ZWEIUNDVIERZIG

Eddie Trisco spähte durch den Vorhang und fragte sich, ob es sicher wäre, nach draußen zu gehen. Die Sonne war schon vor einer Stunde untergegangen, trotzdem waren die Fenster im Eckhaus dunkel geblieben. Er prüfte die Dachlinie und sah, dass die Satellitenschüssel auf ihn gerichtet war. Er konnte nicht sagen, ob die seltsame Anlage funktionierte oder nicht, aber der Mann, den er diesen Morgen gesehen hatte, wie er Reparaturen machte, war schon lange weg. Und auch die Autos, die entlang der Straße geparkt waren. Vielleicht war das die Pause, auf die er gewartet hatte. Vielleicht hatten sie gerade einen Schichtwechsel.

Er drehte sich vom Fenster weg und starrte auf Mrs Yaps Körper auf dem Wohnzimmerboden, während er seine Optionen durchging. Er musste ihren Wagen loswerden. Mit der Leiche konnte er sich später beschäftigen. Aber er wollte auch Rosemary nicht alleine lassen.

Er ging hinunter und fand sie schlafend im Stuhl vor der Staffelei. Er überprüfte den Verschluss der Handschellen und Fußeisen – die Ketten, die durch die Lehne und Beine des Stuhls liefen.

Sie hatte fast den ganzen Tag geschlafen. Er wollte nicht, dass sie so aufwachte. Sie könnte hungrig sein oder ins Badezimmer müssen.

Die Entscheidungen im Leben eines Künstlers konnten so schwer sein. Er öffnete die unterste Schublade des Schrankes, zog eine Decke heraus und wickelte sie damit ein. Dann ging er die Treppe hoch.

Obwohl das Licht aus war, konnte er erkennen, dass Mrs Yap ihre Federn verloren hatte. Sie war kein Vogel mehr. Sie war nicht quirlig. Er stieg über ihren Körper und öffnete den Schrank neben der Eingangstür. Er zog einen Kapuzenanorak an, wickelte einen Schal um seinen Hals und griff nach seinen Handschuhen. Dann nahm er ihre Handtasche und ging sie im Dunkeln durch. Das war ihre Schuld, sagte er sich. Sie hatte ihre Nase in seine Angelegenheiten gesteckt und hätte fast sein Werk ruiniert. Was hatte sie denn erwartet?

Er fand die Schlüssel zu ihrem neuen Mercedes und ließ die Tasche auf den Boden fallen. Er stieß die Haustüre auf und prüfte die Straße. Die meisten Häuser in der Nachbarschaft waren mit Weihnachtsbeleuchtung geschmückt. Alle, außer seinem und jenem Haus an der Ecke, in dem die Beobachter wohnten.

Die Luft schien rein zu sein.

Eddie schlüpfte aus dem Haus, zog die Tür zu und verschloss sie. Aber als er zu Mrs Yaps Mercedes eilte, hörte er etwas in der Luft. Ein Hubschrauber am dunklen Himmel. Die arktische Brise ignorierend, hetzte er zum Wagen, hielt die Schlüssel bereit, zog dann die Tür mit einem Ruck auf und sprang hinein.

Sie waren es. Er konnte die Suchscheinwerfer über die Häuser der nächsten Straße schweifen sehen. Sie orientierten sich. Sie arbeiteten sich zu seinem Haus vor. Er sollte sich lieber beeilen.

Der Wagen sprang beim zweiten Versuch an. Er fuhr rückwärts die Einfahrt hinaus und in einem leichten Ich-bin-nicht-der-den-ihr-sucht-Tempo die Straße hinunter. Als er das Stoppschild erreichte, ignorierte er das Eckhaus und wartete, bis ein Ford Explorer vorbei war. Es war wieder eine Frau mit einem Handy. Eddie bog rechts ab in Richtung Stadt und stellte fest, dass in allen Explorern Frauen fuhren, die in Handys quasselten. Es war so hässlich. So typisch.

Er blickte aus dem Fenster und griff in die mitgebrachte Tüte Schokochips. Der Hubschrauber war jetzt hinter ihm, der Klang der Rotoren wurde in der Entfernung schwächer. Es war nicht genug Zeit, bis zum Flughafen zu fahren, entschied er. Wenn er den Wagen auf einem Langzeitparkplatz abstellte, würde das bedeuten, dass er den Bus zum Flughafen zurücknehmen müsste und dann den Zug in die Stadt. Er wusste aus Erfahrung, dass das Stunden dauerte.

Er gähnte und schmatzte, während die Schokolade in seinem Mund zerging. Er hatte seit zwei Tagen nicht geschlafen. Es kam ihm der Gedanke, einen leckeren Milchkaffee zu schlürfen. Er fragte sich, ob der Fenstertisch in Bennys Café Blue wohl frei wäre. Vielleicht sollte er dort vorbeischauen.