In den Kriegsjahren
In den Jahren, in denen Hevesy in Kopenhagen war, richtete Bohr die Wissenschaft, die an seinem Institut betrieben werden konnte, nach und nach völlig neu aus, wie der heutige Leiter der Niels-Bohr-Archivs, Finn Aaserud, in seinem Buch Redirecting Science eindrücklich darstellt. Aaseruds Bericht handelt explizit vom »Aufstieg der Kernphysik«, also von den Bemühungen, mit denen es Bohr und seinem Team in den 1930er Jahren gelang, die Mittel aufzubringen, mit denen sich die technischen und apparativen Voraussetzungen finanzieren ließen, die erforderlich waren, um in Dänemark »experimentelle Atomkernphysik zu betreiben«, die mit den Anstrengungen anderer Länder mithalten konnte.
Bohr schildert dies in einer Selbstbiographie, die er 1956 verfasste, als die Universität Aarhus ihm die Ehrendoktorwürde verlieh. Diese Auszeichnung hat Bohr umso mehr gefreut, als er sie von seinem Heimatland bekam, dem er sich im Sinne von Hans Christian Andersens Lied verpflichtet fühlte: »In Dänemark bin ich geboren, da ist meine Heimat, das sind meine Wurzeln, von hier aus entfaltet sich meine Welt.« Der Selbstbiographie, in der Bohr in für seine Verhältnisse ungewöhnlich knappen Worten das umstrukturierte Forschungsprogramm der 1930er Jahre andeutet, ist zu entnehmen, dass es bei den apparativen Voraussetzungen unter anderem um die Einrichtung eines Hochspannungslaboratoriums im Institut am Blegdamsvej und den Erwerb eines Zyklotrons, eines kreisförmig gebauten Teilchenbeschleunigers, ging. Beide Investitionen konnten schließlich mit finanzieller Unterstützung sowohl des Carlsberg-Fonds als auch der Rockefeller-Stiftung sowie mit Mitteln der Thomas-B.-Thrige-Stiftung getätigt werden. Der Thrige Fonds war dem größten Elektrounternehmen in Bohrs Heimat zu verdanken, dessen Satzung vorsah: »to advance the electrical arts in Denmark«, wobei die ins Auge gefassten Kunststücke mit Elektrizität physikalische Teilchenbeschleuniger für physikalische und speziell nukleare Forschungszwecke implizieren.
Auf jeden Fall richtete Bohr sein Institut darauf aus, bevorzugt solche Untersuchungen vorzunehmen, die zu einem »Verständnis vieler charakteristischer Züge der Atomkernphysik« führen könnten. Dem fügte er hinzu, dass sich diese Bemühungen als nützlich »für die Erklärung des 1939 entdeckten Kernspaltungsprozesses« erwiesen, »der die Grundlage zur Nutzbarmachung der Atomenergie für praktische Zwecke schaffen sollte«.
Damit war das Thema angesprochen, das mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs dringlich wurde und Bohr über Schweden und England in die USA bis nach Los Alamos brachte. Hier war er gemeinsam mit seinem Sohn Aage zwischen 1943 und 1945 mit »an den in Gang gesetzten großen Projekten« – gemeint sind die britisch-amerikanischen Vorhaben zum Bau einer Atomwaffe mit nie dagewesener Spreng- und Zerstörun gskraft – beteiligt.