ACHTUNDSECHZIG

Er hatte keinen Schlüssel zum Schloss und zur Kette um die Scheunentore. Er brauchte keinen. Er trat voll aufs Gas und brach durch, wobei er das Geräusch der zusammenfallenden Tore hinter sich ignorierte. Er raste über die Wiese, bis er die Privatstraße erreichte, die zur Lakeview Road führte.

Als er die vierspurige Schnellstraße erreichte, erhöhte er die Geschwindigkeit auf 130 km/h und bahnte sich seinen Weg in die Stadt. Eine Radarfalle wäre ein Segen gewesen, aber leider sah er auf dem gesamten Weg keine Polizei.

Nach der Ausfahrt nahm er die Dreizehnte Straße um den Bahnhof herum und bog rechts in die Market Street ein. Während der Fahrt hatte er Zeit zum Nachdenken gehabt: Trisco war ein gutes Leben gewohnt. Auf der anderen Seite des Campus gab es verschiedene Stadtviertel. Große Häuser aus der Vergangenheit, die Jahrzehnte nach dem Wegzug der weißen Bevölkerung renoviert wurden. Er fragte sich, ob Eddie nicht eine Rolle in der Gentrifizierung der Nachbarschaft spielte. Es schien Sinn zu ergeben, dass sich Trisco einen Platz suchen würde, an dem er nicht auffiel und sich wie zu Hause fühlte. Über den Komfort hinaus würde die Größe der Häuser auch ein gewisses Maß an Privatsphäre bieten.

Er entdeckte einen 7-Eleven an der Ecke und fuhr auf den Parkplatz. An den Türen gab es drei Münztelefone. Zwei der Hörer waren von den Telefonen abgeschnitten worden, aber das dritte sah so aus, als ob es noch funktionierte. Er zählte sein Kleingeld. Das meiste war im See gelandet. Er öffnete seine Geldbörse, tippte erst seine Büronummer ein, dann jene, die auf seiner Telefonkarte aufgedruckt war. Als er wartete, bemerkte er, wie der Kassierer ihn durch das Fenster anstarrte. Zuerst dachte er, es läge daran, dass die Gentrifizierung diesen Teil des Viertels noch nicht erreicht hatte. Als sich sein Spiegelbild im Glas reflektierte, sah er die dunklen Ringe unter seinen Augen und sein müdes Gesicht und wusste, dass es nichts mit dem Viertel zu tun hatte. Er wandte sich ab, als Jill endlich das Telefon abnahm.

»Hast du sie erreicht?«, fragte er.

»Gerade vor ein paar Minuten«, sagte sie.

»Woher kommen sie?«

»Vom Haus der Triscos in Radnor.«

Teddy dachte nach. Die Durchsuchungsbefehle mussten durch sein. »Was ist mit Nash?«, sagte er.

»Seine Assistentin sagte, sie würde die Nachricht weiterleiten. Ich habe die Adresse, Teddy. Aber ich glaube, du wirst enttäuscht sein.«

»Warum?«

»Das Haus gehört einer Frau, Diana Yap. Sie hat eine kleine Immobilien-Agentur und hat sich auf Vermietungen spezialisiert. Niemand scheint sie finden zu können, aber der Mann im Büro sagte mir, das Haus sei an jemanden mit dem Namen Evan Train vermietet. Er hatte noch nie von Eddie Trisco gehört. Er sagte mir, Evan Train wohne schon seit Jahren in dem Haus.«

»Wie ist die Adresse?«

Sie las sie ihm vor und er notierte sie sich. Dann sprang er ins Auto, rumpelte die Straße hinunter und wünschte, er hätte Zeit sich eine Packung trockener Zigaretten zu kaufen. Er wollte eine, brauchte eine. Aber er war in der Nähe, nur fünf Häuserblocks entfernt.

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Es war noch niemand da – keine Einsatzfahrzeuge, keine Detectives… er war der Erste. Teddy fuhr an den Rand und prüfte die Adresse, kurbelte dann das Fenster herunter und horchte nach Sirenen, aber die Stadt war ruhig, sogar still. Es fing an zu dämmern – die Weihnachtsbeleuchtungen, die sich durch das Viertel zogen, gingen an, als ob die Feiertagsstimmung in der Luft läge.

Er verzog das Gesicht, wandte sich wieder dem Haus zu und sah dann ein Auto unter einer Segeltuchplane in der Einfahrt stehen, während er überlegte. Nach einer Weile schnappte er sich die Pumpgun und stieg aus. Er konnte nicht länger warten, durfte nicht riskieren zu spät zu kommen. Es ging um das Mädchen, sagte er sich.

Er überquerte die Straße und verbarg die Winchester unter dem langen Regenmantel. Als er sich dem Wagen in der Einfahrt näherte, sah er eine Frau, die einen Sportkinderwagen zwei Türen weiter auf dem Gehsteig vor sich herschob. Teddy hob die Plane an und sah die Löcher im Blech, das kaputte Heckfenster. Dann hörte er den Klang des Telefons, dass unaufhörlich im Haus klingelte. Das war der richtige Ort – der, mit dem zerschossenen BMW in der Einfahrt.

Er betrat die Veranda und prüfte den Briefkasten, konnte aber keinen Namen finden, nur die Initialen E.T. in Gold gedruckt: Eddie Trisco – Evan Train. Der außerirdische Irre, der von irgendeinem schwarzen Loch auf der anderen Seite des Mars kam.

Die Frau ging mit ihrem Sportkinderwagen am Haus vorbei. Sie sah Teddy an und wirkte nervös.

»Wo wohnen Sie?«, fragte er und folgte ihrem Blick auf seine Waffe.

Sie antwortete nicht.

»Sie müssen nach Hause gehen«, sagte er. »Verriegeln Sie die Türen und rufen Sie die Polizei.«

Sie eilte den Gehsteig hinunter. Als sie außer Sicht war, bemerkte Teddy das Haus an der Ecke mit der Satellitenschüssel auf dem Dach. Zwischen den Ziegelsteinen war der Mörtel zu sehen und neue Fenster waren installiert worden. Es sah aus, als ob die Familie trotz der Renovierungen im Haus wohnte. Ein kleiner Junge, vielleicht sechs Jahre alt, stand hinter einem Fenster im ersten Stock und sah hinaus. Nach einer Weile kam sein Vater dazu. Teddy wusste, dass sie zu weit weg waren, um die Waffe zu sehen, aber sie starrten trotzdem herüber. Vielleicht hatten sie es sich einfach zur Gewohnheit gemacht, ein Auge auf Triscos Haus zu werfen. Vielleicht passte E.T. nicht wirklich hierher.

Teddy wandte sich wieder dem Haus zu. Als er die Tür zu öffnen versuchte, drehte sich der Türknopf, aber der Schließriegel war zu. Er ging zum Fenster und schaute hinein. Er konnte sehen, dass der Teppich im Eingang gegen die Wand geschoben und halb umgedreht war. Auf dem Boden lag etwas, das auf den ersten Blick wie ein Fetzen aussah. Als er darüber nachdachte, wurde Teddy klar, dass es gar kein Fetzen war. Er sah auf die Überbleibsel eines Kampfes – der Fetzen war ein Stück Kleid. Rosemarys Kleid.

Er schlug das Fenster mit dem Gewehrschaft ein. Das zersplitterte Glas ignorierend kletterte er hinein. Seine Augen fraßen sich nervös durch den Raum. Als er durch das Esszimmer und die Küche ging und das Arbeitszimmer fand, versuchte er das weiterhin klingelnde Telefon zu ignorieren. Im Erdgeschoss war schon mal niemand.

Mit angelegter Waffe ging er die Treppe hinauf. Im schwachen Licht durchstreifte er jedes Zimmer, bis er Eddies Schlafzimmer am Ende des Ganges fand. Eine Lampe brannte. Auf dem Bett neben den Klamotten des Irren konnte er ein hingeworfenes Handtuch sehen. Teddy ging in das Zimmer hinein und griff nach dem Handtuch, während er den Schrank im Auge behielt. Das Tuch war feucht. Eddie hatte erst kürzlich geduscht und sich umgezogen.

Eigenartigerweise waren die Fenster mit Alu-Folie bedeckt. Teddy schenkte dem aber keine Beachtung und betrat das Badezimmer. Auf dem Duschvorhang waren noch Wassertropfen. Neben dem Waschbecken lagen eine Injektionsnadel und ein Infusionsbeutel mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit, der aussah, als ob es aus einem Krankenhaus gestohlen wurde. Er las die Aufschrift: Morphium.

Er ging rückwärts aus dem Zimmer in den Flur. Als er zum Treppenabsatz kam, entdeckte er eine Tür mit einem ungewöhnlich schweren Riegel. Dann hörte das Telefon auf zu klingeln. Eine Welle von Furcht durchfuhr seinen Körper, als er auf die Stille horchte. Es war eine bedrückende Stille, jene Art mit Stimmen darin, die sangen: Kehr um!

Teddy schwang die Tür auf. Dahinter tauchte eine schmale Reihe von Stufen auf, die zu einem Dachboden hoch führten. Die Pumpgun im Anschlag, machte er das Licht an und horchte eine Weile. Dann ging er die Treppe hoch. Die Stufen knarrten, aber er ging weiter. Er sah nach hinten, nach links und rechts. Da war nichts außer dem Körper einer Frau, die am Boden ausgestreckt dalag. Noch eine Leiche. Noch ein Opfer. Diese war gefroren.

Er drehte den Körper mit seinem Fuß um und stellte fest, dass es nicht Rosemary Gibb war. Als er sah, dass die Fenster geöffnet waren, ging er hin, um frische Luft in die Lungen zu bekommen. Es war niemand im Haus. Dennoch hatte jemand das Telefon abgenommen und wieder aufgelegt. Er sah nach draußen, auf den Garten hinter dem Haus. Da war ein Gewächshaus, das halb aus dem Boden ragte – unter dem Haus war noch eine Etage!

Er eilte zur Treppe und ging so leise er konnte zum ersten Stockwerk hinunter. Er ging nochmals durch die Zimmer, prüfte jede Tür, bis er die in der Küche fand. Er stieß die Tür auf und spähte in den Keller. Das Licht war an, aber er konnte trotzdem nichts hören – nicht einmal eine entfernte Sirene von draußen. Seine Hände zitterten. Er wischte sich den Schweiß von den Brauen. Dann setzte er den Fuß auf die erste Stufe und ging nach unten.

Der Keller aus unverputzten Steinwänden war in ein Labyrinth von verschiedenen Räumen unterteilt. Teddy befand sich in einem engen Gang, die Türen waren an beiden Seiten geschlossen. Er konnte Schimmel riechen, der Geruch von Farben und chemischen Lösungsmitteln lag in der Luft. Einen Moment lang hatte er die Idee, dass er sich im Warteraum einer anderen Version der Hölle befinden könnte.

Er ging zu der Tür, die der Treppe am nächsten lag, dachte sie würde zum Gewächshaus führen und zu einem möglichen Ausgang in den hinteren Garten, falls etwas schiefgehen sollte. Dann drehte er den Griff um, drückte die Tür einen Spalt auf und hielt inne. Als er von innen keine Reaktion hörte, stieß er die Tür ganz auf und trat ein. Auf der anderen Seite des Raumes konnte er das Gewächshaus sehen, einen Stuhl und eine Staffelei – er stand in Triscos Atelier.

Er ging durch den Raum zur Staffelei, warf einen Blick auf den Stuhl und sah die Ketten und Handschellen. Die Leinwand war groß, etwa anderthalb mal zwei Meter oder sogar noch größer. Als sein Blick an der Leinwand vorbeiging, entdeckte er die Türen zum hinteren Garten.

Dann drehte er sich zum Gemälde, um schnell einen Blick darauf zu werfen und war wie versteinert… Es war eine Stadtlandschaft. Eine junge Frau mit blondem Haar stand in der Nacht an der Ecke und wartete an einer roten Ampel, während Männer in Anzügen offen ihren nackten Körper anstarrten und mit ihren Händen die Brüste betatschten. Als Teddy ihr Gesicht sah, dämmerte es ihm, dass ihre Züge eine Mischung jener Gesichter waren, die an Nashs Wand vor dem Geschworenentisch hingen. Die Augen waren von einem Opfer, das Kinn von einem anderen; mit Triscos Erinnerung an seine Mutter als junge Frau war der Standard, nach dem jede beurteilt wurde: Eddie malte seine Mutter und tötete sie immer wieder.

Es war aber der Hintergrund, der etwas in Teddys Innerem sterben ließ. Er trat einen Schritt näher und betrachtete die Gebäude ganz genau, als der Horror mit kalten Fingern herausgriff und seine Seele näher an den Abgrund zog. Auf den Gebäuden waren Graffiti, aber nicht mit einem Pinsel gemalt … Teddy gab ein tiefes Stöhnen von sich, als er die Bilder erkannte, die nie mit Farbe auf eine Mauer in der Stadt gesprayt, sondern mit Tinte in die Haut von Darlene Lewis gestochen worden waren – er starrte auf Darlene Lewis Tattoos… Die Gebäude waren aus menschlicher Haut, die über die Leinwand gezogen und mit einer dünnen Schicht aus Firnis oder Schellack versiegelt worden war. Er spürte, wie sich sein Magen umdrehte, dachte er könnte ohnmächtig werden und trat zurück. Er brauchte Abstand. Die Leinwand war riesig und es gab viele Gebäude mit Graffiti, die den Hintergrund ausfüllten. Weitere Tattoos und Haut, die Darlene zur Verfügung gestellt haben könnte. Als er darüber nachdachte wurde Teddy klar, dass es noch eine Liste von Opfern geben musste, über die sich niemand bewusst war: eine Liste von Frauen, deren Gesichter nicht passten, nur ihre Haut.

Jemand stöhnte.

Teddy hörte es und zuckte zusammen. Er sah sich im Raum um und bemerkte, dass alle Türen in das höllische Labyrinth führten. Er hörte es wieder und versuchte, sich in den Griff zu bekommen. Das Geräusch kam von der Tür zu seiner Rechten. Er ging langsam hinüber und horchte durch das Holz. Es war eine Frau. Teddy hob die Pumpgun und drückte die Tür auf. Er sah Rosemary auf einem Arbeitstisch ausgestreckt. Als sie ihren Kopf hob, rollten ihre Augen nach hinten, dann wieder nach vorne, gingen an ihm vorbei, ohne ihn zu sehen. Er überflog den übrigen Raum, sah niemanden und eilte dann an ihre Seite. Es war nicht schwer zu erkennen, dass sie eine Überdosis von etwas hatte. Sie schwitzte übermäßig und ihre Haut war heiß, als er sie berührte. Noch schlimmer war das unkontrollierte Zucken, das durch ihren Körper bebte, als sie an den Fetzen zog, die sie festhielten. Sie war in einem kontinuierlichen Zustand von unfreiwilliger Bewegung. Teddy beobachtete, wie sie versuchte, sich aufzurichten, durch die Fesseln zurückgehalten wurde und wieder zurückfiel, worauf sie erneut versuchte, sich zu erheben. Rosemary war auf Autopilot. Sie konnte nicht aufhören sich zu bewegen. Sie war dabei draufzugehen.

Jemand ging über den Wohnzimmerboden. Teddy erstarrte und horchte auf die Schritte über ihm. Trisco! Als er ihn die Treppe herunterkommen hörte, sah er zu Rosemary. Er konnte nur an die Videoaufzeichnung denken, die er in Nashs Büro gesehen hatte. Der Junge, der auf dem Gehsteig vor dem Nachtklub eine Überdosis hatte und sich wie ein Fisch aufbäumte, bis er tot war. Er musste etwas unternehmen, aber was? Zwischen Ihren Beinen auf dem Arbeitstisch lag eine einfache Schere, mit der Trisco vermutlich die Fetzen zurechtgeschnitten hatte. Teddy sah prüfend zur Tür, hielt die Pumpgun mit links, schnappte sich die Schere und schnitt Rosemarys Hand- und Fußgelenke los. Dann zog er sie hoch und schleppte sie rüber ins Atelier. Trotz des Kleides, das sie trug, konnte er die Hitze ihres Körpers spüren, als er sie dabei an sich presste.

Mit dem Knie stieß er die Tür nach draußen auf und trat in die kalte Nachtluft hinaus. Er lehnte das Gewehr gegen den Türpfosten und ließ Rosemary in den Schnee sinken. Sie schien ihn jetzt anzusehen, ihn anzustarren. Versuchte ohne Worte oder gar Grund zu kommunizieren.

Er streckte die Arme in den Schnee und schob ihn hektisch über ihren Körper, Arm um arm, immer wieder, bis er etwas hinter seinem Rücken wahrnahm. Ein Schatten in der Düsternis. Jemand war da. Teddy hielt inne und drehte sich um. Edward Trisco stand in der Tür und beobachtete ihn. Seine Augen hatten die Farbe von Morphium – derselbe bernsteinfarbene Ton, den Teddy im Infusionsbeutel oben gesehen hatte. Da war ein Glühen in seinen Augen, das aufflackerte und dann im Rauch seines verunstalteten Gesichts wieder zu erlöschen schien. Er trug einen kurzen Bademantel und ein neues Paar Turnschuhe. Sein Körper war dünn, seine Muskeln zeichneten sich immer noch gut ab.

Trisco trat einen Schritt näher, vorbei an der Pumpgun, die am Türpfosten lehnte, ohne diese zu bemerken. Teddys Herz stand still. Wenn Trisco die Flinte entdeckte, könnte er sie mit einem Handgriff an sich reißen. Die Sicherung war gelöst, eine Patrone in der Ladekammer, die Waffe war schussbereit.

»Hilf mir«, sagte Teddy. »Sie stirbt.«

Trisco sah ihn an, überrascht über die Bitte, und strich mit seiner Hand über die vielen Schnitte und Kratzer in seinem Gesicht. Dann zeigte er seine verfaulten Zähne und lächelte. Teddy musste zugeben, dass es lächerlich war, den Verrückten um Hilfe zu bitten, aber er hatte dadurch die Gelegenheit gehabt, seine Beine in Stellung zu bringen. Falls nötig, war er bereit zu springen.

Von irgendwo im Keller konnte man hören, wie eine Tür auf- und zugemacht wurde. Trisco hörte es auch, bewegte sich aber nicht. Seine Augen bohrten sich in die von Teddy. Teddy kämpfte, um dem Blick standzuhalten, zu erkennen, was mit der anderen Hand des Irren war. Obwohl er sie nicht sehen konnte, glaubte er nicht, dass Trisco bewaffnet war. Ein Muskel an Triscos Hals begann zu zucken.

Nach einem Moment trat Trisco ins Haus zurück und verschwand so geschmeidig, als ob er Flügel hätte.

Teddy schauderte, hyperventilierte. Er schaute auf Rosemarys Gesicht hinunter und sah, wie sie ihn anstarrte. Als er mit seiner Hand über ihre Stirn und ihre Haare strich merkte er, dass sie nicht mehr zappelte. Er grub seine Arme in den Schnee und schaufelte weiter, bis ihr Körper ganz bedeckt war. Und dann hörte er das Geräusch eines Schusses.

Teddy schnappte sich die Pumpgun und rannte in den Keller zurück. Der Schall war gedämpft worden und er nahm an, dass er von einem der Räume hinter den geschlossenen Türen auf der anderen Seite des Ateliers kam. Teddy rannte am Gewächshaus vorbei, stieß die Tür auf und hob sein Gewehr hoch. Als er sein Ziel fand, es vor sich stehen sah, fühlte er, wie das Blut in seinen Adern zu rasen begann: Es war der Staatsanwalt! Es war Alan Andrews, der über Triscos Körper kauerte. Er hielt eine halb automatische Waffe in seiner rechten Hand und presste den Lauf an Triscos Kopf, als ob er noch einen Schuss abgeben wollte, aber gerade von einem Zeugen unterbrochen wurde. Trisco war im Mund getroffen worden. Er scharrte an der Wunde, rang nach Luft, unfähig das Blut zu schlucken, das herausströmte, während er auf dem Boden lag.

Teddy starrte auf das fehlende Puzzleteil und erschauerte. Andrews schützte Trisco nicht und hatte nicht vor, seinen Fehler in eine Irrenanstalt abzuschieben. Andrews war gekommen, um ihn loszuwerden. Er hatte seinen Ausweg darin gesehen, Eddie Trisco zu ermorden und Oscar Holmes trotz seiner Unschuld für die Verbrechen zu belangen. Teddy war erschüttert, sein Verstand raste. Der Staatsanwalt hatte ihr Profil gelesen und wusste, dass sie nach einem Künstler suchten. Er wusste aber auch von Trisco. Das war die einzig mögliche Erklärung, warum er mit Barnett so schnell einen Deal eingegangen war. Andrews wollte Holmes schnell durchziehen und eine Verurteilung erreichen. Er wusste von Trisco, seit er das Profil gelesen hatte. Andrews stand ganz alleine da und versuchte, alles geheim zu halten.

»Sie haben es gewusst«, sagte Teddy.

»Nehmen Sie die Waffe runter«, schrie Andrews.

Auf dem Boden lag eine Gasmaske. Trisco griff danach und versuchte, sie über sein Gesicht zu ziehen.

»Sie haben es gewusst«, wiederholte Teddy.

»Nehmen Sie die verdammte Waffe runter, Junge.«

Teddy schüttelte den Kopf.

Andrews sah ihn an und wandte sich dann wieder Trisco zu. Er kickte die Gasmaske weg, wischte sich über die Stirn und schien mit den Nerven am Ende zu sein. »Glauben Sie, ich hätte das getan?«, schrie Andrews. »Ich bin gerade gekommen. Es ist ein offensichtlicher Selbstmord.«

»Quatsch.« Teddy überflog den ganzen Raum. Er sah die offene Tür direkt hinter Andrews. Rechts war ein Durchgang, der zur Treppe führte. Auf der anderen Seite des Ganges war eine offene Tür zum Raum, wo er Rosemary gefunden hatte – die Leichenkammer.

»Nehmen Sie die verdammte Waffe runter«, zischte Andrews durch die Zähne.

Teddy schüttelte wieder den Kopf. Andrews starrte ihn jetzt an. Er wirkte völlig durchgedreht und dachte scheinbar nach. Er wusste, wie es aussah – wie es wirklich war. Nach einer Weile hob er die Waffe und zielte damit auf Teddy. Allen Andrews war gekommen, um Eddie Trisco zu ermorden. Am Ende war es sein einziger Ausweg. Sein unsinniger Versuch das Gesicht zu wahren, seine Karriere fortzusetzen und der nächste Bürgermeister der Stadt zu werden. Teddy umklammerte die Pumpgun fester. Die Punkte waren endlich verbunden, das Bild gezeichnet.

Andrews feuerte die Waffe ab.

Der Dreckskerl hatte es tatsächlich getan, rannte zur Tür und schlug sie hinter sich zu. Teddy fühlte, wie die Kugel an seiner Schulter entlangschrammte. Blut spritzte auf seine Wange und hinter ihm zerschmetterte etwas. Er schwang seine Winchester in Richtung Tür und drückte ab. Der Knall der Dreieinhalb-Zoll-Magnum war ohrenbetäubend und erschütterte das Haus. Die Tür wurde aus den Angeln gerissen und kippte in den Raum zurück. Er konnte sehen, wie Andrews durch einen zweiten Hauseingang hastete und versuchte abzuhauen.

Teddy lud durch und drückte nochmals ab. Die Patrone explodierte durch den Raum, er hörte Andrews schreien. Er lud erneut durch, stieg über die zerbrochene Tür, blieb stehen und horchte, wie es um die verschossenen Kugeln allmählich wieder still wurde, während er in den zweiten Raum spähte. Die Lichter waren aus. Teddy bemerkte, dass am anderen Ende des Raumes eine Tür einen Spalt offen stand und brauchte einen Moment, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Im Schatten sah er dann die Heizung. Werkzeug lehnte an der Wand. Ein Behälter, der vor langer Zeit zum Kohlelagern benutzt worden war. Andrews sah er nicht. Teddy ging durch den Raum.

Er machte nur drei Schritte hinein, als er die Sirenen hörte, die näherkamen. Dann stürzte Andrews sich von oben auf ihn. Ein Schuss löste sich aus der Schrotflinte und Teddy krachte mit Andrews über sich zu Boden. Er sah, wie die Pistole des Staatsanwalts über den Beton rutschte. Der Mann war wie ein herumpeitschendes Starkstromkabel, krallte sich in sein Gesicht und an seinen Hals und griff nach der Waffe. Teddy versuchte Andrews’ Hand wegzuziehen, aber sein Arm wurde festgehalten und fühlte sich wegen der Wunde schwer an. Andrews schob sich stückchenweise vorwärts und streckte sich aus.

Dann betrat jemand anders den Raum und blieb in der Dunkelheit stehen. Michael Jackson, dachte Teddy. Vielleicht sogar Trisco. Es war vorbei. Die Polizei würde nicht rechtzeitig hier sein.

Andrews legte seine Hand um die Waffe. Die Gestalt kam näher, ein Lichtstrahl streifte über das Gesicht. Teddy sah die Farbe der Augen, als sie durch die Dunkelheit wie Scheinwerfer glitzerten und sie durchschnitten. Katzenaugen. Kobaltblau und stark geweitet. Nash packte eine Schaufel und schwang sie mit zusammengepressten Zähnen hinunter. Der Schlag war vernichtend, die Stahlschaufel klang wie eine Stimmgabel, als sie gegen einen Knochen krachte und ihn zermalmte. Andrews wurde an der Stirn getroffen und fiel wie ein toter Soldat auf den Betonboden.

Leute eilten die Treppe herunter und schrien, alles war verschwommen. Die Waffe fiel Andrews aus der Hand und er bewegte sich nicht. Dennoch trat Nash dem Staatsanwalt auf die Hand, hob die Schaufel in die Luft und versetzte Andrews einen zweiten harten Schlag über den Kopf, nur um sicherzugehen. Dann ging das Licht an und Teddy sah Powells Gesicht. Sie eilte auf ihn zu und bückte sich. Vega und Ellwood waren direkt hinter ihr. Ihre Augen schienen auf seine linke Schulter fixiert zu sein.