Altes und neues Denken bei den Atomen
Der (naive) Atomismus der Antike
Materie besteht aus kleinsten Bausteinen (Atomen), die nicht weiter zerlegbar sind.
Der (quantentheoretische) Holismus der Moderne
Die materielle Realität ist ein Ganzes, das nicht aus einzelnen Teilen aufgebaut ist. Die in einem Experiment vorgenommenen Aufteilungen eines Ganzen (zum Beispiel eines Atoms oder Moleküls) führen zu Teilsystemen, die aufgrund von Korrelationen verschränkt sind, die in der Quantenmechanik enthalten und von Einstein beschrieben worden sind.
Die alten (isolierten) Einheiten
Elektronen, Atome oder Moleküle galten als eigenständige Gebilde, die für sich existieren konnten.
Die neuen (kontextuellen) Einheiten
Elektronen, Atome oder Moleküle sind offene Systeme, die dank ihrer Wechselwirkung mit der Umgebung existieren. Mit diesen Befunden verschwindet die Möglichkeit, den (naiven) Atomismus der Antike weiter zu vertreten. Es wird vorgeschlagen, ihn zu ersetzen.
Der neue (archetypische) Atomismus
Das Atom entspringt nicht als logische oder empirische Größe der experimentellen Naturforschung, sondern als archetypische Idee dem kollektiven Unbewussten des Menschen.
Anmerkungen
Diese Konzeption macht zum einen verständlich, warum das Atom weiter so heißt, obwohl der Name etwas Falsches sagt und im 19. Jahrhundert abgeschafft werden sollte. Sie erlaubt zum anderen nachzuvollziehen, warum das Atom als Metapher taugt und in vielen Bereichen auftaucht, etwa wenn von der Atomisierung der Gesellschaft gesprochen und Menschen eine atomisierte Moral zugestanden wird. Und schließlich erklärt sie, warum niemand zögert, das Wort Atom zu verwenden. Es scheint, dass alle verstehen, was damit gemeint ist. (Nach der Mitschrift eines Vortrags von Hans Primas im März 1998 zum Thema »Die Überwindung des Atomismus durch die Quantentheorie«.)
Wir erkennen eine phantastische Ganzheit, die sich erst recht in der besonderen Form der Wechselwirkung zeigt, die zum Messvorgang erforderlich ist. Durch die Beobachtung werden der Messapparat und das untersuchte System mit Quanten zu einem Ganzen verknüpft. Sie sind nun nicht mehr einzeln beschreibbar, über sie können wir noch nicht einmal mit gleichen Begriffen reden. Denn das zum Versuch verwendete Gerät gehorcht laut Bohr der klassischen Physik und muss demnach mit deren Konzepten beschrieben werden. Die Teilchen selbst gehorchen aber der Quantenphysik. Wenn wir reden, müssen wir somit etwas tun, was wir nicht dürfen, nämlich mit den Worten trennen, was der Sache nach ein Ganzes ist.
Durch diese eigentlich unzulässige Trennung verlieren wir Informationen, was zur Folge hat, dass wir nur noch die Wahrscheinlichkeit kennen, mit der ein Quantenobjekt etwas tut. Dennoch bleibt unsere Beschreibung des Systems nach Bohr vollständig, wenn wir die experimentelle Anordnung mit einbeziehen, mit der wir die Teilchen analysieren. Die wichtige Konsequenz, die hieraus zu ziehen ist, macht den erwähnten metaphysischen Aspekt der Komplementarität deutlich: In der Quantenmechanik kann man nichts über ein individuelles Teilchen (ein Elektron zum Beispiel) sagen, das ohne jede Wechselwirkung existiert und auch nicht beobachtet wird. Ein isoliertes Teilchen gehört nicht zur physikalischen Wirklichkeit. Es macht keinen Sinn, von seinem Zustand zu sprechen. Es hat gar keinen.