Kapitel 18
Henry tauchte tatsächlich wie gehofft in dem Kaffee auf und dank des Portraits war er auch schnell identifiziert. Er erklärte sich sogar bereit, Paul sofort auf die Wache zu begleiten und sich den Fragen der Polizei zu stellen. Jérémie beschloss, Beth erst anschliessend anzurufen, da sie bestimmt noch schlafen würde und bei der Befragung sowieso nicht dabei sein durfte. Auch das Verhör schien ohne weitere Probleme zu verlaufen. Henry war kooperativ und hilfsbereit. Als Jérémie dann aber die erste Frage über Dina stellte, bekam Jérémie eine verwirrende Antwort.
„Sie möchten nun bestimmt genauer wissen, weshalb Sie eigentlich hier sind“, begann Jérémie nach den allgemeinen Fragen auf das eigentliche Thema zuzusteuern.
„Gerne.“ Die sonore Stimme Henrys durchschnitt die eigentlich drückende Atmosphäre des Raumes.
„Kennen Sie Dina Clement?“
Ungerührt antwortete Henry. „Nein.“
„Monsieur Depruit, Sie wissen, dass Sie sich an die Wahrheit halten müssen. Ist es denn nicht korrekt, dass Sie in der letzten Zeit Kontakt mit einer Frau pflegten, die Sie an der Theke desselben Kaffees kennengelernt haben, in dem wir Sie heute angetroffen haben?“
„Nein, das ist nicht korrekt.“
Jérémie spürte die kleine Unruhe in Henrys Stimme und hakte nach. „Monsieur Depruit, wir wissen bereits, dass Sie verheiratet sind. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass Sie eindeutig identifiziert wurden, wie Sie mit dieser Frau regelmässig Zeit verbracht haben.“ Jérémie legte ein Foto von Dina auf den Tisch.
Schuldbewusst zuckte Henry zusammen, als er das Foto sah. „Ja gut, ich habe diese Frau mehrfach getroffen und wir haben ein Verhältnis angefangen. Meine Frau kam aber dahinter, also wollte ich es beenden.“
„Sie wollten?“
„Ja, ich habe es ihr zwar gesagt, aber ich konnte mich nicht von ihr fernhalten, bis sie dann auf einmal den Kontakt zu mir abbrach. Da dachte ich, sie würde für uns beide stark sein und die Sache für mein Wohlergehen beenden. So schätzte ich sie als Mensch ein.“
„Wann hörten sie das letzte Mal etwas von ihr?“
„Vor etwa vier Tagen.“
„Wusste Ihre Frau, dass Sie das Verhältnis beenden wollten, es aber nicht geschafft haben?“
„Nein. Ich hatte ihr versprochen es zu beenden, das war alles, was ich ihr sagte. Dann, als ich nichts mehr von Dina hörte, sagte ich meiner Frau, dass es vorbei wäre.“
„Wie hat Ihre Frau darauf reagiert?“
„Seltsamerweise sagte sie, dass sie es schon wisse. Ich fragte sie natürlich wie das möglich sei und sie antwortete nur, dass Frauen so etwas eben spüren würden. Aber sagen sie, warum fragen sie mich das alles? Ist etwas mit Dina?“
„Monsieur Depruit, es tut mir Leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir Dina vor rund vier Tagen tot aufgefunden haben.“
Entsetzt riss Henry die Augen auf. „Nein, das kann nicht sein! Das ist unmöglich! Dina, tot? Das darf nicht sein!“
Soweit es Jérémies Taktgefühl bei einem Verhör zuliess, wartete er mit der nächsten Frage, bis sich Henry wieder einigermassen gefasst hatte. „Hören Sie, ich weiss, dass ist jetzt ein Schock. Ich möchte Sie auch nicht länger mit dieser Fragerei belasten, aber eines würde mich noch brennend interessieren. Nimmt Ihre Frau Beruhigungsmittel?“