Kapitel 30
Weder Cérise noch Sophie fragte Corrisande, warum sie sich zum Frühstück verspätete. Frau Treynstern sah die junge Frau besorgt an, lächelte aber dann.
„Guten Morgen“, sagte sie. „Sie sehen schon besser aus. Konnten Sie noch etwas schlafen?“
Corrisande nickte. Sie war nach dem Gespräch mit der liebenswürdigen Witwe wieder eingeschlafen. Nur einmal war sie erwacht und hatte aus dem Fenster in den grauen Morgen geblickt.
„Ich habe heute Morgen Asko von Orven gesehen“, antwortete sie. „Ich bin ganz sicher. Es war noch neblig, und er war nicht in Uniform, sondern trug Jagdkleidung, und sein Gesicht hat sich auch verändert.“ Der Oberlippenbart war anders, sein Auftreten hatte sich gewandelt, er wirkte älter, reifer, abgeklärter und härter. „Trotzdem bin ich sicher.“
„Ganz sicher?“ fragte Cérise. „Das scheint mir ein allzu großer Zufall zu sein. Wahrscheinlich haben Sie nur geträumt. Frau Treynstern hat mir bereits von ihrem nächtlichen Traum erzählt.“
Die Sängerin trug ein Kleid, das viel zu vornehm für die alpine Umgebung war. Dicke goldbraune Seide mit schwarzen Pünktchen, militärisch angehauchten Ärmeln mit ausgestellten Manschetten und stilisierten Epauletten. Eine schwarze Spitzenschleife zierte einen schmalen Kragen. Das Mieder war ebenfalls mit schwarzer Spitze verbrämt. Gold und schwarze Spitze fanden sich auch in ihrer Frisur wieder.
„Ich träume nicht von Leutnant von Orven“, gab Corrisande zurück und nahm am Tisch Platz, an dem die beiden anderen Damen schon mit dem Frühstück angefangen hatten, da sie nicht sicher sein konnten, wann ihre Reisegefährtin sich gut genug fühlen würde, zu ihnen zu stoßen. Sie hatten sie unterschätzt. Das taten die meisten.
„So habe ich das doch nicht gemeint“, beschwichtigte Cérise. „Ich wollte nicht andeuten, Sie schwärmten unserem tapferen kleinen Leutnant hinterher, obgleich ich mich gut erinnere, daß er Sie einmal sehr erstrebenswert fand.“
Corrisande sah sich besorgt um, doch sie waren allein. Nicht einmal eine Kellnerin war in der Nähe, um sie zu bedienen.
„Bitte setzen Sie sich doch und essen sie etwas“, unterbrach Frau Treynstern. „Die Kost ist einfach, aber die Konfitüren sind ausgezeichnet. Möchten Sie ein Ei?“
„Nein, danke. Brot und Konfitüre reichen. Wir wußten ja, daß dies keine Luxusreise werden würde. Gibt es Tee?“
„Sie haben Kaffee und Sahne. Lassen Sie mich die Hausmutter spielen. Das Mädchen ist verschwunden.“
Ihre Blicke trafen sich, und sie lächelten einander an. Corrisande mochte Sophie. Fast wie eine Mutter war sie ihr letzte Nacht gewesen.
Cérise blickte von der älteren Frau zur jüngeren. Sie haßte es, links liegen gelassen zu werden. In der Tat mochte sie es schon nicht, nicht der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu sein, denn normalerweise war sie genau das. Zudem war es unfair, sie nicht mit einzubeziehen, schließlich waren sie eine verschworene Gemeinschaft, und hier ging es um die Rettung ihrer Männer und nicht darum, wie sich Delacroix‘ Frau morgens fühlte. Corrisande wandte sich ihr wieder zu, ein schiefes Lächeln auf ihren Zügen.
„Sie haben Recht. Asko schien mir wirklich sehr zugetan, wie Sie sehr wohl wissen, und Sie wissen auch, warum er dieses Gefühl von einem Augenblick zum nächsten verlor. Kreaturen wie ich sind ihm widerlich.“
Die Tür öffnete sich, und eine Bedienung kam und brachte frischen Kaffee. Sie sagte etwas zu Corrisande, die versuchte, den Sinn trotz der interessanten Dialektfärbung auszumachen. Sie konnte gut Deutsch, doch das Gesagte klang so gar nicht nach der Sprache, die ihre Gouvernante ihr vor Jahren eingetrichtert hatte. Sophie Treynstern antwortete dem Mädchen, und es knickste und ging und schloß die Tür hinter sich.
„Natürlich. Der Idiot besaß sogar die Unverschämtheit, mit seiner Waffe auf Arpad zu zielen.“ Cérise blickte wieder zu Sophie. „Mrs. Fairchild ist tatsächlich in die Schußlinie getreten. Das war allerdings, bevor von Orven über ihr kleines Geheimnis Bescheid wußte. Danach hätte er höchstwahrscheinlich einfach durch sie hindurch geschossen.“
„Nein“, protestierte Corrisande. „Ihm gefällt nicht, was ich bin, aber er hätte mir nie absichtlich wehgetan. Er ist einfach nicht die Sorte Mann.“
Cérise lehnte sich zurück.
„Jeder Mann ist diese Sorte Mann. Er hat Ihnen den Laufpaß gegeben, aber es kann ihm kaum entgangen sein, daß hinter ihm schon einer in der Warteschlange harrte. Schließlich haben Sie Delacroix im Eilverfahren geheiratet, ehe der nächste Tag vorbei war.“
Corrisande errötete pflichtschuldig. Sie tat es mit Anmut und ohne Zögern und war froh, daß sie die besondere Fähigkeit, rot oder blaß zu werden, wann immer es opportun war, nie verlernt hatte, obgleich sie die Kunst nicht mehr aktiv übte. Cérise hatte also eine ihrer Launen und versuchte, sie zum Erröten zu bringen. Das konnte sie haben.
„Philip hatte seine Pläne gemacht, und Sie wissen – aus eigener nicht eben unerheblicher Erfahrung, wie ich meine – daß er ein Mann ist, dem man nur schwer widerstehen kann, nicht wahr?“
Die grünen Augen der Sängerin blitzten auf, dann verzog sich ihr Mund zu einem plötzlichen reumütigen Lächeln.
„C‘est vrai“, sagte sie in ihrer eigenen Sprache, die sie manchmal um des exotischen Effektes willen in die Konversation einbrachte, besonders wenn sie ärgerlich war. „Delacroix‘ Entscheidungen sind wie Stahl. Dessen ungeachtet ist Ihre Aussage nur teilweise richtig. Er ist ein Mann, gegen den man schwer ankommt, Arpad hingegen ist einer, dem man nur schwer widerstehen kann.“
Corrisande erwiderte das Lächeln genauso süß.
„Ich weiß, Cérise. Arpad ist wahrscheinlich der erotischste Mann auf der Welt. Aber Philip ist Philip. Er ist mein Leben.“
Sophie blickte von einer Frau zur anderen. Sie sollten sich nicht kabbeln. Doch vielleicht war es besser, wenn ihre Bitterkeit ans Tageslicht kam. Besser jetzt als in einem Augenblick, in dem sie sich auf einander verlassen mußten.
„Haben Sie ‚Ihrem Leben‘ davon erzählt, wie Arpad Sie geheilt hat, als Sie sich das Gesicht verletzt hatten?“
Diesmal errötete Corrisande, ohne sich anstrengen zu müssen. Der Vampir hatte ihre Verletzung dadurch geheilt, daß er sie geküßt, ihr Blut getrunken und die Wunde mit seiner Zunge heilgeleckt hatte. Das war außergewöhnlich erotisch gewesen, und diesen Aspekt hatte sie tatsächlich nicht allzu deutlich gemacht, als sie ihrem Mann von dem Erlebnis berichtet hatte.
„Natürlich.“
„Ich wette, es hat ihm nicht gefallen.“
„Er ist ein vernünftiger Mann. Er hat verstanden, daß Graf Arpad es tat, um mir Schmerzen zu ersparen.“
„Haben Sie ihm auch gesagt, wie auffallend deutlich sie es gemocht haben, meine Liebe?“
„Meine lieben jungen Freundinnen“, unterbrach Sophie Treynstern in diesem Moment. „Sicher haben wir alle Grund, uns an Heilungen durch Arpad zu erinnern. Manche weniger, manche mehr. Doch uns in diesen Erinnerungen zu sonnen wird uns nicht bei der Suche nach ihm helfen. Der Mann, den Sie heute Morgen sahen, Mrs. Fairchild, was für eine Rolle mag er in all dem hier spielen?“
Schweigen legte sich über das Grüppchen. Corrisande rührte grüblerisch ihren Kaffee um.
„Wer kann das schon sagen? Als ich ihn vor einem halben Jahr kennenlernte, war er Offizier der Bayerischen Armee im Sondereinsatz. Vielleicht ist er das wieder. Wenn an dem Brief, den McMullen von seinem Neffen erhielt, irgend etwas dran ist und es hier in den Bergen wirklich ein großes Geheimnis gibt, dann ist es denkbar, daß man ihn geschickt hat, um mehr herauszufinden, auch wenn ich es politisch nicht begreifen kann. Österreich und Bayern sind Teil des gleichen politischen Bündnisses, nicht wahr? Doch letztlich bin ich Britin, und ich kann nicht behaupten, daß ich innerdeutsche Angelegenheiten auch nur im Entferntesten verstehe.“
Frau Treynstern schmunzelte.
„Meine Liebe, vergleichen Sie es mit Ihrem eigenen Land. Fänden Sie es so undenkbar, daß ein Ire oder ein Schotte gegen die Interessen der britischen – und somit englischen – Krone arbeitet? Die Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes verfolgen alle ihre eigenen Ziele und ergreifen entsprechende Maßnahmen. Sie haben ja auch ihre je eigene Armee und eigene Staatsoberhäupter. Bespitzelung aus dem bayerischen Nachbarland mag unfein sein, doch undenkbar ist das nicht. Es ist erst ein halbes Jahrhundert vergangen, seit wir das letzte Mal Krieg gegen einander geführt haben. Was für eine Art Mann ist dieser von Orven?“
Die beiden jüngeren Damen lächelten, die schöne Sängerin herablassend, das sylphide Mädchen ein wenig betreten. Beide begannen sie zu sprechen.
„Ein überromantischer Traumtänzer“, sagte Cérise.
„Ein pflichtbewußter Mensch“, sagte Corrisande.
„Ein Edelmensch ohne jeden Sinn für Realität“, sagte Cérise.
„Ein zuvorkommender, freundlicher Mann, der immer tut, was richtig ist“, erwiderte Corrisande.
„Ein vollkommener Trottel, wenn es um Frauen geht. Er lebt die sittliche Entrüstung eines Dorfpfarrers, der zum ersten Mal die Beichte abnimmt.“
„Das Wohlergehen anderer ist ihm ein Anliegen, und er schont sich nicht, wenn er meint, helfen zu müssen, egal was es ihn kostet.“
„Wie können Sie so über ihn sprechen? Er hat Sie schändlich fallenlassen – ohne Grund!“
„Er hatte einen Grund, und er hat mich nicht fallenlassen. Ich habe ihn von seinem Versprechen entbunden.“
„Sie haben ihn freigegeben, ehe er Sie sitzen lassen konnte!“
„Er hätte mich nicht … sitzen gelassen. Er hätte sich eher erschossen, als mich zu heiraten, aber sein Wort hätte er nie gebrochen.“
„Eben. Ein totaler Idiot. Wie ich sagte.“
„Sein Sinn für Ehre und Anstand mag überzogen sein, doch er ist kein schlechter Mensch.“
„Er haßt alle Fey.“
„Ja. Das tut er. Doch er ist mit Philip geritten, um mich zu retten. Aus eigenem Antrieb, obgleich er wußte, was ich bin.“
„Er haßt die Sí mit seinem ganzen schrulligen Herzen. Wie er Arpad angestarrt hat! Er mochte nicht einmal mit ihm im gleichen Raum bleiben.“
„Doch er ist mit ihm im gleichen Raum geblieben, weil es seine Pflicht war.“
„Ich verstehe nicht“, brauste Cérise auf, „daß Sie nicht mehr Groll gegen ihn hegen. Wenn er sich mir gegenüber benommen hätte, wie er es Ihnen gegenüber tat, hätte ich ihm die Augen ausgekratzt.“
Corrisande lachte.
„Ich habe nie Groll gegen ihn gehegt. Ich war verletzt. Es war eine peinliche Angelegenheit. Doch allzu viel habe ich ihm nicht nachgetragen. Ich habe mir nicht ausgesucht zu sein, was ich bin. Hätte ich die Wahl, ich würde gern auf die Bürde eines Erbes verzichten, das ich ganz und gar nicht begreife und das mir außer Ärger nichts einbringt. Hätte ich Asko geliebt, so hätte er mir sicher das Herz gebrochen. Doch ich habe ihn nicht geliebt. Ich mochte ihn. Es ist leicht, ihn zu mögen, und ich war mir sicher, daß er alles in allem einen brauchbaren und standesgemäßen Ehemann abgeben würde. Verliebt war ich nicht.“
„Du lieber Himmel, Sie hätten ihn fast geheiratet!“
„Vielleicht. Er war eine annehmbare Partie und dazu charmant und anständig. Ich hätte mich bemüht, ihm eine gute Frau zu sein, und er hätte versucht, ein guter Mann zu sein. Viele Ehen sind auf weniger gegründet. Doch das ist einerlei. Ich habe ihn nicht geehelicht. Gott sei Dank. Von Orven liebte eine Idealvorstellung, die er von mir hatte. Diese Vorstellung hatte mit meinem wahren Ich wenig gemein. In einer Ehe mit ihm wäre es meine unablässige Aufgabe gewesen, dem Bild, das er sich von mir machte, zu entsprechen. Philip liebt mich so, wie ich bin, mit all meinen Fehlern.“ Corrisande lächelte Cérise an. „Wissen Sie, ich habe ihm das mal gesagt.“
„Sie haben Philip gesagt, daß …“
„Nein. Ich habe Asko gesagt, daß er mich nie geliebt hat, sondern nur ein Idealbild, das er selbst erfunden hatte. Ich habe ihm gesagt, er brauche eine Frau, die er so lieben könnte, wie sie wirklich ist – mit allen dazugehörigen Schönheitsfehlern.“
Cérise starrte sie fasziniert an.
„Wann haben Sie ihm das gesagt?“
„Als wir gemeinsam zurück nach England gereist sind, Philip und McMullen, von Görenczy, Leutnant von Orven, Marie-Jeannette, ich und die magische Schriftrolle. Nach allem, was zwischen uns geschehen war, war es mehr als peinlich, so eng beieinander zu sein, und ich versuchte, Asko so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen. Er schloß daraus, ich hätte Angst vor ihm, und als wir einmal allein im Frühstücksraum eines der Gasthöfe waren, versicherte er mir, daß ich niemals Grund dazu haben würde, ihn zu fürchten. Ich hatte gar keine Angst. Philip hätte ihn zerfetzt und an die Gänse verfüttert, wenn er mir auch nur ein Haar gekrümmt hätte. Das habe ich ihm aber nicht gesagt. Statt dessen hatten wir ein erbauliches und interessantes Gespräch über wahre Liebe und wahre Pflicht.“
„Du liebe Güte!“ rief Cérise aus. „Wie langweilig. Ich hoffe, Sie konnten ihm ein wenig Vernunft einbläuen.“
„Wer weiß? Jedenfalls sind wir nicht als Feinde auseinandergegangen.“
Wieder schwiegen sie. Frau Treynstern brach das Schweigen nach einer Weile.
„Das klingt sehr interessant. Doch nichts davon hilft uns weiter. Hat er Sie gesehen, als Sie ihn erblickt haben?“
„Ich bin nicht sicher. Er sah gleich weg, und ich habe mich hinter dem Vorhang versteckt. Er stieg gerade in ein Boot, mit vier anderen. Sie waren alle zur Jagd gekleidet, doch so wie sie zusammen agierten, wirkten wie eher wie eine kleine Truppe, denn wie eine Jagdgesellschaft. Fast militärisch.“
„Noch mehr Spione?“
Corrisande zuckte die Achseln.
„Ich weiß nicht. Vielleicht hat Asko sich ihnen angeschlossen, um etwas auszuspionieren. Rätselraten ist zwecklos. Sie sind augenscheinlich über den See gefahren, und wir sollten ihnen nachreisen.“
„Über den See?“ fragte Cérise.
„Am Nordufer gibt es eine Poststation“, warf Sophie ein. „Die Bedienung hat mich zwar gewarnt, daß es sich um ein Etablissement handelt, das ein wenig rauh und einfach ist und mehr von Einheimischen denn von Reisenden frequentiert wird, doch ich denke, es wird nicht unbequemer sein als dieses Gasthaus, und ihrem abschätzigen Urteil mag durchaus der Konkurrenzneid zu Grunde liegen. Also sollten wir packen, ein Boot mit Ruderer bestellen und weiterreisen.“
Corrisande seufzte.
„Ja. Das sollten wir wahrscheinlich, obgleich ich zugebe, daß mir gar nicht wohl bei dem Gedanken ist, nur ein paar dünne Bretter zwischen mir und so viel Wasser zu haben.“
„Das haben Sie mit Arpad gemeinsam“, sagte Frau Treynstern. „Er haßt es, größere Gewässer überqueren zu müssen.“
„Nun“, erwiderte Corrisande, „ich denke, die Gründe dafür sind wahrscheinlich doch sehr unterschiedlich. Aber etwas anderes: Wir sind vier Personen mit viel Gepäck. Wir werden vermutlich nicht in ein Boot passen.“
„Dann mieten wir eben zwei“, beschloß Cérise und erhob sich vom Frühstückstisch. „Ich bin sicher, wir finden ein paar nette, entgegenkommende junge Männer, die uns über den See rudern.“
Corrisande war es gleichgültig, ob die Ruderer nett oder jung waren, solange sie sie sicher zum anderen Ende des Sees brachten. Doch sie behielt den Kommentar für sich.
„Haben Sie denn nichts Praktischeres anzuziehen?“
„Corrisande, Sie werden wohl kaum erwarten, daß ich mich in einer Aufmachung der Öffentlichkeit stelle, das auch nur im Entferntesten dem Kleidungsstück ähnelt, mit dem Sie uns heute erfreuen. Was um Himmels willen ist das? Ein Tenniskostüm?“
„Ein Sportkleid, eigens für Damen entworfen, die sich mit athletischer Betätigung gesund halten möchten, Cérise. Fürs Gebirge genau das Richtige.“
Sie sah an sich hinab. Graue Herrenhosen fielen auf geschnürte Halbstiefel, ein gebauschter Dreiviertelrock bedeckte gerade die Knie. Für gesellschaftliche Ereignisse war dies gewiß die falsche Bekleidung. Sie war für Fechtstunden, Tennis oder ähnliche Betätigungen gedacht. Darin konnte man sich weitaus besser bewegen als in dem goldbraunen Seidentraum, den Cérise Denglot für diesen Tag ausgesucht hatte.
„Sehr praktisch, meine Liebe“, kommentierte Frau Treynstern, die eine Damenversion der landesüblichen Jagdtracht in Grau- und Grüntönen trug und somit quasi in die Landschaft paßte, „und gewagt, wenn ich mal so sagen darf.“
Corrisande schmunzelte. Keine der beiden Damen wußte, daß sie vor Jahren als Junge verkleidet in Häuser eingebrochen war, um Juwelen den Besitzer wechseln zu lassen. Das war ein größeres Wagnis gewesen. Das Sportkostüm war nur ein wenig skandalös, und das auch nur für die konservativeren Gemüter, und die beiden Damen in Corrisandes Begleitung konnten wohl kaum konservativ genannt werden, sonst hätten sie den geheimnisvollen Grafen Arpad nie zu ihrem Liebsten gewählt.