Die Gesprächspartner
Einstein meint man zu kennen. Er war der unkonventionelle Mann mit dem wirren Haar, ein genialer Physiker, der gern barfuß herumlief und selbstbewusst lächelte. Seine ersten fundamentalen Beiträge zur Physik lieferte er 1905 als Angestellter unterer Klasse am Berner Patentamt. Ein Dutzend Jahre später wurde er Direktor eines Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik ohne Verwaltungsaufgaben in Berlin. Ein ordentlicher Professor war er nur für kurze Zeit. Zu seiner ersten Vorlesung kamen drei Studenten. Als zwei nicht mehr erschienen, blieb auch er weg; er schrieb dem dritten eine Postkarte und wünschte ihm alles Gute.
Einstein verhielt sich häufig ungewöhnlich. Er galt als überzeugter Pazifist und Freigeist. Doch so einfach lässt er sich nur auf den ersten Blick charakterisieren. Der zweite Blick verwirrt. Hat nicht ein Brief von Einstein an den amerikanischen Präsidenten veranlasst, dass die Amerikaner die Atombombe bauten? Und hat nicht gerade Einstein immer wieder von Gott gesprochen, wenn er seine philosophischen Überzeugungen formulieren wollte? Sein wohl berühmtester Satz zu diesem Thema lautet: »Raffiniert ist der Herrgott, aber boshaft ist er nicht.«
Bohr scheint so etwas wie das Musterbeispiel für bürgerliche Konventionen zu bieten. Er wirkte brav und solide, trug stets einen unauffälligen Anzug und das Haar ordentlich nach hinten gekämmt. Er führte ein geordnetes Familienleben und war ein ordentlicher Professor, der sich um seine Wissenschaft und seine Studenten sorgte. Seltsamerweise dachte gerade er viel revolutionärer als die meisten anderen Physiker. Bohr ging in mancher Hinsicht sogar wesentlich radikaler als Einstein vor, und einen Gott oder einen religiösen Halt brauchte er für seine Zufriedenheit nicht.
Zwischen diesen beiden Physikern, die als die unumstritten größten unserer Zeit angesehen werden, kam es vom Herbst 1927 an zu einer erkenntnistheoretischen Diskussion, die in ihrer Bedeutung möglicherweise mit der Debatte vergleichbar ist, die Isaac Newton und Gottfried Wilhelm Leibniz im frühen 18. Jahrhundert führten. Damals ging es unter anderem um das Wesen von Raum, Zeit und Materie; zwischen Einstein und Bohr ging es um die Deutung des Quantums, um die Interpretation der Quantenmechanik und die Frage der physikalischen Wirklichkeit. Im Hintergrund lauerte aber die Frage: Wie konnte man einen Gott in das Weltbild einordnen, das die Menschen zu entwerfen vermochten, nachdem die Relativitätstheorie ihnen den aktiven Kosmos und seine Geometrie näher gebracht und dann die Quantenmechanik die verschiedenen Zustände der Atome gezeigt hatte, mit denen sich alle Elemente und ihre Verbin dungen – eben alles von Gott Gemachte – verstehen ließen?