Ferien in Norwegen

Der Gedanke der »Komplementarität« zeigte sich seinem Schöpfer in einem wissenschaftlichen Kontext und in vollem Bewusstsein zum ersten Mal im Skiurlaub, in den Bohr 1927 mehr oder weniger geflüchtet war, um allein nachdenken zu können und den erschöpfenden Diskussionen mit Heisenberg zu entkommen. Ihnen beiden war dabei klar geworden, »dass es, wenn man bis zu den Atomen hinabsteigt, eine [bislang als selbstverständlich vorausgesetzte] objektive Welt in Raum und Zeit gar nicht gibt und dass die mathematischen Symbole der theoretischen Physik nur das Mögliche, nicht das Faktische abbilden«, wie Heisenberg die damalige erkenntnistheoretische Lage zusammenfasste. Man kann diese auch mit den Worten ausdrücken, dass es im Innersten der Welt keine Dinge, sondern nur Wahrscheinlichkeiten gibt. Bohr selbst hatte Mitte der 1920er Jahre betont, es sei nötig, »sich auf alle [philosophischen] Eventualitäten vorzubereiten«, auch wenn sich dabei Zusammenhänge zeigen, die »sich nicht in der gewöhnlichen raum-zeitlichen Beschreibung ermessen lassen«.

Sein Begriff der Komplementarität, so teilte Bohr dem in Kopenhagen wartenden Heisenberg mit, soll die erkenntnistheoretische Situation beschreiben, in der sich die Physiker befinden, seit sie »ein und dasselbe Geschehen mit zwei verschiedenen Betrachtungsweisen erfassen können« oder sogar müssen. So ist es zuerst Einstein beim Licht und dann de Broglie bei den Elektronen widerfahren, als beide erkannt haben, dass sich die dazugehörigen Phänomene sowohl im Teilchen- als auch im Wellenbild erkunden und nur in dieser komplementären Dopplung verstehen lassen. Wesentlich und auffällig bei Bohrs Gedanken ist nun die Tatsache, dass dabei zwei Aspekte, Bilder oder Vorstellungen aufeinandertreffen, die sich auf der einen Seite widersprechen, die aber auf der anderen Seite zusammengehören. Komplementäres Denken meint nun die Überzeugung, dass nur beide sich zugleich ausschließenden und bedingenden Weisen der Betrachtung – Welle und Teilchen – gemeinsam das Phänomen – Licht – ausschöpfen und es verstehen lassen.

Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters
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