Frühe Physik

1905 setzte die Dänische Akademie der Wissenschaften und Künste einen Preis für die beste Arbeit auf einem eng gefassten Gebiet der Physik aus: Es ging um die Messung der Oberflächenspannung mithilfe der Wellen, die sich auf einem Wasserstrahl oder dem Strahl einer anderen Flüssigkeit ausbreiten. Der Brite Lord Rayleigh hatte eine verzwickte Theorie entwickelt, der zufolge dies ein gangbarer Weg sein könne, und Niels Bohr wollte ihn ausprobieren. Er beteiligte sich an dem Wettbewerb und bekam für seine Arbeit die Goldmedaille der Akademie – übrigens ebenso wie sein einziger Konkurrent, ein Student namens P. O. Pedersen, der zwar nicht so trickreich wie Niels Bohr zu Werke gegangen war, der dafür aber die Messung bei mehreren Flüssigkeiten vorgenommen hatte (wie es die Ausschreibung der Akademie verlangt hatte). Bohr berichtete nur über Daten mit Wasser, dies allerdings sehr ausführlich. Das Phänomen der Oberflächenspannung zeigt sich beim Wasser vielfach im Alltag, etwa wenn sich Wassertropfen formen oder es Insekten gelingt, über die Oberfläche eines Teichs oder einer Pfütze zu laufen. Die Wasseroberfläche verhält sich wie eine Folie, was durch die Neigung der Moleküle zustande kommt, sich möglichst mit ihresgleichen zu umgeben und den Kontakt mit der umgebenden Luft weitgehend zu verringern.

Als Bohr mit der Durchführung seiner preisgekrönten Messungen beschäftigt war, legte Albert Einstein, der damals unter Physikern noch völlig unbekannte Angestellte des Patentamts in Bern, die fünf großen Arbeiten zur Physik vor, die aus dem Jahr 1905 das »Annus mirabilis«, das Wunderjahr, seiner Wissenschaft machten. Bohr wird sich noch eingehend mit den hier dargelegten Einsichten von Einstein befassen und vor allem sich dessen Gedanken zunutze machen, dass die geeignete Einführung von unsteten Quantensprüngen in die Naturbeschreibung tatsächlich einschneidend helfen kann, physikalische Phänomene zu verstehen.

Im Jahr 1909, als der Student Bohr nach dem Thema für eine Doktorarbeit suchte, tauchte zum ersten Mal der Gedanke auf, dass Atome keinesfalls als die unteilbaren Gebilde der antiken Philosophie verstanden werden können, sondern als eine Kombination aus zwei Anteilen existieren, die unterschiedlich geladen und verschieden umfangreich sind. Der kleinere Anteil erwies sich in Experimenten, die vor allem J. J. Thomson in Cambridge durchführte, als Träger der negativen Ladung. Die Physiker einigten sich unter Führung des von allen verehrten Hendrick A. Lorentz aus dem holländischen Leiden, an dieser Stelle von negativ geladenen Teilchen zu sprechen und sie als »Elektronen« zu bezeichnen.

Mit diesem Begriff konnte man nun das in Angriff nehmen, was als »Elektronentheorie der Metalle« bezeichnet wird und worunter zum Beispiel der Versuch zu verstehen ist, die Fähigkeit von Metallen, elektrischen Strom zu leiten, durch die Beweglichkeit von Elektronen in ihren Strukturen zu erklären. Viele Physiker beschäftigten sich mit der Lösung dieses Problems, und auch Niels Bohr leistete mit seiner Dissertation, die er 1911 abschloss, seinen Beitrag dazu. Nach dem Absolvieren der mündlichen Prüfung, in der es – wie bereits geschildert – um das Funktionieren eines Barometers ging, verließ Bohr seine Heimat, um einige Zeit bei J. J. Thomson in England zu verbringen.

Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters
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