SECHSUNDSECHZIG
Das verdammte Telefon hörte nicht auf zu klingeln… Eddie sah auf Rosemary, die da ausgestreckt auf dem Tisch lag und konnte das miserable Timing nicht fassen. Ihre Motoren heizten sich gerade auf, aber das Telefon klingelte nach zwanzig Uhr, was ungewöhnlich war, und hörte einfach nicht auf.
Er konnte es nicht mehr aushalten.
Er rannte in die Küche hinauf, hob den Hörer ab und knallte ihn wieder hin. Er genoss die Stille, schob die Vorhänge etwas auseinander und spähte durch das Fenster auf das Haus an der Ecke. Ein Mann, der wie ein Installateur gekleidet war, stieg aus einem Van und ging die Einfahrt hoch, während er auf sein Klemmbrett schaute. Der Mann war ein guter Schauspieler, aber nicht gut genug. Eddie wusste, dass sie es waren. Sie mussten es sein; und sie zerstörten den Augenblick.
Wieder fing das Telefon an zu klingeln.
Eddie schrie durch das Fenster zum Haus hinüber, fasste sich dann aber wieder, als ihm die Satellitenschüssel auf dem Dach auffiel. Sie sah größer als gewöhnlich aus. Anders. Die Abhörvorrichtung war direkt auf ihn gerichtet.
Er schauderte. Er konnte es nicht riskieren, dass seine FBI-Nachbarn ihren Monitor ansahen und wussten, was jetzt gerade in seinem Kopf vorging. Er drehte sich vom Fenster weg, sah den Walkman neben der Spüle und schob den Kopfhörer über seine Ohren. Er suchte auf dem UKW-Band nach dem Countrymusik-Sender, konnte ihn aber nicht finden. Er holte tief Luft, schaltete auf das TV-Band um und stellte die Wiederholung der Lawrence Welk Show auf dem öffentlichen Fernsehsender ein. Lawrence Welk musste genügen.
Er drehte die Lautstärke auf, bis der Klang des Telefons unbedeutend wurde und ging dann nach oben, um sich für Rosemarys letzten Beitrag zur Weltgeschichte und den Künsten vorzubereiten. Er drehte die Dusche auf, wartete, bis das heiße Wasser kam, und zog sein Hemd aus. Im Schrank des Schlafzimmers zog er seine Robe vom Kleiderbügel und legte sie sorgfältig auf dem Bett aus. Dann legte er seine Schuhe ab, knöpfte seine Hose auf und setzte sich ans Bettende.
Der Kopfhörer verrutschte. Eddie schob ihn wieder über seine Ohren und hörte zu. Es war die Aufnahme einer Livesendung aus dem Champagne Theater in Branson, Missouri. Alle fünf lebenden Champagner Ladys waren da und Welk versprach, dass die Hotsy Totsy Boys später in der Show einen speziellen Tribut an die Dixieland-Musik in Form eines Gesangs leisten würden.
Eddie lächelte. Der Himmel erwartete ihn.
Er schaute auf den Radiowecker auf dem Beistelltisch, entfernte dann den Verband an seinem Bein und untersuchte die Wunde. Auf der Schnittwunde bildete sich schon Schorf und sie schien zu heilen. Als er sie mit seinem Finger berührte, schmerzte es ein wenig, aber das Morphium wirkte noch. Er musste nicht zum Arzt, dachte er. Überhaupt war er froh, dass er nur eine scharfe Klinge dabeigehabt hatte.