SECHSUNDZWANZIG
Teddy schlitterte zu einem Halt am Randstein und dachte dabei, dass er lieber etwas wegen seiner Reifen unternehmen sollte. Er versuchte immer noch zu enträtseln, was Barnett sich mit einem einen Zentimeter dicken Schlauch im Hals und einem Zentralkatheter, der in der Arterie an seinem Hals steckte, zu sagen bemüht hatte.
Er stieg aus dem Auto und sah durch die Bäume auf Barnetts Haus mit den beleuchteten Fenstern. Angesichts der späten Stunde waren alle anderen Häuser in der Straße dunkel. Als er die Einfahrt hinunterging, fand er den Grand Cherokee in einem seltsamen Winkel gegen die Seite der Garage geprallt. Als er näher kam, sah er Barnetts Blut über den weißen Schnee verspritzt. Der tiefrote Fleck breitete sich gut einen Quadratmeter über den Boden aus. Teddy wunderte sich, wie der Mann lange genug durchhalten konnte und es bis ins Krankenhaus geschafft hatte.
Sally war in der Ambulanz mit Barnett mitgefahren und hatte keine Zeit verschwendet, um ins Haus zu laufen und ihre Sachen zu holen. Sie hatte Teddy gebeten, ihr einen Mantel und einen Pullover mitzubringen. Im Arbeitszimmer fand er dann ihre Tasche und ihr Strickzeug. Wenn sie etwas zu tun hätte, würde sie das beruhigen, hatte sie gesagt.
Der Schnee war fast dreißig Zentimeter hoch. Er ignorierte das, ging um das Blut herum und hielt sich an den Seitenstreifen der Einfahrt. Als er zum Grand Cherokee kam, ging er zur Vorderseite und untersuchte die Motorhaube. Der Wagen war über Barnetts Beine gerollt und hatte sich dann leicht gedreht, bis er in die Mauer neben dem offenen Garagentor geknallt war. Die ganze linke Vorderseite war wie ein Akkordeon gefaltet. Er sah zur Einfahrt zurück und bemerkte den kleinen Anstieg. Er konnte Barnetts Fußspuren im Schnee sehen und folgte ihnen mit den Augen, bis er die Stelle fand, wo Barnett geparkt hatte, um aus dem Wagen zu steigen.
Teddy öffnete die Fahrertür, prüfte den Automatikschalthebel und stellte fest, dass er auf D für DRIVE gestellt war. Als er alles zusammenfügte, wurde ihm klar, dass Barnett ausgestiegen war, um die Garage zu öffnen, während der Gang immer noch eingelegt war. Grand Cherokees waren wie Panzer gebaut. Der schwere Wagen musste schneller geworden sein, als er den Hang hinabrollte.
Er schüttelte seinen Kopf und stellte sich Barnett auf dem Boden liegend vor, wie er versuchte auszuweichen und wusste, dass er es nicht schaffen würde. Aus irgendeinem Grund dachte Teddy wieder an die Reifen, die an seinem Corolla ersetzt werden mussten.
Er entdeckte, dass Barnetts Schlüssel immer noch in der Zündung steckte. Er nahm den Bund an sich, schlug die Tür zu und ging den Seitenstreifen entlang die Einfahrt hinunter. Leute machen Fehler, dachte er. Unfälle passieren jeden Tag. Aber Barnett war gerade in einem Sturm nach Hause gefahren. Teddy konnte nicht glauben, dass der Mann nicht vorsichtiger war, besonders mit dem Auto, das ihn gerade nach Hause gebracht hatte.
Er drehte sich um und warf noch einmal einen Blick auf das Blut im Schnee. Als er die Fußspuren entdeckte, die über den Hof zu den Bäumen führten, erstarrte er. Die gehörten da nicht hin. Es gab keinen Grund, warum sie hätten da sein sollen. Er zündete sich eine Zigarette an, starrte auf die Spuren im Schnee und dachte an die Möglichkeit, dass er sich etwas einbildete. Das war nicht der Fall, entschied er. Die Spuren führten genau zu der Stelle hin und wieder weg, wo Barnett nach Teddys Berechnung geparkt hatte, als er zuerst aus dem Wagen stieg.
Er sah wieder zur Einfahrt und versuchte die verschiedenen Spurreihen im Schnee zu erklären. Es gab nicht so viele, der Schnee war frisch und sein Verstand klar. Er sah die Spuren des Grand Cherokee vermischt mit einer doppelten Reihe von Spuren, die nur entstanden sein konnten, als die Ambulanz eintraf. Die gehörten zu den Fahrzeugen. Dann trat er zurück, um sich die verschiedenen Fußabdrücke anzusehen. Er sah die von Sally, die vom Haus zur blutbedeckten Stelle führten, an der das Auto Barnetts Beine überrollt hatte. Als er sich wieder der Stelle zuwandte, an der die Ambulanz angehalten hatte, bemerkte er zwei verschiedene Arten von Abdrücken, die von den Notärzten stammten. Der Abstand zwischen den einzelnen Fußabdrücken war größer, deshalb konnte Teddy erkennen, dass die Notärzte gerannt waren. Aber die Fußspuren, die zu den Bäumen führten, hatten auch einen größeren Abstand. Als er näher herantrat, wurde ihm klar, dass derjenige, der sie hinterlassen hatte, auch gerannt sein musste. Was Barnett passiert war, war kein Unfall – jemand hatte den Schalthebel auf D gestellt, aufs Gaspedal gedrückt und war dann geflohen.
Er spürte einen plötzlichen Ausbruch von Angst, die zwischen seinen Schultern bis zum Nacken hochstieg. Es wehte eine leichte Brise durch den Hof, die kahlen Zweige schlugen aneinander und klapperten um ihn herum. Als er sich umdrehte und die Umgebung hinter sich prüfte, blickte er auf die dunklen Häuser entlang der Straße und bekam unwillkürlich ein unheimliches Gefühl. Ein Hund fing irgendwo in der entfernteren Nachbarschaft an zu bellen.
Er nahm einen letzten Zug und schnippte die Zigarette in den Schnee. Als er die Spur aufnahm und anfing, ihr den Hof hinaus zu folgen, untersuchte er jeden Fußabdruck mit großer Sorgfalt, bevor er zum nächsten ging. Obwohl die Abdrücke auf der Flucht entstanden und nicht perfekt waren, wusste er, dass sie zu den Wanderschuhen eines Mannes gehörten. Verglichen mit seinen eigenen Anzugschuhen Größe 46, schätzte er, dass sie eine oder zwei Nummern kleiner waren.
Er verfolgte die Spuren vom Hof weg und fand sich hinter einem Baum wieder. Der Schnee war gut niedergetreten und es sah so aus, als ob der Mann einige Zeit hier verbracht hätte. Er bemerkte eine Reihe von Kiefern, die seine Sicht zur Straße versperrten. Ihm wurde klar, dass der Mann hier auf Barnett hätte warten können, ohne von den Scheinwerfern eines vorbeifahrenden Wagens erfasst zu werden. Als er sich wieder dem Haus zuwandte, war die Sicht auf die nur dreiundzwanzig Meter entfernte Einfahrt erstaunlich gut.
Teddy trat unter dem Baum hervor und folgte der Spur weiter weg vom Haus. Sie schien in der Form eines Bogens von Baum zu Baum zu führen. Als er weiter nach vorne schaute, führten die Fußspuren auf die Straße vor einem freien Grundstück.
Er konnte spüren, wie das Blut durch seine Adern schoss. Es war kein Unfall. Das wusste er jetzt.
Etwas im Schnee zog seine Aufmerksamkeit an und er blieb stehen. Etwas Glänzendes. Er kniete sich hin, wischte den Schnee von der Stelle, bis er etwas fand, das wie ein kleines Schnapsglas aussah. Er zog den Schal von seinem Hals und hob das Glas damit vorsichtig, ohne es mit den Fingern zu berühren, auf. Es war ein kleines Schnapsglas aus Sterlingsilber. Er hielt es an seine Nase und dachte, dass der Mann wohl einen Flachmann in der Tasche hatte, um sich warm zu halten, während er darauf wartete, dass Barnett nach Hause kam. Vielleicht musste er sich sogar Mut antrinken. Aber als er daran schnüffelte, stellte er fest, dass das Schnapsglas geruchlos war. Stattdessen nahm er den Duft von Carolyn Powells Weiblichkeit wahr, der immer noch an seinen Fingern haftete. Er nahm einen tiefen Atemzug, ihr Bild tauchte kurz auf und verschwand wieder. Für eine Nacht hatten sie die Regeln gebrochen und es war wundervoll. Als er Sallys Anruf annahm und gehen musste, verabredeten sie sich zu einem Frühstückstreffen morgen vor der Arbeit. Der Gedanke, mit Powell zusammen zu sein, wühlte die Nacht wieder auf. Das galt für jedes Zusammentreffen, aber das war es wert. Auch wenn es geheim bleiben musste.
Teddy erhob sich und sah sich das Silberschnapsglas genau an, wie es im reflektierten Licht des Schnees glitzerte. Er bemerkte drei Nieten an der Seite, wodurch die Naht zusammengehalten wurde. Es sah alt und wertvoll aus, mit einem kunstvollen Muster. Bilder waren in das Metall eingraviert. Er drehte es im Schal und bemerkte die Darstellung von großen Schiffen und Walen. Der Mann, der Barnett umfuhr, hatte etwas hinterlassen, was eine Geschichte erzählte. Ein Beweisstück, das aussah, als ob es irgendwo hinführen würde.
Teddy hörte ein plötzliches Zischen hinter seinem Rücken und drehte sich um. Etwas krachte über seinen Kopf. Erst war er geschockt, der Schlag erdrückte ihn. Er machte einen halben Schritt vorwärts, wusste aber, dass seine wackligen Beine nachgeben würden. Als er nach vorne stolperte und auf den Schnee fiel, dachte er, er hätte die Gestalt eines Mannes gesehen, der mit erhobenen Armen im Dunkeln stand. Die Gestalt hielt etwas in den Händen, bereit, es wieder nach unten zu schwingen. Es war aber nur ein flüchtiger Blick im Bruchteil einer Sekunde. Ein flüchtiger Blick auf etwas, bevor die Welt sich zu drehen anfing und die Lichter ausgingen.