger Augustus.
63 v. Chr.– 14 n. Chr.
AUGUSTUS Gaius Octavianus, wie er zunächst hieß, war von eher schmächtiger Gestalt und vermutlich kaum größer als 1,65 Meter. Das Bild, das er der Mit- und Nachwelt von sich überlieferte, ist aber um vieles größer. Octavian/Augustus war ein hervorragender Propagandist und setzte die künstlerischen Mittel seiner Zeit, von der Statue bis zu den Dichtungen des Vergil und Horaz, dafür ein, sich zum Friedensfürsten zu stilisieren – der er dann auch tatsächlich war. Sein Beiname Augustus (»der Erhabene«) wurde ihm im Jahr 27 v. Chr. verliehen. Er wurde zum Markenzeichen seiner persönlichen Regentschaft.
Augustus wollte den Frieden; das Römische Reich erlebte unter ihm als Princeps eine Phase beispielloser äußerer Sicherheit, wirtschaftlicher und kultureller Blüte. Die von ihm erdachte Verfassung des römischen Staates hatte über 200 Jahre Bestand. Seine Person zeigte zwei Gesichter: Das friedensfürstliche war das eine, die gnadenlose Brutalität und Härte, mit der er 14 Jahre lang als sehr junger Mann um diese Position kämpfen musste, war das andere.
Der starke Mann in Rom unmittelbar nach Cäsars Tod war zunächst dessen Mitkonsul des Jahres 44 v. Chr. Marc Anton. Er konfiszierte Cäsars Vermögen. Augustus setzte als Cäsar-Erbe dessen Prestige und ungeheure – geliehene – Bestechungsgelder ein, um Cäsars Veteranen für sich zu gewinnen. Bevor er wirklich gegen Marc Anton vorgehen konnte, musste er allerdings mit ihm ein Zweckbündnis schließen, das zweite Triumvirat, um Cäsars Mörder auszuschalten, die republikanisch gesinnte Adelspartei im Senat. Augustus musste die pekuniären Versprechungen an seine Soldaten einlösen. Erneut wurden Proskriptionslisten aufgelegt. Willkürlich und brutal wie einst Marius und Sulla ging er gegen die Senatoren und reichen Römer vor. 300 Angehörige des Senatsadels und 2000 reiche Römer und Ritter wurden ermordet und ihr Vermögen konfisziert, selbst das von Kindern, Frauen und Tempeln. Im Jahr 42 v. Chr. besiegte Marc Anton bei Philippi in Makedonien das noch verbliebene Republikanerheer der Cäsar-Mörder Brutus und Cassius.
Ungefähr zehn Jahre lang ließ Augustus den Marc Anton darauf im Osten gewähren. Dort hatte jener inzwischen mit Kleopatra drei Kinder und die östliche Reichshälfte praktisch schon an seine »Dynastie« vergeben. Augustus organisierte einen Feldzug gegen die orientalische »Despotin« und seinen Rivalen. In der Seeschlacht bei Actium vor Alexandria im Jahr 31 v. Chr. gingen Marc Anton und Kleopatra unter. Sie setzte ihrem Leben in dieser ausweglosen Lage angeblich mit dem berühmten Schlangenbiss ein Ende. Damit war Ägypten endgültig römische Provinz und Augustus Alleinherrscher.
Nach den jahrzehntelangen Turbulenzen, Feindschaften bis aufs Blut und mannigfachen Aderlässen war der Senat nicht mehr in der Lage, das römische Staatswesen als Adelsrepublik (urbs) mit einem Weltreich (orbs) zu regieren. In diesem noblen Gremium saßen längst keine noblen Familienoberhäupter mehr, die sich aus der Erfahrung von Generationen mit den ungeschriebenen Gesetzen der Staatskunst auskannten.
Augustus gelang es, gegen die Neureichen und Neuadligen republikanische Ämter und Befugnisse in seiner Person zu bündeln, sich ein Interventionsrecht bei nachgeordneten Ämtern vorzubehalten, die ansonsten wie gewohnt weiter funktionierten. Nach außen spielte er diese Machtanhäufung geschickt herunter und bezeichnete sich selbst lediglich als princeps – als Erster unter Gleichen.
Die politischen Unsicherheiten und die Willkür der vergangenen Jahrzehnte, die unermessliche Korruption und die multikultisch-religiöse Desorientierung hatten in Rom wie in anderen Teilen der römischen Welt das verbreitete Bedürfnis nach einer Restauration und nach verlässlichen Lebensformen entstehen lassen. In der hellenistischen Welt war zu jener Zeit unter orientalischem Einfluss die Vorstellung eines gottbegnadeten Herrschertums, ja eines Weltenrettertums völlig geläufig. All das gab Augustus dem Römischen Reich mit seiner pax romana.