VIERZIG

Ihre Titten waren zu groß.

Eddie prüfte seine Leinwand und betrachtete dann wieder Rosemary, die im Stuhl zusammengesackt in seinem Kelleratelier vor ihm saß. Das Licht war richtig, die Sonne traf auf das Gewächshaus und tauchte den Raum in einen sanften, gleichmäßig leuchtenden Dunst. Es war ihr Körper, der nicht stimmte. Sie glich nicht den anderen. Sie war zu üppig. Selbst mit geschlossenen Augen strahlte sie zu viel Schönheit, zu viel Leben aus.

Er fragte sich, ob sie sich nicht bewegen könnte. Sie schlief schon seit drei Stunden – ganz benommen, seit sie Freunde wurden und unter dem Rausch der Liebesdroge gefeiert hatten.

Eddie trat näher, um sie genauer zu betrachten. Er konnte es nicht wirklich sagen – vielleicht bewegte sie sich, vielleicht aber auch nicht. Als seine Augen über ihren nackten Körper wanderten, wurde sein Glied wieder steif und er fluchte. Es war ein Fallstrick, der mit seiner Arbeit einherging. Eine falsche Abzweigung auf dem Weg in die Berühmtheit konnte in eine Sackgasse führen.

Die Arbeit vor dem Vergnügen. Das ist ein vergessenes Geheimnis, Sohn.

Er trat wieder hinter seine große Leinwand und entschied, dass er das Mädchen für den Rest des Tages nicht mehr anschauen würde. Nicht, solange er nicht sagen konnte, ob sie sich bewegte oder nicht. Nicht, solange er nicht von diesem falschen Weg wieder wegkam. Er tupfte seinen Pinsel in die Farbe und drehte ihn in einer Mischung von tiefen Rottönen. Er würde den Nachmittag damit verbringen, am Hintergrund zu arbeiten. An den Gebäuden und Lichtern entlang der Straßen, die er im Kopf hatte.

Die Türglocke läutete. Eddie zuckte zusammen. Sein Pinsel fuhr über die Leinwand und ruinierte einen ganzen Abschnitt des großen Werkes. Die Glocke läutete wieder. Seine Kiefermuskeln spannten sich an, als er es durch das Haus vibrieren hörte. Er wollte schreien. Stattdessen wischte er den Pinselstrich mit einem Lappen weg und beurteilte den Schaden an seinem Meisterstück. Es würde die ganze Nacht dauern, um das wieder in Ordnung zu bringen. Es könnte sogar noch länger dauern, wenn Rosemary nicht aufwachte und endlich kooperierte.

Jemand fing an, an die Haustür zu klopfen.

Eddie warf den Lappen auf den Boden. »Sitz still«, befahl er Rosemary. Dann eilte er die Stufen nach oben, zu verärgert, um sich darum zu sorgen, ob die Nachbarn seine Gedanken abhörten oder nicht. Er betrat die Küche und sah durch das Wohnzimmerfenster eine Gestalt. Es war Mrs Yap, die zurückstarrte und strahlte. Ihr unnötiger Besuch hätte fast sein Lebenswerk ruiniert.

Er versuchte, seine Wut unter Kontrolle zu halten. Ein lockeres Lächeln vortäuschend, durchquerte er das Zimmer und öffnete die Tür.

»Ich habe mir Sorgen um Sie gemacht«, sagte seine Vermieterin. »Ich kam gestern vorbei, aber Sie haben nicht aufgemacht. Darf ich hineinkommen?«

Er nickte, als ob er eine Wahl hätte, und machte einen Schritt zur Seite, als Mrs Yap eintrat.

»Ich hoffe, ich störe Sie nicht«, fuhr sie fort. »Ich fürchtete schon, ich müsste meinen Schlüssel benutzen oder die Polizei rufen. Sie sehen nicht so gut aus.«

Das Geplapper hatte angefangen. Ihre quirlige Energie schien seine Wut nur noch anzuheizen. Er folgte ihr in die Küche, sah, wie sie sich den Wasserkessel nahm, als ob er ihr gehörte, und ihn mit Leitungswasser füllte. Während sie weiterschwafelte, bemerkte sie, dass die Vorhänge zu waren und zog sie auf.

Eddie blinzelte, als das Licht auf sein Gesicht fiel. Er sah durch das Fenster auf das Haus an der Ecke. Da war ein Mann auf dem Dach, der die falsche Satellitenschüssel, die auf ihn gerichtet war, einstellte. Ihre Abhörvorrichtung war aus, der Monitor an ihrem Computer dunkel. Die Beobachter hatten keine Ahnung, was er dachte. Eddie war frei. Zumindest war er das für den Moment. Er sah wieder auf Mrs Yap. Sie hatte die Schublade aufgezogen und bewunderte das Besteck aus Sterlingsilber. Sie trug helle Farben – der Mund unter ihrer schnabelartigen Nase lief auf Hochtouren. Bald wurde aus dem Geplapper ein Glucksen und die Frau verwandelte sich vor seinen Augen in einen Vogel.

Es lag jedenfalls nicht an der Droge, dachte er. Es war seine Vision. Seine Stärke. Er zog den Vorhang zu. Als er sah, wie sich der riesige Kanarienvogel vom Herd wegdrehte, bemerkte er, dass er zitterte. Trotzdem bewegte er sich ohne zu zögern auf den Vogel zu. Er pickte mit seinem Schnabel nach ihm, flatterte mit seinen Flügeln in der Luft. Es schien so nahe. So verdammt real.

Eddie stürzte sich auf den Vogel, biss ihm den Schnabel ab und spuckte ihn auf den Boden.

Der Kanarienvogel machte einen stolpernden Schritt und sah überwältigt und hilflos aus. Blut spritzte über seinen ganzen Nacken und über das Kinn und befleckte die farbenfrohen Federn auf seiner Brust. Die Augen des Vogels weiteten sich und das Picken hörte auf. Er flatterte noch einmal mit den Flügeln. Als der Vogel versuchte, wegzufliegen, packte Eddie das Fleischmesser von der Theke und stieß es dem Tier in den Rücken. Wieder und immer wieder, bis das lästige Ding zu flattern aufhörte und auf dem Wohnzimmerboden zusammenbrach.