»Ich bin der Tod, der alles raubt, Erschütterer der Welten«
Parallel kann der Blick auf den Uranverein und dessen Aktivitäten gerichtet werden. Mit diesem straff organisierten Verbund waren die Deutschen die Ersten gewesen, die ein militärischen Zwecken dienendes Atomprojekt in Gang gesetzt hatten, und im Winter 1941/42 – also im Anschluss an Heisenbergs Besuch bei Bohr – konnten sie bei ihren Versuchen mit Uranmetall zum ersten Mal überhaupt die Möglichkeit der Freisetzung von Kernenergie durch die Uranspaltung nachweisen. Sie berichteten darüber am 26. Februar 1942 im Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik in Berlin-Dahlem vor Regierungsvertretern, Generalen, Admiralen und Wissenschaftlern.
Was die Gegenseite angeht, so hatten die Alliierten – aufgeschreckt durch Einsteins Warnung – spätestens Mitte 1940 zwei Kernspaltungsprojekte auf den Weg gebracht, und im Dezember 1942 konnte der erste große Erfolg gefeiert werden. Wie bereits erwähnt, gelang es dem aus Italien geflüchteten Nobelpreisträger Enrico Fermi in Chicago, die Energiefreisetzung durch eine Kettenreaktion in ungeahnte Höhen zu treiben. Bald darauf wurde in den USA eine erste Großanlage zur Gewinnung des Urans errichtet, das für eine Atombombe infrage kam (Uran-235). Noch im selben Jahr 1943 wurde unter der wissenschaftlichen Leitung des amerikanischen Physikers J. Robert Oppenheimer, der Heisenberg aus einem gemeinsamen Seminar zur Quantenmechanik in Göttingen kannte, das Manhattan-Projekt initiiert, mit dessen Hilfe die ersten funktionierenden Atombomben tatsächlich noch vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs entwickelt wurden.
In ihnen befanden sich nicht die Tonnen von Uran, mit denen Heisenberg und der Uranverein noch Versuche und Berechnungen unternommen hatten. Die Bomben der Alliierten enthielten ungefähr fünfzehn Kilogramm spaltbares Uran-235. Entscheidend für den Mechanismus der Bombe ist die sogenannte kritische Masse, die für Uran etwa bei der angegebenen Menge liegt. Die geplante Explosion kommt durch eine Kettenreaktion zustande, und diese erfolgt, wenn genug Masse da ist. In der ersten Atombombe war das Uran in zwei getrennten Teilen verpackt, wovon jeder für sich »unterkritisch« war, wie es in der Fachsprache heißt. Wenn durch einen Zünder beide Teile vereinigt werden, kommt es als Folge davon nahezu unmittelbar zu einer unkontrollierten Kettenreaktion, die in kürzester Zeit ungeheure Mengen an Energie freisetzt – die Atombombe detoniert blitzartig und zerstört alles um sich herum. »Ich bin der Tod, der alles raubt, Erschütterer der Welten« – nach der ersten erfolgreichen Zündung in der amerikanischen Wüste soll J. Robert Oppenheimer, der Physiker, der in den Geschichtsbüchern als »Vater der Atombombe« bezeichnet wird, diesen Vers aus der Bhagavad Gita zitiert haben.