NEUNUNDDREISSIG

Teddy stand auf dem Gehsteig neben seinem Wagen und rauchte seine erste Zigarette des Tages. Er behielt das Gebäude im Blick. Seine Sicherungen waren kurz vor dem Durchbrennen. Er fürchtete, wenn er Carolyn Powell zu Gesicht bekäme, könnte er explodieren. Er überquerte die Straße, warf die Kippe weg und betrat die Eingangshalle des Gebäudes.

Die Sicherheit in der Staatsanwaltschaft war streng. Drei Männer verrichteten am Schalter hinter kugelsicherem Glas ihren Dienst. Sie sahen wie Ex-Polizisten aus, echte Schlägertypen. Links neben dem Schalter befanden sich die Metalldetektoren. Man konnte nicht passieren, ohne da durchzugehen.

Er zog das Mobiltelefon heraus und gab ihre Nummer ein. Als ihre Assistentin abnahm, nannte er seinen Namen und sagte ihr, dass er sich in der Eingangshalle befände. Einen Augenblick später war Powell dran und sagte, sie käme gleich hinunter.

Bänke waren an der Seite wie Kirchenbänke aufgestellt. Teddy nahm Platz und wartete. Er war nicht in der Verfassung, die kunstvolle Holztäfelung oder die Stuckarbeiten zu bewundern, die die Wände des alten Gebäudes zierten. Es gab eine undichte Stelle und die kam aus dieser Behörde. Obwohl sich Teddy Barnetts Standpunkt vom Krankenhausbett aus ohne Erwiderung angehört hatte, war ihm der Beweis weniger wichtig als sein Bauchgefühl: Staatsanwalt Alan Andrews hatte den falschen Mann. Und jetzt wurde Holmes’ Name erbarmungslos durch den Schmutz gezogen, seine Möglichkeit sich zu verteidigen, war ruiniert.

Powell betrat die Eingangshalle und trug eine Akte bei sich. Als sie ihn sah, ging sie durch die Sicherheitsschleuse und trat zu ihm hin. »Willst du mit hochkommen?«, fragte sie und übergab ihm die Akte.

»Ich habe keine Zeit.«

»Es ist der toxikologische Bericht«, sagte sie. »Gehen wir dort hinein.«

Er folgte ihr in den leeren Presseraum und beobachtete, wie sie die Tür schloss, ohne das Licht anzumachen. Sie sah betroffen aus, als sie zum Fenster hinüberging. Es wirkte, als ob sie sich schuldig fühlte.

»Wir haben die Story nicht durchsickern lassen, Teddy.«

»Wenn ihr es nicht wart, wen gibt es denn noch?«

»Wir versuchen das herauszufinden«, sagte sie. »Wir arbeiten schon den ganzen Morgen daran.«

»Soll ich dir einen Tipp geben? Sein Name ist Alan Andrews und er ist Politiker. Jetzt kannst du aufhören deine Zeit zu verschwenden und dich wieder daranmachen, den größten Fehler deines Lebens zu begehen.«

Sie nahm den Angriff hin und sah enttäuscht aus. Teddy bewegte sich nicht.

»Wir sind wieder beim alten Thema«, sagte sie nach einer Weile.

»Nicht Andrews selbst. Er ist zu schlau dafür. Du weißt besser als ich, wer an dem Fall arbeitet. Du musst selbst herausfinden, wer hier redet. Vielleicht ist es sein unheimlicher Bullenfreund, Michael Jackson. Übrigens trinkt Jackson aus einem Flachmann. Nicht so einer wie der, den ich in jener Nacht gesehen habe, als Barnett überfahren wurde. Er hat jetzt einen anderen.«

Sie sah ihn wütend an und setzte sich. »Weißt du, was du da sagst?«

»Ich weiß, wonach es aussieht, Carolyn.«

Sie drehte sich, ohne eine Antwort zu geben, zum Fenster.

»Es stand vor dem Lewis-Mord in den Zeitungen«, sagte er. »Ein übereifriger Staatsanwalt mit politischen Ambitionen baut Mist und braucht einen großen Fall, um wieder aus einem tiefen Loch herauszukommen. Das ist der Kontext. Die Einzelheiten sind noch besser. Der Hauptverteidiger liegt in einem Krankenhausbett und wird nicht wieder laufen können. Einzelheiten des Tatorts sind an die Zeitungen durchgesickert, was die Geschworenen gründlich verdirbt. Gefängniswärter der Nachtschicht verhöhnen den Beschuldigten und versuchen, ihn zum Reden zu bringen.«

Sie starrte ihn an, ihre Augen brannten in dem dämmrigen Licht und wogen seinen Ärger ab. »Der Beweis gegen Holmes ist überwältigend. Was du da andeutest, ist lächerlich. Du verbringst zu viel Zeit mit Nash.« Sie erhob sich, wandte sich zum Ausgang und griff nach der Klinke. Sie hatte ihn abgeschrieben und war bereit zu gehen.

Teddy hielt die Tür zu und konnte ihren Atem in seinem Gesicht spüren. »Was ist mit Rosemary Gibb?«, fragte er.

»Hilf meinem Gedächtnis auf die Sprünge.«

Sie wusste nicht, wer Rosemary war. Er versuchte, die Fassung nicht zu verlieren.

»Du sagtest, du hättest mit Ferarro über die vermissten Personen gesprochen«, sagte er. »Es gibt noch ein Mädchen und ich darf nicht einmal einen Blick auf die Vermisstenanzeigen werfen.«

Sie zeigte ein widerwilliges Lächeln und erinnerte sich. Jene Art von Lächeln, das besagte, dass Rosemary noch nicht einmal in Betracht gezogen wurde. Noch schlimmer: Es schien klar zu sein, dass sie Teddys Motive als eine Art von billiger Verteidigungstaktik abtat. Teddy fühlte, wie sein Puls zur Decke hochging und hielt sich an der Tür fest.

»Du hast gestern beim Frühstück gesagt, dass du bedauerst, was zwischen uns geschehen ist«, sagte er mit leiser Stimme. »Mir tut es jetzt auch Leid, was wir getan haben.«

Sie starrte ihn an. Sie trug einen türkisfarbenen Anzug, der ihre Augenfarbe unterstrich. Teddy ignorierte seine Gefühle für sie. Er versuchte es zumindest und fuhr fort.

»Du bist gefährlich, Carolyn. Du bist nicht besser als Andrews. Vielleicht steckst du mit ihm unter einer Decke. Ist es das? Hast du mich in jener Nacht ablenken müssen? Haben wir uns betrunken und geliebt, damit der Henker sich Barnett persönlich vornehmen konnte?«

Sie schien sprachlos. Ihre Augen sahen plötzlich glasig aus. Was er da sagte, war unerhört, ja sogar boshaft. Aber er musste den Lauf der Dinge stoppen. So oder so, er musste die Dinge ändern.

»Du hast mich wirklich zum Narren gehalten, weißt du das?«, sagte er. »Ich dachte, es wäre mehr als das. Seit jenem Abend hab ich dich nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Aber du spielst auf einer anderen Ebene. Du bist in einer anderen Liga. Du und der nächste Bürgermeister der Stadt. Die Leute sind euch völlig egal, solange ihr nur eine weitere Verurteilung für euch verbuchen könnt. Ein weiterer Gewinn für die Aufzeichnungen. Ihr seid so scharf darauf, dass ihr blind für das seid, was wirklich vor sich geht. Du kannst Folge-dem-Führer spielen, solange du willst, aber halte deine Wärter von meinem Klienten fern. Wenn wir das nächste Mal vor einem Richter stehen, werden wir uns mit der undichten Stelle befassen.«

Sie sagte nichts. Sie bewegte sich nicht. Teddy öffnete die Tür und ließ sie in einem leeren Presseraum ohne Licht zurück.