Was heißt »Gott würfelt nicht«?
Niels Bohr und Albert Einstein muss man zusammendenken, wenn man die Entwicklung ihrer Wissenschaft verstehen oder wenigstens den großen Schritt nachvollziehen will, der zu beider Lebzeiten gelungen ist. Möglicherweise braucht jede Disziplin der Forschung einen Einstein wie auch einen Bohr, um mit deren Aura und Ideen den großen Sprung zu schaffen, der von einer ersten – klassischen – Form des Wissens zu einer weitergehenden führt.
Niels Bohr war stets auf der Suche nach Diskussionen, und er hat seine vermutlich nachhaltigsten Gespräche mit Einstein geführt. Bohr selbst hat dabei sein intellektuelles Ringen mit Einstein um ein Verstehen der Wirklichkeit und ihrer Kausalstruktur, die nach dem Aufkommen der Quantenmechanik erkennbar wurde, als Dialog bezeichnet und uns eine ausführliche Aufzeichnung davon hinterlassen. Sie wurde im Jahr 1949 angefertigt, als die Welt den siebzigsten Geburtstag des Vaters der Relativitätstheorie im amerikanischen Princeton feierte und die Kollegen und Freunde Einsteins sich vorgenommen hatten, aus diesem Anlass einen umfangreichen Band mit dem Titel Albert Einstein: Philosopher – Scientist herauszugeben.
Bohr hat damals spontan zugesagt, sich an diesem Unterfangen mit einem Essay zu beteiligen, und sofort angegeben, dass er sich darin »über die vielen Gelegenheiten, bei denen ich in den vergangenen Jahren das Privileg hatte, mit Einstein über die erkenntnistheoretischen Fragen zu diskutieren, die sich uns durch die Fortschritte der Atomphysik stellten«, äußern wolle. Im Folgenden werden einige dieser Gelegenheiten herausgegriffen, um zu zeigen, zu welchen Höhen ein philosophisch angelegtes Gespräch unter Wissenschaftlern gelangen kann, wenn sie den Gegenstand ernst nehmen, konkrete und persönlich gewonnene Einsichten in die Natur erörtern können und ihre Wissenschaft mit den allgemeinen Themen verweben wollen, denen sich die menschliche Neugierde zuwendet.