64
Da beide Klappen der fernen Luftschleuse offen waren, flammte hinter Myrkrs Scheibe die Sichel der blauen Sonne auf und warf düstere, saphirfarbene Streifen auf die Millionen Säulen der Schlangenhalle. Der Gestalter und seine Eskorte waren als dünne Silhouetten zu erkennen, die in einer Reihe auf den Ausgang zugingen. Die Voxyn-Königin war nicht zu entdecken, obwohl Jacen wusste, dass sie da war, in der Lücke zwischen zwei Gestalten ganz vorn.
»Da stimmt etwaz nicht«, schnarrte Tesar. »Die Luftschleuse kann doch nicht einfach offen stehen.«
»Es wäre besser, eine Erklärung zu suchen, als zu leugnen, was wir alle deutlich sehen können«, erwiderte Tenel Ka. »Außerhalb dieser Luftschleuse ist Atmosphäre vorhanden.«
»Ja, aber was sonst noch?«, fragte Vergere. »Das ist die Frage, nicht wahr?«
»Wie wäre es, wenn Sie uns eine Antwort darauf geben würden?«, erwiderte Ganner.
Als Vergere die Arme ausbreitete und mit den gefiederten Schultern zuckte, blickte Jacen zurück zu der Reihe der Yuuzhan Vong. Er füllte seine Gedanken mit Furcht und Misstrauen und drang zum achten Mal seit Verlassen der Käferkolonie zu der Königin vor.
Das Voxyn reagierte noch schneller als beim letzten Mal und wirbelte zu dem Krieger hinter sich herum. Die Königin musste den ersten Yuuzhan Vong bereits mit ihrem giftigen Schwanzstachel gestochen haben, denn sie ignorierte ihn und spuckte Säure auf den zweiten in der Reihe, dann sprang sie an ihm vorbei und schlug auf den dahinter ein. Alle drei Krieger gingen zu Boden, und sie griff einen vierten an, ehe der Gestalter und zwei seiner verbliebenen Gehilfen ihre Leinen packten und sie zurückrissen.
Jacen zog sich zurück. Die Königin beruhigte sich so weit, dass der Gestalter es wagte, sich ihr zu nähern, ihr die Schnauze zu streicheln und ohne Frage sanft auf sie einzureden. Es würde nicht mehr lange dauern, bis dieser Mut sich als tödlicher Fehler erwies, aber noch wollte Jacen nicht, dass die Bestie ihren Führer tötete. Die Krieger waren bereits jetzt äußerst wachsam, und nach dem Tod des Gestalters würden sie Verstärkung anfordern.
Schließlich wich der Gestalter zurück und gab seinen Assistenten ein Zeichen, die Stricke loszulassen. Die Königin würde sich nicht rühren, solange jemand das andere Ende des Stricks hielt, wie sie auf die harte Tour gelernt hatten − das Ergebnis der Unruhe, die Jacen ihr eingegeben hatte. Als das Voxyn sich willig zeigte, den Marsch fortzusetzen, ohne jemanden zu töten, drehten sich die Yuuzhan Vong um, ließen ihre Toten und Verwundeten liegen und verschwanden durch die offene Luftschleuse.
»Nur noch vier«, sagte Vergere und erhob sich aus dem Versteck der Gruppe. »Gut gemacht, Jacen Solo.«
Jacen bedankte sich bei dem seltsamen kleinen Wesen nicht für das Lob. Ihm war das Töten widerlich, und noch weniger behagte es ihm, ein Tier dazu zu bringen, das für ihn zu erledigen. Aber er hatte Anakin ein Versprechen gegeben, das er halten musste, und er musste seine Schwester finden, die er noch immer nicht durch die Macht spüren konnte; daher bestand seine größte Hoffnung, beide Aufgaben zu erledigen, darin, das Voxyn seiner Natur folgen zu lassen. Er nickte Tesar zu, der sich erhob und losging. Der Barabel sorgte dafür, dass sie nicht entdeckt wurden in dieser mit Pilzen überwucherten Spalte, denn in dieser Gegend trieben sich viele Yuuzhan-Vong-Arbeiter herum, die in den erschöpften Schlangengründen nach brauchbaren Amphistäben oder Tsaisi Baton suchten.
Während sie den Marsch fortsetzten, blieb Ganner stets einen Schritt hinter Vergere und hielt den Repetierblaster auf ihren Rücken gerichtet. Obwohl sie sich bei der Verfolgung der Yuuzhan Vong als ausgesprochen nützlich erwiesen hatte, vertrauten die Jedi ihr nicht. Sie hatte es nicht nur abgelehnt, ihnen zu verraten, welcher Spezies sie angehörte − mit der Behauptung, die würden sie sowieso nicht kennen −, sondern zudem hatte sie sich geweigert, ihre Anwesenheit bei Elans Anschlag gegen die Jedi zu erklären, oder den Grund, warum sie später die Tränen gespendet hatte, die Mara das Leben retteten. Obwohl Jacen sie nicht direkt als Feind betrachtete, sah er sie auch nicht als Verbündete. Selbstverständlich trug er jetzt Anakins Lichtschwert an seinem Ausrüstungsgurt, und Ganner hatte demonstrativ bestätigt, er würde sie in eine Wolke Federn verwandeln, falls sie auch nur ein Zeichen von Verrat zeigen würde. Vergere hatte sich mit einem vorgetäuschten Schaudern darüber hinweggesetzt.
Der Spalt und die Pilze endeten, als sich die Gruppe der Luftschleuse näherte. Um keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, aktivierten die Jedi ihre Holotarnungen und marschierten als falsche Yuuzhan Vong durch die Luftschleuse, wobei sie Vergere vor Blicken abschirmten.
Sie traten hinaus zum Rand eines Lochs, das aussah wie ein riesiger Meteoritenkrater, nur waren die Hänge und die Grate am oberen Rand überraschend glatt. Obwohl es kein Dach gab, war die Atmosphäre so dicht und warm wie im Weltschiff. Am Boden des Beckens sahen sie eine Art großer Honigwabe, nur war jede Zelle einen Meter groß und enthielt einen Dovin Basal.
Jacen konnte die Gefühle der Dovin Basale nicht spüren − Wesen ohne Verbindung zur Macht blieben für ihn so unlesbar wie die Yuuzhan Vong selbst −, aber er konnte anhand des heftigen Pulsierens und der mit Flocken bedeckten Haut erkennen, dass sie beunruhigt waren. Es gab auch große Bereiche, in denen nur verschrumpelte Hülsen steckten. Ob dies seine Ursache in Alter, Erschöpfung oder Krankheit hatte, wusste er nicht, doch bot es einen weiteren Grund dafür, weshalb die Yuuzhan Vong das verfallende Weltschiff aufgaben.
Der Gestalter und seine Eskorte befanden sich bereits am Boden des Beckens und gingen am Rand der Basal-Waben entlang auf Nom Anors Fregatte zu, bis zu der sie ungefähr noch ein Fünftel des gesamten Lochs umrunden mussten. Der Exekutor und vielleicht fünfzig Yuuzhan Vong befanden sich etwa einen halben Kilometer vom Rand entfernt und krochen über die schmalen Wände der Zellen, wobei sie vorsichtig jede Berührung der Dovin Basale vermieden. Manche der Krieger trugen lediglich am Oberkörper Panzer; offensichtlich hatte der Exekutor auch die Schiffsmannschaft hinzugezogen, um seine Truppe zu ergänzen.
Nom Anor und seine Leute waren zum Zentrum der Basal-Waben unterwegs, wo eine große Ansammlung von Zellen nur verschrumpelte Hülsen oder gar nichts enthielt. Im Zentrum dieses toten Bereichs stand Jainas gestohlener Shuttle, umgekippt und aufgerissen, aber noch in einem Stück. Die sporadischen Blasterblitze und Magmageschosse, die aus dem Wrack kamen, zeigten, dass zumindest einige Jedi den Absturz überlebt hatten.
Vergere hockte sich hinter Jacen hin und ließ den Blick von der Königin zu Nom Anors Fregatte schweifen, wo vier Krieger vor einer heruntergelassenen Rampe Wache hielten. »Interessant. Wirst du das Voxyn vernichten, Jacen Solo, oder deine Schwester retten?«
Jacen ignorierte die Frage und studierte weiter die Lage. Der Langblaster brüllte und tötete einen der Krieger vor Nom Anor. Der Exekutor erschauerte, senkte jedoch den Kopf und kroch vorwärts.
»Ich verstehe nicht«, sagte Tekli. »Der Shuttle ist hilflos. Die Fregatte sollte angreifen.«
»Ja«, stimmte Tenel Ka zu. »Warum kriechen sie unter Beschuss weiter?«
»Warum, ja?«, sagte Vergere. »Vielleicht gibt es an Bord etwas, das sie lebend haben wollen.«
»Jaina«, sagte Jacen.
Vergere breitete die Hände aus. »Und dich. Tsavong Lah hat Yun-Yammka zwei Jedi-Zwillinge für den Fall von Coruscant versprochen. Die Sache wird übel für Nom Anor ausgehen, wenn sie bereits tot ist.« Sie blieb stehen und betrachtete Jacen kurz, ehe sie fortfuhr. »Aber du könntest ihm den Ärger ersparen, nicht wahr? Wie ich gehört habe, besitzen Jedi-Zwillinge ein spezielles… Gefühl füreinander.«
Jacen sah sie aus den Augenwinkeln an. »Ich würde an Ihrer Stelle nicht allzu viel auf solche Gerüchte geben.«
»Nein?« Vergere grinste. »Bist du nur vorsichtig, frage ich mich, oder hast du einen misstrauischen Charakter?«
»Beidez ist Ihnen gegenüber wohl angebracht, denkt dieser hier«, sagte Tesar. Er checkte den Energielevel seiner Minikanone, dann legte er sie auf den Rand des Hangs und zielte auf das Voxyn. »Jacen, dieser hier hat noch zwei Schüsse, vielleicht drei. Wir müssen die Königin vernichten.«
Jacen nickte. »Und…« Beinahe hätte er Jaina gesagt, konnte sich jedoch noch rechtzeitig korrigieren. »… unsere Freunde im Shuttle retten.«
»Beides schafft ihr nicht«, warnte Vergere. »Bei den Yuuzhan Vong gibt es ein Sprichwort: Die Flotte, die sich auf zwei Schlachten einlässt, verliert beide.«
»Sehen wir aus wie Yuuzhan Vong?«, fragte Ganner und zeigte auf seine Augen. »Wir sind Jedi.«
»Das seid ihr«, sagte Vergere milde. »Aber die Yuuzhan Vong haben auch ihre Stärken. Setzt euch nicht über diese Stärken hinweg, nur weil die Macht blind dafür ist.«
»Das werde ich nicht«, sagte Jacen. »Aber wir werden beide Schlachten gewinnen, und zwar folgendermaßen.«
Er erklärte seinen Plan den anderen, dann schaute er zu, wie eine Plasmakugel über Nom Anor hinwegfegte und zwei Schritte von ihm entfernt einschlug. Im Umkreis von zehn Metern wurden die Basal-Waben zerstört, aber als sich das überhitzte Gas auf die benachbarten Zellen ausbreitete, kondensierte es und verschwand in einem bunten Blitz.
»Was ist mit ihr?« Ganner deutete mit dem Blaster auf Vergere.
»Wenn ihr auf der Fregatte seid, kann sie sich entscheiden, ob sie bleiben oder mit uns abfliegen will«, sagte Jacen. »Bis dahin wirst du sie, wenn sie eine falsche Bewegung macht…«
»Erschießen«, beendete Vergere den Satz. Sie schnippte mit den vier Fingern ihrer Hand und wandte sich an Tesar. »Auf der Brücke der Ksstarr befinden sich ein Pilot, ein Kopilot und ein Kommunikationssubalterner. Der Meistertierwärter ist ebenfalls irgendwo an Bord. Sie haben keine Erlaubnis, von Bord zu gehen, solange das Schiff in Betrieb ist.«
»Dieser hier wird sich diese Informationen merken«, sagte Tesar. »Und auch, von wem er sie bekommen hat.«
Tesar reichte die Minikanone Ganner, dann zog er seinen Overall aus und kroch auf allen vieren über den Rand. Seine rauen Schuppen boten eine gute Tarnung vor dem Hintergrund der dunklen Yorikkoralle, und er bewegte sich mit solch langsamer reptilienhafter Anmut, dass es schwierig war, ihn auszumachen.
Jacen rief sich ein Bild der beengten Zelle in der Schattenakademie vor Augen und gestattete sich, abermals den Schrecken seiner Entführung zu erleben, die Angst und die Verwirrung, als er begriffen hatte, dass sein Schicksal nicht mehr in seinen eigenen Händen lag. Da die Erinnerungen nicht tief unter der Oberfläche verborgen waren, trotz der vielen Jahre, die seitdem vergangen waren, und durch den Schmerz über Anakins Tod vielleicht noch zugänglicher geworden waren, konnte er diese Gefühle leicht zurückrufen. Als sich kalter Schweiß auf seiner Stirn bildete, leitete er die Emotionen an die Voxyn-Königin weiter und drängte sie zur Flucht.
Die Königin stieß einen Schrei aus und warf damit zwei Wächter zu Boden, obwohl diese Schutzmembranen in den Ohren trugen, dann drehte sie sich um und stand vor einem dritten Krieger, der ihr den Weg blockierte. Sie packte ihn und biss ihn sauber in zwei Stücke. Der Gestalter rannte ihr hinterher, rief Befehle und versuchte, sie zu beruhigen. Jacen drängte das Untier, dem »Folterknecht« nicht zu vertrauen. Die Königin fuhr herum und spuckte Säure, doch duckte sich der Gestalter rechtzeitig, und statt seiner wurde einer seiner Begleiter getroffen.
Jacen löste das Lichtschwert von seinem Gurt. »Ich muss mich ganz auf das Voxyn konzentrieren, also müssen wir die Sache ohne Kampfgeflecht erledigen. Möge die Macht mit uns sein, meine Freunde.«
Tenel Ka nahm ihr Lichtschwert ebenfalls in die Hand, trat zu ihm und wollte ihn küssen, doch Vergere schob sich dazwischen.
»Und mit dir, Jacen Solo.« Das kleine Wesen scheuchte ihn den Hang hinunter. »Jetzt geh, ehe deine Beute entkommt.«
Jacen blickte Tenel Ka an und verdrehte die Augen, dann schenkte er der Dathomiri ein schiefes Grinsen und setzte die Atemmaske auf. Mithilfe der Macht sprang er mit zwei Sätzen hinunter und landete unentdeckt hinter dem letzten Wächter. Da er glaubte, er könne den wachsamen Krieger besser bewusstlos schlagen als töten, streckte er die Hand aus, um ihm den Helm abzureißen − und musste seinen Fehler einsehen, da der Yuuzhan Vong im gleichen Moment herumwirbelte.
Jacen drückte auf den Schalter. Die Waffe erwachte vor dem sich nähernden Arm zum Leben und trennte dem Gegner diesen am Ellbogen ab, doch dieser Verlust würde einen Yuuzhan Vong nicht aufhalten. Jacen drehte seine Waffe um neunzig Grad und zog ihm die Klinge über den Hals. Der Krieger brach zusammen.
»Jacen?« Die Stimme aus dem Komlink gehörte nicht Jaina, sondern Zekk. »Bist du das?«
»Wer sonst?« Jacen rannte weiter und schluckte die Enttäuschung hinunter, weil es nicht Jaina war, die sich gemeldet hatte. »Wie ist die Lage bei euch?«
»Ein paar Verletzungen, aber keine ernsten«, meldete Zekk. »Wir haben Lowbacca − und Anakins Leiche.«
»Und Jaina?«, fragte Jacen, weil ihn besorgte, was Zekk nicht sagte.
Zekk zögerte, ohne Zweifel überrascht, weil Jacen fragte. »Sie ist hier, Jacen.«
Zekks Tonfall hatte etwas von der kalten Dunkelheit, die Jacen stets vorfand, wenn er seine Schwester zu erreichen versuchte, doch war er glücklich, dass sie noch lebte. »Gut. Wartet dort, es kommt jemand.«
Jacen riskierte einen Blick zu der Fregatte. Ob die Wachen nun begriffen hatten, wer er war, oder auch nicht, das plötzliche Auftauchen eines einzelnen Jedi war eine zu große Verlockung. Sie ließen einen Krieger zurück und verfolgten Jacen zu dritt mit den Amphistäben in der Hand. Hinter ihnen kroch Tesar Sebatynes dunkle Gestalt in den Schatten unter der Fregatte. Der Barabel wappnete sich, um sich auf den letzten Wächter zu stürzen.
Jacen rannte dem Gestalter und dem fliehenden Voxyn hinterher. Die Minikanone brüllte einmal, dann zweimal, und zwei seiner Verfolger gingen zu Boden. Der dritte fiel im Sturm von T-21-Blitzen. Jacen blickte sich nicht einmal um. Inzwischen wäre Tesar an Bord der Fregatte, und die anderen würden sich bald zu ihm gesellen.
Das Voxyn lief schnell, der Gestalter war langsamer. Jacen tröstete es durch die Macht. Ohne Erfolg. Angesichts der Plasmakugeln und blitzenden Laser floh die Königin einfach weiter. Er versuchte, die Jagdinstinkte des Voxyn ins Spiel zu bringen. Das half auch nichts. Während die Klone darauf abgerichtet waren, Jedi zu jagen, war die Königin darauf dressiert, ihr eigenes Leben zu schützen. Jacen zog eine der beiden Thermogranaten von seinem Gurt, ließ den Zünder beim ersten Klick einrasten und nutzte die Macht, um sie ihr in den Weg zu werfen.
Die Königin machte vor der silbernen Kugel abrupt kehrt, stand plötzlich vor ihrem Führer und schlug ihn zur Seite. Jacen sah einen Arm in eine Richtung und den Rest in die andere Richtung fliegen, dann rannte das Voxyn auf ihn zu und hob den Kopf, um Säure zu spucken. Jacen aktivierte das Lichtschwert und bereitete sich auf den Kampf vor.
Bei drei Schritten Abstand spuckte sie die Säure. Jacen sprang in die Luft, vollführte eine Rolle, und die braune Brühe flog unter ihm hindurch. Dann explodierte die Granate hinter ihm, und er wurde durch die Luft gewirbelt. Er landete und vollführte im nächsten Sprung eine halbe Drehung, die ihn in die gleiche Richtung brachte wie zuvor. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Kein Voxyn, nur der grelle Blitz der Granate, der in sich selbst zusammenfiel. Geblendet riss Jacen das Lichtschwert herum und suchte mit der Macht nach seiner Beute. Sie war seitlich von ihm und machte sich langsam davon. Er blinzelte und sah sie nun, wie sie hinaus auf die Basal-Waben kroch, in einer Richtung, in der sie sich gleichzeitig von Jacen und dem Gefecht entfernte. Ihr Körper war so breit, dass sie rittlings auf der Mauer zwischen zwei Zellen hockte. Jacen schlang den T-21 um die Schulter und lief ihr hinterher. Ihm blieben nur noch wenige Schüsse, und die Blitze würden ihre dicken Schuppen ohnehin nicht durchdringen.
Tenel Ka meldete sich über Komlink. »Fregatte gesichert. Wir können nach Hause, aber es gibt da eine Komplikation.«
Lowbacca knurrte eine Frage.
»Wie ist nicht der springende Punkt«, erwiderte Tenel Ka. »Als wir den Kommunikationsoffizier entdeckten, sprach er gerade mit dem Raumhafen.«
Jacen stöhnte innerlich und fragte: »Vergere?«
»Sie hat gesagt, sie wolle sich nicht atomisieren lassen, und ist verschwunden«, sagte Tenel Ka. »Sie scheint dir zu folgen.«
»Okay. Beeilt euch.« Jacen erreichte die Basal-Waben und musste das Tempo verringern. Die Wände zwischen den Zellen waren einen halben Meter breit, liefen jedoch oben spitz zu. »Zuerst der Shuttle.«
»Wir?«, beschwerte sich Zekk. »Weißt du nicht, dass die Yuuzhan Vong hinter dir her sind?«
Jacen hatte keine Zeit. Er näherte sich der Königin. »Zuerst der Shuttle«, wiederholte er. »Ich muss hier noch etwas erledigen.«
Das Voxyn blieb beim nächsten Zusammentreffen mehrerer Zellen stehen, wo die Wände eine Art Insel bildeten, und drehte sich um. Jacen sprang über den Dovin Basal, landete hinter ihm, schwankte und zündete das Lichtschwert. Das Voxyn brüllte, doch konnte es den Kopf nicht weit genug herumbringen, um Jacen direkt zu treffen. Er tänzelte vorwärts und zog die Klinge hinter ihrem Vorderbein nach unten.
Aus dem Schlitz fielen innere Organe, Blut spritzte in die Luft und ließ giftige Dämpfe aufwallen. Jacen zog den Schnitt seitlich weiter und trennte das zweite Bein am Gelenk ab, dann stieß er zu und riss die Klinge hoch. Das Voxyn wich zurück und flüchtete auf die nächste Wand, wo es sich zu ihm umdrehen konnte. Er machte einen Satz, damit er hinter ihm blieb, dann hörte er einen Messerkäfer durch die Luft auf sich zusurren.
Jacen ging in die Hocke, hielt die Waffe vor sich, blockte den Käfer mit der Klinge ab und zerstörte ihn. Das Voxyn zog sich weiter zurück, bis es sich wieder zu ihm umdrehen konnte. Jacen vollführte einen Salto rückwärts, kam auf einer schmalen Stelle zum Stand und wagte es, kurz den Blick von der Königin abzuwenden.
Die gestohlene Fregatte flog bereits über das Becken zu dem abgestürzten Shuttle, die vordere Rampe stand offen, damit alle rasch an Bord kommen konnten. Nom Anor und seine Krieger waren noch hundert Meter entfernt, manche starrten mit offenem Mund zu der Fregatte, andere krochen weiter in Jacens Richtung, doch waren alle zu weit entfernt, um einen Messerkäfer geworfen zu haben.
Ein Gefühl von Gefahr lenkte Jacens Aufmerksamkeit in die andere Richtung. Er drehte sich um und sah einen großen Yuuzhan Vong, der über die Zelle hinweg auf ihn zusprang.
»Nein, Jeedai!« Die Gestalt streckte einen Arm aus.
Jacen zog das Lichtschwert hoch, traf den Yuuzhan Vong an der Hüfte und erkannte erst den Gestalter in ihm, als eine achtfingrige Hand seine Atemmaske packte und ihn beinahe von der Wand gestoßen hätte. Er senkte den Kopf, und die Atemmaske löste sich. Der Torso des Yuuzhan Vong fiel in die Zelle neben ihm; der Mann starrte Jacen wütend an, doch dann reagierte der Dovin Basal mit der einzigen Möglichkeit, die ihm zur Verfügung stand, um sich zu verteidigen. Eine winzige Schwerkraft-Anomalie erschien, der Gestalter kollabierte in sich selbst und verschwand in einem Blitz aus tanzenden Farben.
Der säuerliche Geruch des toxischen Blutes erinnerte Jacen an die Gefahr, der er ohne Atemmaske ausgesetzt war. Er sah auf, und die Königin starrte ihn aus zwei Metern Abstand ausdruckslos an, doch in der Macht spürte er ihre grimmige Entschlossenheit. Sie wusste, wen sie vor sich hatte. Sie war nicht zornig, nicht hasserfüllt − sie war lediglich entschlossen, ihr Leben zu retten. Jacen wollte sie nicht töten. Niemals hatte er ein Tier töten wollen. Vielleicht spürte sie das.
Jacen begann der Kopf zu schwirren. Er musste die Sache zu Ende bringen. Er schwenkte das Lichtschwert, um das Geschöpf abzulenken, und zog mit der freien Hand seine letzte Thermogranate. Die Königin setzte zum Sprung an. Er zog die Granate aus dem Gurt. Sie reckte sich, als wolle sie ihm den Kopf abreißen, überraschte ihn jedoch, als sie mit einer Klaue auf seine Schulter schlug.
Die Krallen gruben sich tief ins Fleisch und rissen ihn um. Der Detonator flog ihm, nicht aktiviert, aus den Händen, und unter ihm erschien der Dovin Basal und erhob sich rasch. Er stieß sich mit den Beinen von der Kante ab und machte einen Salto zur anderen Seite der Zelle. Benommen und mit Mühe das Gleichgewicht haltend, landete Jacen dort und setzte sofort zum nächsten Sprung an, diesmal höher, um mehr Zeit zu gewinnen.
Er landete auf den Fersen, konnte kaum klar sehen, seine Nasenhöhlen brannten. Rückwärts plumpste er auf eine der Verbindungsstellen mehrerer Wände. Seine Schulter pochte heftig, doch wenigstens konnte er den Arm noch bewegen.
Ein Trio von Korallenskippern zog über ihm vorbei, die Nasen spuckten Plasmakugeln in die Mitte des Beckens. Hustend und darum kämpfend, bei Bewusstsein zu bleiben, setzte sich Jacen auf und sah, wie die gestohlene Fregatte sich durch das Bombardement hindurch schwerfällig in Richtung Himmel bewegte. Sie feuerte ein Magmageschoss ab, das in einer Schild-Anomalie verschwand, sobald es sich einem der Skips näherte. Mit einer ausreichend großen Mannschaft hätte die Fregatte die kleineren Schiffe leicht besiegen können. Mit einer Hand voll Jedi an Bord würde sie vermutlich nach und nach in Stücke gerissen werden.
Jacen aktivierte sein Komlink, doch erregte ein unverkennbares Rülpsen seine Aufmerksamkeit. Er rollte über seine gute Schulter ab und kam taumelnd auf die Beine. Ein Schwall brauner Schleim landete dort, wo er gelegen hatte, dann kam das Voxyn auf ihn zu. Der säuerliche Geruch des Blutes brachte ihn zum Schwanken, seine Lungen brannten, sein Kopf schwirrte, und beinahe wäre er auf einen der Dovin Basale in den Waben gefallen.
Die Königin erreichte eine Verbindungsstelle und blieb stehen. Sie wurden nur durch eine zischende Lache ihrer Säure getrennt. Jacen hielt das Lichtschwert aufrecht vor sich, die Spitze nach vorn geneigt, der verletzte Arm hing schlaff nach unten. Hinter dem Voxyn tauchte der hundert Meter lange Rumpf einer Yorikkorallenkorvette auf und schnitt ihn vom Rest des Kommandoteams ab. Jetzt ging der Kampf zwischen seinen Freunden und einer ganzen Flottille von eintreffenden Yuuzhan-Vong-Schiffen richtig los.
Eine Welle der Übelkeit wogte über Jacen hinweg, und er fiel auf die Knie. Das Voxyn wollte den Vorteil nutzen und machte sich zum Sprung bereit.
Eine Thermogranate fiel in eine Säurepfütze. Der Zünder war nicht aktiviert, aber das war alles, was Jacen sah, ehe das silberfarbene Gehäuse im Schlamm versank.
»Kannst du die gebrauchen?«, rief Vergere. Sie kam auf ihn zu und hatte die dünnen Arme ausgestreckt, um das Gleichgewicht zu halten. »Ich habe gesehen, wie du sie hast fallen lassen.«
Jacen klappte die Kinnlade herunter. »Wie sind Sie…«
»Keine Zeit.«
Vergere zeigte auf etwas. Das Voxyn krabbelte über den Verbindungspunkt und floh vor der Silberkugel. Die Granate konnte ohne eingestellten Zünder nicht explodieren, aber was wusste die Königin schon über Granaten? Alle glänzenden Silberkugeln waren zu meiden.
Jacen sprang und traf die Königin mit den Füßen voran genau in der Mitte. Er trieb ihr die Hacken in die Rippen und stieß sie über den Rand. Sie rettete sich, indem sie die Krallen tief in die Yorikkoralle grub. Jacen landete hart neben ihr; der Aufprall trieb ihm den Atem aus den brennenden Lungen. Dunkelheit machte sich in ihm breit, doch er drängte sie zurück.
Er stach mit dem Lichtschwert in die Yorikkoralle und schnitt ein Stück unter der Kralle der Königin heraus. Das Voxyn hatte noch immer das vorrangige Ziel, der Granate zu entkommen, löste das vordere Bein und langte nach der gegenüberliegenden Seite, dann verloren die Krallen den Halt, und der Oberkörper rutschte in die Zelle. Die Königin riss den Schwanz herum und schlug mit dem giftigen Stachel nach Jacens Hals. Der duckte sich, schob die verwundete Schulter nach vorn, und die Spitze traf ihn in der offenen Wunde. Das Gift strömte in sein aufgerissenes Fleisch. Heiß. Brennend.
Zu schwach, um noch zu treten, schob Jacen mit der Macht. Ein weiteres Bein rutschte ab. Die Königin, durch ihre Wunden ebenfalls geschwächt, fiel tiefer. Ein Fuß streifte den Dovin Basal, dann stürzte sie ab, kollabierte in sich selbst und verschwand.
Jacen sah den endgültigen farbigen Blitz nicht. Der Stachel wurde aus seiner Schulter gezerrt, Jacen wurde schwarz vor Augen, und er brach auf der Verbindungsstelle der Zellenmauern zusammen. Etwas begann zu zischen, seine Hand brannte, und schließlich hob jemand seinen Arm und stützte ihn.
Oben gab es ein heftiges Krachen und einen so grellen Feuersturm, dass er die Dunkelheit hinter Jacens geschlossenen Lidern erhellte. Eine Stimme rief nach ihm, eine Stimme, die er schon sein ganzes Leben lang kannte und die ihm dennoch so fremd erschien wie die Yuuzhan Vong.
»Jacen?« Pause, kalt und fordernd. »Jacen, antworte!«
Eine sanfte Hand strich Jacens Haar zurück und nahm ihm das Komlink vom Kopf. »Ihr könnt jetzt nichts mehr für Jacen tun«, sagte eine zweite Stimme, die er ebenfalls kannte. »Rettet euch.«
»Vergere?«, fragte die erste Stimme. »Bist du das? Ich will mit meinem Bruder sprechen…«
Die Forderung wurde mit einem Klicken zum Verstummen gebracht. Jacen schlug die Augen auf und sah eine zarte Hand mit vier Fingern, die das Kopfhörermikrofon in die Luft warf. Oben am Himmel tobte eine Schlacht: Eine Yuuzhan-Vong-Fregatte versuchte, sich durch einen Schild aus Yuuzhan-Vong-Korvetten zu schießen.
Er war verwirrt, doch nur einen Moment lang. Die Fregatte − die von Nom Anor − hatten seine Freunde gestohlen, und die versuchten jetzt, Jacen zu erreichen. Mühsam richtete er sich auf und sah einen einäugigen Yuuzhan Vong, der mehrere Dutzend Krieger durch einen Hagel aus Plasmakugeln und Magmageschossen führte. Auf Jacen zu. Er versuchte, sich wegzurollen, doch eine Hand mit vier Fingern hielt ihn fest.
»Nein.« Obwohl die Hand zerbrechlich wirkte, kam er gegen ihre Kraft nicht an, zumindest nicht in seinem Zustand. Sie nahm ihm das Lichtschwert ab, dann zog sie Anakins Lichtschwert aus dem Ausrüstungsgurt. »Du hast deine Schlachten gewonnen. Jetzt musst du bezahlen.«
Jacen erinnerte sich an die Folter, die er und die anderen an Bord der Exquisite Death erlitten hatten. Ihm wurde übel. Seine Hände zitterten. Er öffnete sich der Macht und lächelte über die Angst seines Körpers. Die Jedi waren in Sicherheit. Verglichen damit bedeutete sein Schmerz gar nichts.
»Wird er noch«, sagte Vergere und überraschte ihn. Er konnte sich gar nicht erinnern, seine Gedanken ausgesprochen zu haben. »Das kann ich dir versprechen − er wird dir etwas bedeuten.«
Ein warmer Tropfen fiel auf sein Gesicht, dann noch einer und wieder einer. Jacen reckte den Hals und sah, wie sich Vergere Tränen von den Wangen wischte. Ihr Gesicht hielt sie so, dass Nom Anor und die anderen es nicht sehen konnte.
»Vergere, hast du…«
»Ja, Jacen.« Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen. »Ich habe um dich geweint.«