CHINESISCHES KAISERREICH

Bei den Griechen war das naturkundliche Denken zum einen durch den Kontakt mit den für sie vollkommen neuen und faszinierenden Wissensschätzen des Orients und Ägyptens ausgelöst, zum anderen durch die Bedürfnisse der seefahrenden Kaufleute vorangetrieben worden. Sehr viele »wissenschaftliche Erkenntnisse« bezogen sich auf geografische Dinge im weiteren Sinn. Ganz anders in China, wo in der kulturellen Blüte der Han-Dynastie (ca. 0–200) ebenfalls Handel und Seefahrt florierten. Als sich auch hier Ansätze naturwissenschaftlichen Denkens zeigten, wurden diese von dem Beamtenadel unterdrückt, ähnlich wie es die christliche Kirche am Anfang der Neuzeit in Europa versuchte. Die Motive waren in beiden Fällen die gleichen: Die unausweichliche Kritik am Althergebrachten und Überlieferten – sowohl des Wissens wie der Gesellschaftsformen – hätte der herrschenden Schicht die Legitimationsgrundlage entzogen. Durch diese Weichenstellung in der Han-Zeit gab es keine systematische Naturforschung in China und damit auch keinerlei »moderne« Entwicklung. Deswegen und aufgrund seiner natürlichen Isolierung, später der bewussten Abschottung, verharrte das Reich der Mitte in einem konservativen Zustand. Gleichwohl gab es in China eine Menge praktisch-technischer Erfindungen.

um 105

PAPIER    Die Herstellung von Papier aus zerstampften und zerkochten Pflanzenfasern in einem Sieb ist seit dem Beginn der Han-Dynastie im 2. Jahrhundert v. Chr. nachgewiesen. Das Verfahren oder vielmehr das Rezept wurde aber erst um 105 n. Chr. von dem Eunuchen und Minister Tsai Lun detailliert aufgeschrieben. Obwohl er sich dabei sicher nicht die langen Fingernägel abgebrochen hat, gilt der Nicht-Handwerker Tsai Lun als »Erfinder« des Papiers.

Im Prinzip wird dieses Verfahren bis heute verwendet. Papier und Papierherstellung waren wie Porzellan, Seide und Tee eines der großen chinesischen Geschäftsgeheimnisse und ein dementsprechender Exportschlager. Chinesische Kriegsgefangene in Samarkand gaben das Geheimnis um 750 an die Perser und Araber weiter. Durch sie verbreitete sich die Kenntnis seit dem Hochmittelalter in Europa. Eine von dem Stauferkaiser Friedrich II. 1228 ausgestellte Urkunde ist hier eines der frühesten Papierdokumente. In Europa wurde der Name des altägyptischen Beschreibstoffes aus dem Mark der Papyrusstaude, der ganz anders gewonnen wird, aber auf den ersten Blick ähnlich aussieht, auf das neue Beschreibmaterial übertragen.

um 100–200

PORZELLAN    heißt auf Chinesisch tzu. Das für Chinas Kunsthandwerk charakteristischste Material wurde aller Wahrscheinlichkeit nach während der Han-Zeit erfunden. Den genauen Zeitpunkt, Ort und Erfinder kennt man nicht – es entstand um 100 bis 200 n. Chr. im Zuge ähnlichen »alchimistischen« Herumexperimentierens wie sehr viel später (1707 n. Chr.) bei der europäischen Neuerfindung in Meißen.

Ausgangspunkt war die chinesische Stadt Changanshen in der Provinz Kiangsi, südlich des Jangtsekiang mit ihrem reichlichen Kaolin-Vorkommen. Kaolin ist eine Tonart, die sich besonders gut zur Porzellanherstellung eignet.

Bis zur Porzellanerfindung in Meißen wussten die Chinesen das Geheimnis der Porzellanherstellung zu wahren, und es wurde zu einem der begehrtesten Exportartikel des Reichs der Mitte, im Mittelalter vor allem in die arabischen und persischen Länder, als Gebrauchsgut nach Asien und als Luxusartikel seit der Renaissance auch nach Europa. Wegen des anderthalbtausendjährigen Monopols wurde Porzellan zu einem Leitprodukt chinesischer Kultur, und die Chinesen entwickelten unübertroffen schöne Formen und Dekore.

HAN-DYNASTIE II    220 dankte der letzte Kaiser der Han-Dynastie ab. Es gab zu große Unterschiede zwischen Arm und Reich, es gab dynastische Probleme (viele Kaiser starben zu jung und hinterließen minderjährige Thronfolger), und es gab den Druck der wiedererstarkten Hunnen aus dem Norden. Die Reichseinheit zerfiel. Damit ging die von der Geschichtsschreibung sogenannte chinesische Antike zu Ende, ebenso wie sich die griechisch-römische Antike und vor allem das weströmische Reich ihrem Ende zuneigten. Der Grund war in beiden Fällen derselbe: Westrom kollabierte nach der von den turkmongolischen Hunnen angestoßenen Völkerwanderung. Am anderen Ende Eurasiens stießen die Hsiung-nu nach China vor; sie bildeten später eines der Drei Reiche (Wei).

220–265

DREI REICHE    heißt die Periode, die von 220 bis 265 auf das Ende der Han-Dynastie folgte. Es sind die drei Nachfolge-Königreiche Wei (nördlich des Jangtsekiang), Wu (südlich des Jangtsekiang) und Shu (im alten Kerngebiet der Han). Anschließend folgte eine recht verworrene Zeit, in der China hauptsächlich in Nord- und Südreiche geteilt war. Zu einer Wiedervereinigung kam es erst 560 unter der Sui-Dynastie – also etwa zu der Zeit, als Kaiser Justinian in Konstantinopel die Hagia Sophia einweihte.

Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?: Weltgeschichte - alles, was man wissen muss
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