SIEBEN

Er dachte oft, Dinge mit ihr zu machen. Er konnte nicht anders und konnte manchmal nicht mehr aufhören…

Teddy verließ die Eingangshalle und ging zum Parkplatz, um sein Auto im gefrierenden Regen und nassen Schnee zu suchen.

Dinge…

Die Dinge, die Holmes Darlene Lewis angetan hatte, waren so brutal, dass das Schwein einen Blackout hatte und sich nicht mal mehr daran erinnerte, wie er nach Hause kam. Was Holmes gesagt hatte, war kein Geständnis, aber das Motiv war deutlich genug.

Teddy sah auf seine Uhr: Es war schon nach elf. Als der Tag angefangen hatte, war er kurz davor gewesen, seine erste Entscheidung vor dem Zivilgericht zu gewinnen. Jetzt half er Jim Barnett, einen Wahnsinnigen durch das System zu geleiten, das auf einem Verfahren bestand. Es würde sich länger hinziehen – laut und schmerzhaft für alle.

Er entdeckte seinen Wagen weiter vorne, hielt aber den Blick auf den Boden gerichtet und tat so, als würde er den nassen Asphalt auf Eis hin überprüfen. Er wusste, dass das Holmesburg-Gefängnis auf der anderen Seite der I-95 lag, wollte es aber nicht sehen. Er fürchtete sich davor, es zu sehen, weil er glaubte, er könnte zusammenbrechen. Es war ein langer Tag und er musste alles verdrängen. Seine Erinnerungen ausschalten, vergessen was war – er hatte niemandem erzählt, dass dies das Zeug aus Albträumen aus mehr als der Hälfte seines kurzen Lebens war. Dass er Holmes treffen musste, war nur der grässliche Zuckerguss auf einem vergifteten Kuchen.

Als der stellvertretende Gefängnisdirektor ihm von den Curran-Fromhold-Morden erzählte, hatte Teddy so getan, als ob er zum ersten Mal davon hörte, obwohl das nicht stimmte. Sein Vater hatte ihm die gleiche Geschichte erzählt, als Teddy erst vierzehn war. Teddy hatte die Gerüchte in der Schule gehört und seinen Vater darüber ausgefragt, als er mit seiner Mutter samstags einen Besuch im Gefängnis machte. Sein Vater gab zu, dass die Gerüchte stimmten, während er versuchte, seinem besorgten Sohn zu versichern, dass diese Dinge nicht wieder vorkämen. Alles würde gut werden.

Teddy wischte den Schnee von seiner Windschutzscheibe. Als er den Wagen anließ, sah er auf die Temperaturanzeige am Armaturenbrett: ein halbes Grad. Die Straßen waren vielleicht glatt, aber noch nicht eisig. Er drehte die Heizung auf. Während er wartete, bis es im Wageninneren warm war, zog er das Handy heraus und prüfte seine Nachrichten. Es waren drei.

Die erste war von Brooke Jones, in der sie um die Original-Unterlagen in diesem Körperverletzungsfall bat. Sie sagte, sie konnte sie in der Stofftasche aus seinem Büro nicht finden. Sie versuchte so zu klingen, als ob das, was sie für ihn tat, ein großer Gefallen wäre. Sie war von Anfang an ein Miststück und er konnte den affektierten Ton ihrer Stimme nicht ausstehen. Jones war einer dieser Leute, denen man heutzutage so oft auf der Straße begegnete: immer in Eile, aber ziellos. Teddy löschte die Nachricht, bevor er sie zu Ende gehört hatte.

Die zweite Nachricht war von Jill Sykes, die ihn warnte, dass Brooke Jones anrufen würde. Er lächelte über ihr Timing und hörte ihr eindringliches Flüstern mit den Bürogeräuschen im Hintergrund. Als sie auflegte, hoffte er, dass die Kanzlei sie einstellen würde, wenn sie durch ihre Examen durch war. Er brauchte einen Verbündeten. Jemand, der nicht immer alles gegeneinander aufrechnete.

Die dritte Nachricht müsste von Barnett sein. Teddy machte die Innenlichter an und nahm sich einen Stift, falls er etwas aufschreiben musste. Das Telefon piepte und die Nachricht fing an. Zwei Sekunden später piepte das Telefon wieder. Es wurde aufgelegt, wahrscheinlich von Jones. Barnett hatte nicht angerufen und das fand Teddy unglaublich.

Er tippte Barnetts Handynummer ins Telefon. Als die Mailbox ansprang, fluchte er. Offensichtlich hatte Barnett sein Telefon ausgeschaltet. Teddy schlug sein Adressbuch auf und fand Barnetts Festnetznummer. Er tippte sie ein und versuchte cool zu bleiben. Das Telefon klingelte vier Mal und dann ging Barnetts Anrufbeantworter dran. Teddy steckte sein Handy wieder in die Tasche und fragte sich, was zum Teufel mit Barnett los war.

Nach einer Weile machte er die Scheibenwischer an und fuhr vom Parkplatz herunter. Als er an der Schranke vorbei war und den Parkplatz verlassen hatte, drehte sich der Wagen plötzlich und rutschte. Er konnte nicht sagen, ob die Straßen glatt waren oder ob es nur am Auto lag. Er wusste, dass alle vier Reifen ausgewechselt werden mussten, aber er wollte mit den Ausgaben bis nach den Feiertagen warten. Seine Kreditkarte war bis zum Limit ausgeschöpft und als er letzte Woche eine neue beantragte, wurde das abgelehnt. Wie auch immer, er konnte spüren, wie der Corolla auf dem Asphalt schlitterte. Teddy ging vom Gas und beschleunigte den Wagen nur sehr langsam. Als er auf die I-95 fuhr, trafen die Lichter eines sich nähernden Trucks auf den Rückspiegel und Teddy wandte sich von dem grellen Licht ab. Seine Augen schweiften durch die Dunkelheit und blieben an dem verlassenen Gebäude, das im Schneefall verborgen lag, hängen.

Das Holmesburg-Gefängnis.

Das Gebäude lag völlig im Dunkeln; das alte Gefängnis hob sich gegen das verschandelte Stadtbild von Nord-Philadelphia ab. Er wollte es nicht anschauen, wollte es nicht sehen, aber da war es: Es erhob sich aus dem alten Mist, nachdem es so lange in seinem Verstand vergraben war.

Sein Vater hatte gesagt, es wäre okay, aber das war es in Wirklichkeit nicht.

Teddy verstärkte den Griff um das Lenkrad und wusste, er würde durchdrehen. Er prüfte die Temperaturanzeige und sah, wie die Außentemperatur drei Grad unter den Gefrierpunkt sank, als er die Stadt erreichte. Er ließ sie hinter sich und fuhr auf der Schnellstraße in Richtung Westen. Die Straßen waren mit einer schwarzen Glasur bedeckt und der gefrierende Regen war in starken Schneefall übergegangen. Er wühlte in seiner Tasche, fischte die Packung Marlboro heraus und zündete sich eine an. Dann kurbelte er das Fenster herunter und schaltete das Radio ein, in der Hoffnung, dass sein Verstand abrutschen würde wie sein Auto von der Straße, wenn er sich auf das Geschwätz konzentrierte..

Es wäre okay. Sein Vater hatte gesagt, dass es das wäre. Teddy war damals noch so jung, dass er ihm glaubte. Zwei Wochen später hatte das Telefon geklingelt und seine Mutter bekam diesen bedeutungsvollen Anruf…

Jonathan Mack war ein Architekt und Bauherr von bezahlbaren Wohnungen am Stadtrand, fünfundzwanzig Kilometer westlich der Stadt, bekannt als Main Line. Er hatte das Geschäft nach dem Abschluss des Architekturstudiums an der Yale mit einem Freund aus der Highschool gegründet. Nachdem sie zehn Jahre lang gekämpft hatten, fingen die Leute an, ihre innovativen Designs zu bemerken. Ein paar Jahre später konnten sie nicht schnell genug Häuser bauen. Aber Teddys Vater war ein Visionär. Er konnte sehen, wie die unkontrollierte Ausbreitung die Landschaft auffraß und hatte eine Idee, wie er das verhindern könnte: Anstatt ein Baugebiet nach dem anderen mit Einfamilienhäusern zu bebauen, spielte er mit der Idee, eine autarke Gemeinschaft zu planen. Die Leute brauchten einen Platz zum Leben, während die Regierung nicht vorhatte, etwas gegen das Bevölkerungswachstum zu unternehmen, das außer Kontrolle geraten war. Die Wahl war klar. Entweder verdichtete man den Lebensraum, oder man fällte jeden Baum. Jonathan Macks Ziel war es, das Land zu retten.

Für das Projekt wurde ein Grundstück gefunden. Ein Team von Architekten wurde beauftragt, bei den Entwürfen seines Vaters zu helfen. Teddy konnte sich daran erinnern, wie sein Vater jeden Abend am Modelltisch seines Arbeitszimmers über den Zeichnungen hing. Er schien so glücklich und Teddy beobachtete ihn heimlich, versteckte sich hinter dem Treppengeländer im Wohnzimmer. Es gab Bauplätze für Hunderte von Reihenhäusern, ein Platz für ein Einkaufszentrum, damit niemand weit fahren und Benzin verschwenden musste und dann genauso viel Platz für drei Gewerbegebiete. Es war, als ob sein Dad eine ganze Stadt plante.

Die Menge Geld, die erforderlich war, um das Projekt zu entwickeln, war enorm. Aber sein Vater bekam die Finanzierung leichter, als alle erwartet hatten: Der Plan war genial, sinnvoll und von Jonathan Mack. Jeder wollte daran teilhaben, wie sich Teddy erinnerte – außer die Umweltschützer.

Eines Abends durfte er mit seiner Mutter und der jüngeren Schwester an einer Versammlung der Stadt teilnehmen. Sie saßen in der hinteren Reihe und verfolgten die Präsentation und die darauffolgenden Fragen. Einige Leute kamen Teddy damals gemein vor und viele waren wütend auf seinen Vater. Aber Jonathan Mack ließ sich nie beirren. Stattdessen sagte er zu den Umweltschützern, dass er mit ihnen übereinstimme. Dann schaltete er den Diaprojektor wieder ein und zeigte ihnen Luftaufnahmen, wie das Gebiet in zwanzig Jahren aussähe, wenn es mit Einfamilienhäusern bebaut werden würde. Sie wären kurzsichtig, sagte er, genau wie er vor weniger als zwei Jahren. Trotz all der Bebauung, meinte sein Vater, bräuchten sie nur fünfundvierzig Prozent des Landes. Der Rest des Grundbesitzes würde für immer unberührt bleiben. Als sein Vater fertig war, hatte sich die Stimmung im Raum verändert und sogar die aktivsten Umweltschützer waren nun mit an Bord.

Sechs Monate später machten sie den ersten Spatenstich. Alles schien nach Plan zu verlaufen. Dann, eines Samstags, wurde Jonathan Macks Freund und Partner vom Reinigungspersonal tot in seinem Büro aufgefunden. Teddy war zu jung, um die Einzelheiten mitzubekommen, aber er hörte seine Eltern flüstern und wusste, dass der Mann mit einem Gewehr erschossen worden war.

Einige Wochen vergingen, in denen seine Eltern jeden Abend nach dem Essen ins Arbeitszimmer gingen und hinter geschlossenen Türen redeten. Die Freude war weg und das Haus gefüllt mit einer neuen Art von Spannung, die Teddy zuvor noch nie erlebt hatte. Er versuchte die Veränderung zu kompensieren, indem er sich mehr um seine kleine Schwester kümmerte, seine Arbeiten erledigte, bevor er aufgefordert wurde, und sein Zimmer aufgeräumt hielt – Dinge, die er in der Vergangenheit nie gut hinbekommen hatte. Abends ging er schlafen und wünschte sich, alles würde wieder so werden, wie es war. Wer brauchte große Bauprojekte, wenn es ein Einfamilienhaus auch tat?

Es war eines Nachmittags, er war in der Küche und half seiner Mutter, das Abendessen fertigzumachen, als es an der Tür klingelte. Teddy lief hin und sah vier Polizisten auf der anderen Seite des Windfangs. Sie sagten, sie wollten nur reden, aber als Teddy mit seiner Schwester die Treppe hochging, wusste er, dass sie logen. Er sah von seinem Schlafzimmerfenster, wie sein Vater in Handschellen aus dem Haus geführt wurde. Seine Mutter weinte und er konnte sehen, dass sein Vater es auch tat. Sie weinte und wollte ihn berühren, bevor er in den Wagen stieg, ihn umarmen und ihm einen letzten Kuss geben. Aber einer der Polizisten packte sie, zog sie weg und schrie sie an, sie solle aufhören.

Teddy raste die Treppe hinunter und stürmte zur Haustür hinaus. Bevor es ihm bewusst war, schlug er auf den Polizisten ein, boxte ihn und gab sein Letztes. Sein Körper war noch klein und jungenhaft, aber er verbrachte die meiste Zeit damit, Steine aus Flussbetten zu heben, um nach Salamandern zu suchen und auf Bäume zu klettern, bis er die höchsten Zweige erreichte. Er war stark für seine Größe und hörte nicht auf, bis ihn einer der anderen Polizisten wegzog und auf den Boden warf. Der Polizist hielt ihn unten fest und fragte ihn, ob er auch ins Gefängnis wolle wie sein alter Herr. Teddy starrte ihm in die Augen und sagte ihm, wenn sein Freund nicht aufhörte, seine Mutter anzufassen, würde er ihn töten. Der Polizist sah ihn einen Augenblick an, ohne etwas zu sagen. Dann ließ er ihn los, stieg ins Auto und nahm mit seinen verdammten Polizeifreunden Teddys Vater mit. Teddys idyllische Kindheit war vorbei.

Er zündete sich noch eine Zigarette an und dachte daran, wie sehr er das Strafrecht hasste und die Welt, die damit einherging. Es konnte einen schwer treffen und ging bis ins Innerste.

Im Radio kam ein Bericht über den Straßenzustand, was ihn wieder in die Gegenwart zurückholte. Die Nachricht war so gut wie sein Tag. Offenbar fiel der Schnee schneller, als er weggeräumt werden konnte. Die Menschen wurden gewarnt, zu Hause zu bleiben.

Als er King of Prussia erreichte und auf die Route 202 abfuhr, war der Schnee dreißig Zentimeter hoch und die vierspurige Straße sah verlassen aus. Über einen halben Kilometer war nur ein Auto zu sehen. Teddy heftete seinen Blick auf die Rücklichter des Wagens und hielt sich an die hinterlassene Spur wie bei einem Zug. Als er die Ausfahrt nach Devon erreichte, fuhr das Auto vor ihm auf der vierspurigen Fahrbahn weiter und verschwand in der Nacht. Nun war Teddy auf sich alleine gestellt.

Er brauchte drei Anläufe, um die eineinhalb Kilometer auf der Devon-Landstraße den Hügel hochzukommen – im dritten Versuch schaffte er es dann Nägel kauend mit achtzig Kilometern pro Stunde. Das Auto rutschte und schlitterte über beide Fahrbahnen der zweispurigen Straße, aber er schaffte es mit genügend Schwung über den Berg und landete nicht in den Bäumen.

Als er es auf die andere Seite geschafft hatte, fuhr er durch Lancaster Pike in Richtung Süden auf die Waterloo Road. Drei Kilometer weiter bog er in die Auffahrt ein und bemerkte Quint Adlers Auto, das neben dem von Teddys Mutter geparkt war. Die Lichter in der Scheune draußen brannten. Sogar durch die geschlossenen Türen konnte er das brennende Eichenholz vom offenen Kamin riechen und er wusste, dass sie immer noch am Arbeiten waren.

Teddy war dankbar, dass Quint hier war. Er war Quint für vieles dankbar, aber heute Nacht wollte er einfach nur alleine sein.

Er stieg aus dem Wagen und besah sich das Haus, wie es da aus dem Schnee ragte. Es war ein elegantes Bauernhaus aus der Kolonialzeit, das 1820 erbaut worden war und auf anderthalb Hektar bewaldetem Grund stand – weit weg vom Holmesburg-Gefängnis. Sein Vater hatte den Grundbesitz schon vor Teddys Geburt gekauft, das Steinhaus umgebaut und bei der Scheune ein Gewächshaus für seine Frau errichtet. Als die Renovierungen fertig waren, fing sein Vater mit der Scheune an und verwandelte sie in ein Atelier.

Ein Auto fuhr langsam die Straße hinunter. Teddy sah, wie es am Haus vorbeifuhr, hörte den Motor brummen und wunderte sich, wie der Schnee das Geräusch dämpfte. Er schaute über die Straße, auf der die offenen Parzellen von einem Wohngebäude nach dem anderen verschlungen wurden, genau wie sein Vater es vorausgesagt hatte. Die großen Häuser wurden in planlosen Gruppen errichtet, als ob sie das Resultat eines Tornados wären; die Architektur war billig und grotesk. Noch schlimmer war, dass niemand von diesen Leuten, die in diesen Wohnungen lebten, an das Pflanzen von Bäumen glaubte. Stattdessen bevorzugten sie den freien Blick, störten die einst idyllische Lage durch das Vorzeigen von Reichtum und verwandelten die sanft ansteigenden Hügel in einen aufdringlichen Schandfleck. Teddy erinnerte diese Raumaufteilung an einen Friedhof.

Er schnippte seine Zigarette auf die Straße, holte die Aktentasche aus dem Auto und ging nach hinten zur Küchentür. Nachdem er den Schnee von seinen Schuhen geklopft hatte, trat er ins Haus und legte die Jacke ab. Er brauchte einen Drink. Nicht sein übliches Bier, sondern etwas Stärkeres. Er entschied sich für Wodka, zog die blaue Flasche aus dem Kühlschrank und füllte ein großes Glas erst mit Eiswürfeln, dann bis zum Rand mit dem Wodka. Er nahm einen ersten Schluck, ließ die weiche Flüssigkeit den Hals hinunterlaufen und seinen Magen wärmen. Dann ging er die hintere Treppe zu seinem Zimmer hoch und hoffte, dass der Alkohol ihn beruhigte.

Er machte das Licht an, schloss die Tür und nahm noch einen Schluck, bevor er das Glas auf dem Tisch neben seinem Bett abstellte. Er nahm sein Handy und versuchte es nochmals bei Barnett, tippte dessen Festnetznummer ein. Nach dem zweiten Klingeln sprang wieder der Anrufbeantworter an.

Teddy saß in der Falle, das wurde ihm schlagartig klar. Er konnte die Kanzlei wegen seiner Schulden, die sich nach vier Jahren College und drei weiteren Jahren an der juristischen Fakultät auf hundertneunzigtausend Dollar beliefen, nicht verlassen. Die Zinsen auf sein Darlehen kosteten ihn weitere achtzehntausend im Jahr. Nachdem jeden Monat die Zahlungen für das Darlehen und die Kreditkarte abgezogen waren, hatte er kaum noch etwas für Essen und Kleidung übrig. Er brauchte diesen Job, aber er konnte Barnett auch nicht weiterhelfen. Nicht mit Oscar Holmes.

Er griff nach der Fernbedienung und machte den Fernseher an. Es war schon nach Mitternacht. Ein Football-Spiel oder ein Film musste überzogen haben, denn die Lokalnachrichten liefen noch. Teddy saß auf dem Bett und verfolgte die Sendung, während er an seinem Drink nippte. Der Nachrichtensprecher hatte zu einer Liveübertragung vor Darlene Lewis’ Haus im Schneesturm geschaltet. Die Reporterin sah eher wie ein Model aus. Sie hatte dichtes Haar und überkronte Zähne, trug zu viel Make-up und Schmuck und trotz des rauen Wetters ließ sie ihre Jacke offen, damit jeder ihren Armani-Anzug darunter sehen konnte. Das Todeshaus war dunkel und gespenstisch und lieferte genau den richtigen Hintergrund für die Story. Die Polizei war schon lange weg. Das Model stand auf den vorderen Stufen und erklärte in groben Zügen, was an diesem Tag geschehen war. Sie gab vor, verängstigt zu sein. Aber sie war keine so gute Schauspielerin und ihr unfertiges Lächeln schien unpassend.

Teddy fragte sich, ob sie in Wirklichkeit nicht froh über das war, was mit Darlene Lewis an diesem Vormittag geschehen war. Die Einschaltquoten gingen hoch. Mörder brachten Geld für den Armani-Anzug und das Auto und das Haus und offene Investmentfonds, die damit einhergingen. Das Model hatte eine große Story und jeder würde sie trotz der späten Stunde heute Nacht sehen.

Spieglein, Spieglein an der Wand…

Die Liveübertragung wurde von Einspielern unterbrochen, die früher am Abend aufgenommen worden waren, aber das brachte keine große Erleichterung. Teddy sah, wie die Leute der Gerichtsmedizin den Leichnam von Darlene auf einer Rollbahre aus der Haustür und in einen Van schoben. Der Anblick des Leichensackes brachte alles wieder in Erinnerung und Teddy konnte das Mädchen immer noch an den Esstisch gebunden sehen und wie sie durch ihren Knebel schrie… Der freundliche Postbote aus der Nachbarschaft stand über ihr, war einmal zu viel provoziert worden, hatte sein Messer herausgezogen, ihr Fleisch weggeschnitten und es gegessen.

Teddy schaltete den Fernseher aus, löschte die Lichter, legte sich aufs Bett und überlegte sich seine Optionen, während er noch mehr Wodka trank. Es gab keine, beschloss er. Seine Augen wanderten durch die Dunkelheit zu dem zwölfkalibrigen Gewehr, das an der Wand neben dem Fenster hing. Er hatte es nach dem Tod seines Vaters geerbt – vor langer Zeit, als die Welt noch eine andere war und die Felder auf der anderen Straßenseite einfach nur Felder waren und kein Friedhof. Sie hatten zusammen Tontauben geschossen, nur sie beide. Manchmal ließen sie das Gewehr liegen und gingen einfach los, um die Fasane zu erschrecken, die sich im hohen Gras versteckten. Er konnte den Glanz in den Augen seines Vaters sehen, wenn die bunten Vögel hochflogen. Immer noch konnte er das Rasierwasser vermischt mit Schweiß riechen, als er seinen Vater umarmte und ihn auf die Wange küsste. Teddy hatte das Gewehr noch nie abgefeuert, seit es vor dreizehn Jahren in seinen Besitz kam. Er zog es stattdessen vor, es anzuschauen und davon zu träumen, wie die Dinge waren, bevor sie seinen Vater abführten, ihn des Mordes beschuldigten und ihn dann nicht vor seinem Zellengenossen schützten. Vom Entzug wahnsinnig hatte der Mann seinen Vater zu Tode geprügelt, weil er nicht genug Geld für Drogen bekommen konnte. Er brauchte einen Schuss und hätte alles getan, um ihn zu bekommen.

Holmesburg-Gefängnis

Teddy trank sein Glas Wodka aus. Das Zimmer drehte sich. Als er seinen Kopf auf das Kissen legte und aus dem Fenster auf den fallenden Schnee starrte, hoffte er, er würde heute Nacht nicht träumen.