ZWEIUNDSECHZIG
Eddie hörte etwas auf den Betonboden aufschlagen und spähte um seine Leinwand herum, während er die Riemen der Gasmaske über seinem Kopf festzog. Es war Rosemary. Sie war auf ihr Gesicht gefallen, hatte sich das Kinn aufgeschlagen und bewegte sich nicht. Ihre Augen waren aufgerissen und sie sabberte. Es sah aus, als ob ihr ein Zahn abgebrochen wäre. Ohne ihr Lächeln erinnerte sie ihn wieder an ein dummes Flittchen.
Rosemary war ein totaler Reinfall. Offensichtlich eignete sie sich für den Job als Modell für einen Künstler nicht mehr. Sie konnte nicht einmal auf einem Stuhl sitzen. In Wahrheit hatte es mit ihr von Anfang an nicht funktioniert. Ihre Haltung war völlig falsch. Rosemary hatte ihren Beitrag für die größere Sache nie verstanden. Was war das Leben schon, angesichts der großen Kunst?
Eddie ignorierte die Unterbrechung und kehrte zu seiner Leinwand zurück. Er hatte mit verschiedenen Schellacken experimentiert und dachte, er hätte endlich einen gefunden, der passte. Das Problem war immer die Oberflächenbehandlung. Der Schellack wurde nur im Hintergrund benutzt und er wollte nicht, dass er hervorstach. Als er einen dünnen ersten Überzug aufsprühte, horchte er auf den Rhythmus seines Atems durch die Gasmaske. Er war gleichmäßig und stabil, genau wie seine Hand.
Nach etwa einer Stunde senkte er den Pinsel und trat einen Schritt zurück. Das Werk machte Fortschritte, entschied er. Es war am Ende doch keine Zeitverschwendung gewesen. Er konnte die Erregung in seiner Brust spüren, als er noch einen Schritt zurücktrat und dann noch einen. Die Perspektive des Gemäldes änderte sich. Ihm gefiel die Art, wie der Schellack die Farbe der Öle hervorholte und dem Werk zusätzliche Tiefe gab.
Die Augenlöcher in der Gasmaske fingen an, sich zu beschlagen. Als er auf seinen Atem achtete, merkte er, dass er hyperventilierte. Er setzte sich hin und spähte durch die Maske auf das Bild. Er konnte seine Augen nicht davon abwenden. Sein Werk sah selbst in einem Nebel gut aus.
Nach einer Weile fasste er sich wieder und bemerkte ein glucksendes Geräusch, das von irgendwo im Raum herkam. Es war sein Modell, Rosemary, die wieder dazwischenfunkte. Er erhob sich vom Stuhl und ging um die Leinwand herum. War er Napoleon oder Michelangelo? Er konnte es nicht wirklich sagen. Er wusste nur, dass dieses Miststück das Essen, das er ihr gegeben hatte, über den ganzen verdammten Boden erbrochen hat. Er drehte sie mit seinem Fuß um, als ob er auf ein Opfer eines großen Krieges gestoßen wäre, dem nicht mehr zu helfen war. Ihre Augen waren offen, aber irgendwo in der Schlacht verloren. Schweiß strömte von ihrem Körper, als ob sie in den Regen gekommen wäre. Er fühlte ihre Stirn. Sie war warm, aber nicht kochend heiß.
Es war an der Zeit, beschloss er. Zeit, sich für einen weiteren Gang in die Vergangenheit vorzubereiten. Zeit für Rosemary, ihren endgültigen Beitrag zur Sache zu leisten.
Er packte sie an den Armen und zog sie aus dem Atelier. Er räumte seine Skizzen vom Arbeitstisch weg, legte eine Abdeckplane aus, die er kistenweise in der Malerabteilung des Walmarts gekauft hatte, hob dann ihren Körper hoch und legte ihn darauf. Sie verbog sich für einen Moment unabsichtlich, schien sich aber zu beruhigen. Er sicherte ihre Hand- und Fußgelenke eines nach dem anderen mit Stofffetzen an den Tischbeinen. Ihre Augen blieben offen und Eddie fragte sich, ob sie ihn beobachtete. Er fragte sich, ob sie irgendwie wusste, was in der Totenkammer vor sich ging.
Er fühlte wieder ihre Stirn. Ihre Wangen. Sie fing an zu kochen. In einer Stunde würde sie bereit sein. Fast geschafft.