36

 

Während die Exquisite Death ins Innere des Systems raste, langsam an Geschwindigkeit verlor und in den Schwerkraftbereich von Myrkr geriet, wuchs der Planet von einem grünlichen Punkt zu einer smaragdenen Scheibe an. Zwar konnte sich Anakin nicht an einen Mond erinnern, doch der perlweiße Fleck neben Myrkr war zu hell für einen Stern im Hintergrund und zu beständig für eine optische Täuschung. Er wandte sich an die Sensorstation, wo Lowbacca in seinem Notfall-Vakuumanzug saß, den er über seinen Overall gezogen hatte, den Kopf in der Kontrollhaube und die riesigen Pranken in ein Paar Steuerhandschuhe gequetscht.

»Lowie, irgendwas zu sehen?«, fragte Anakin.

Der Wookiee grunzte eine Erwiderung, die Em Tede, der neben ihm schwebte, übersetzte: »Meister Lowbacca widmet sich mit ganzer Kraft seiner Aufgabe und wird Ihnen mitteilen, wenn er Erfolg hatte.«

Anakin wusste recht gut, was Lowbacca wirklich geantwortet hatte, aber er sagte nichts zu der liebenswürdigen Auslegung oder der mangelnden Notwendigkeit einer Übersetzung. Nicht jeder war der Sprache mächtig, und Em Tede beharrte darauf, es sei seine Pflicht, dafür zu sorgen, dass das gesamte Kommandoteam Lowbacca so gut verstand wie der Wookiee die anderen.

Lowbacca knurrte noch einmal kurz, und Em Tede fügte hinzu: »Zudem möchte er, dass ich Ihnen mitteile, häufige Nachfragen würden ihn lediglich dabei stören, sich zu konzentrieren.«

»Ich weiß«, sagte Anakin. »Tut mir Leid.«

Zwar hatte das Kommandoteam die meisten Systeme der Exquisite Death rasch zu bedienen gelernt − da sie alle verfügbaren Daten über Schiffe der Yuuzhan Vong studiert und sogar mit einem erbeuteten Sturmboot experimentiert hatten −, doch die Sensoren blieben ein Problem. Im Gegensatz zu den nach außen orientierten Technologien der Neuen Republik sammelten die Yuuzhan Vong Informationen, indem sie die unzähligen Verzerrungen analysierten, welche die Schwerkraft entfernter Objekte in der internen Schiffszeit hervorrief. Angesichts der Tatsache, dass die besten Wissenschaftler der Galaxis noch immer damit rangen, die Grundlagen dieser Sensoren zu begreifen, verwunderten Lowbaccas Schwierigkeiten bei der Bedienung niemanden − auch wenn Tahiri an seiner Seite stand und ihn in die Denkweise der Yuuzhan Vong einführte.

Als Anakin wieder Richtung Myrkr schaute, war der Planet zu einem mit Wolken gesprenkelten Kreis in der Größe von Ulahas Kopf herangewachsen. Der graue Fleck daneben war nun eine winzige Scheibe.

»Definitiv ein Mond«, stellte Anakin fest. Über diese Entfernung hinweg durfte er nicht erwarten, durch den Schimmererkristall etwas zu spüren. Aber er wusste, was er vor sich hatte. »Ein Yuuzhan-Vong-Mond.«

Lowbacca stieß ein triumphierendes Knurren aus, und Em Tede berichtete: »Meister Lowbacca meint, es handele sich in der Tat um ein Weltschiff der Yuuzhan Vong.« Lowbacca grunzte und jaulte noch ein paar Mal, und der Übersetzungsdroide fügte hinzu: »Im Orbit um das Weltschiff kreisen mehrere Yuuzhan-Vong-Korvetten, und der Durchmesser ist recht groß für ein Weltschiff − ungefähr hundertzwanzig Kilometer.«

Das war so groß wie ein Todesstern. Anakin pfiff leise vor sich hin, dann erkundete er den fernen Fleck mithilfe der Macht. Da er niemals die Möglichkeit von Zufällen ausschloss, war er misstrauisch genug, um die Sache sorgfältig zu untersuchen. Er spürte ein allzu bekanntes Rumoren, die tierische Aufregung eines Voxyn − und noch etwas anderes, eine weitere Präsenz von Schock und Qual… und Überraschung.

Eine klare, scharf umrissene Präsenz, nicht schleierhaft. Jedi, nicht Yuuzhan Vong.

Anakin merkte gar nicht, wie er die Luft anhielt, bis Alema ihn am Arm berührte und fragte, ob etwas nicht stimmte. Ohne zu antworten konzentrierte er sich weiter auf das Weltschiff. Die Präsenz berührte ihn ebenfalls, immer noch voller Schmerz und Furcht, aber auch voll Mitleid − nicht für sich selbst, dachte er, sondern für ihn. Er füllte sein Herz mit tröstenden Emotionen und versuchte eine Aura der Zuversicht und der Hoffnung zu erzeugen, obwohl er wusste, die Störungen in der Macht würden die Übermittlung der gewünschten Nachricht vielleicht stören. Die Präsenz am anderen Ende erhielt den Kontakt noch einen Moment lang aufrecht, ehe sie sich abrupt zurückzog, ohne Hinweis darauf, ob sie Anakins Botschaft verstanden hatte.

Tahiri umklammerte seinen Arm. »Anakin?«

»Dort drüben sind Jedi«, sagte er. »Bei dem Voxyn.«

»Nun, damit geht Plan A wohl zur Schleuse hinaus«, sagte Ganner. Laut Plan A sollten sie sich so nah wie möglich an die Kloneinrichtung heranschleichen, sie mit einer baradiumgeladenen Rakete zerstören, in der anschließenden Verwirrung die Vernichtung der Königin bestätigen und fliehen. »Wir müssen etwas anderes versuchen.«

»Das wäre natürlich sehr mutig«, meinte Alema. Sie stand neben dem Stuhl des Kommandanten gegenüber von Tahiri, legte Anakin eine Hand auf den Arm und drehte ihn zu sich um. »Aber wenn wir unseren besten Plan aufgeben, verlieren wir vielleicht mehr Jedi, als wir retten.«

Jacen kam aus dem hinteren Teil der Brücke nach vorn und verdrehte angesichts des schmollenden Tons der Twi’lek die Augen. »Alema, sicherlich weiß Anakin, was hier auf dem Spiel steht.«

»Ich komme damit schon klar, Jacen«, sagte Anakin und gab sich alle Mühe, seinen Groll nicht in seiner Stimme mitschwingen zu lassen. »Und du brauchst mich nicht schon wieder an die dunkle Seite zu erinnern. Ich verstehe, welche Konsequenzen es hat, unseresgleichen zu töten.«

»Anakin, ich wollte nur…«

»Solltest du nicht auf der Gefechtsstation sein?«, fragte Anakin und schnitt Jacen einfach das Wort ab. Er warf Alema und Tahiri einen viel sagenden Blick zu. »Gilt das nicht für alle?«

Jacen wurde rot, und Tahiri kniff die Augen zusammen, doch alle drei kehrten auf ihre Posten zurück und überließen Anakin seinen Gedanken. Dies war eine der Situationen, vor denen Lando sie gewarnt hatte, ein Moment, in dem jede Entscheidung sich gleichermaßen falsch anfühlte − aber Lando hatte nicht die Macht, die ihn führte, und Anakin hatte noch ein paar Minuten Zeit, ehe er eine Entscheidung treffen musste. Wenn er wartete, würde sich alles vielleicht zum Besseren entwickeln, wie fast immer.

Jaina brachte die Exquisite Death auf Annäherungskurs, und der Rand von Myrkrs riesiger grüner Scheibe schob sich vor die Backbordseite der Brücke. Aus dem Raum gab es keine sichtbaren Hinweise auf eine Planetengestaltung der Yuuzhan Vong; man sah den gleichen dampfverhüllten Wald wie in den Holovids.

Das Weltschiff füllte bald die Sichtkuppel und schwoll von der Größe eines Kuati-Banketttellers bis zu der eines Konferenztisches des Oberkommandos an. Ein schwacher Halo blinkender Sterne deutete auf das Austreten von Wärmestrahlung hin, während fleckige Kreise in Grau und Braun als pockige Oberfläche des Planetoiden erkennbar wurden.

Da er erwartete, dass der Grußvillip vor ihm sich jeden Augenblick aktivieren würde, winkte Anakin Tahiri zu sich, dann schaltete er die Holo-Tarneinheit an seinem Ausrüstungsgurt ein und hüllte sich in das vorher aufgezeichnete Bild eines Yuuzhan-Vong-Kriegers. Ob die Tätowierungen und Narben dem Kommandanten einer Korvette angemessen waren, blieb reine Mutmaßung; es schien die richtige Anzahl zu sein, aber der Geheimdienst der Neuen Republik hatte die Bedeutung der Muster noch nicht endgültig geklärt − falls sie überhaupt eine hatten.

Lowbacca stöhnte warnend von der Sensorkonsole her und setzte Anakin über ein Trio von Yuuzhan-Vong-Korvetten in Kenntnis, das gerade hinter Myrkr auftauchte und sich formierte, um sich der Exquisite Death von hinten zu nähern. Anakin befahl Jaina weiterzufliegen wie bisher. Obwohl ihr Gesicht unter der Pilotenhaube verborgen war, die sie trug, um mit dem Schiff zu kommunizieren, spürte er ihre Anspannung. Da sie die richtige Prozedur für den Zugang zu einer Yuuzhan-Vong-Basis nicht kannten, hatten sie sich entschieden, es in aller Offenheit zu versuchen, weil sie darauf vertrauten, dass Fehler im Procedere weniger Alarm auslösen würden als ein heimliches Anschleichen.

Jaina schwenkte nach steuerbord und brachte sie in eine Linie mit einer Reihe dunkler Flecken, die über die Oberfläche des Weltschiffs zogen, das inzwischen die Kuppel fast vollständig ausfüllte. Anakin ließ Ulaha eine Holokamera aktivieren, damit sie kartografische Informationen auf ihrem Datenblock speichern konnte. Nach der langen Reise zwischen Galaxien war das riesige Raumschiff verfallen und verbraucht. Einige schwarze, zerklüftete Narben zeigten Breschen in der Außenhülle, doch der größte Teil des künstlichen Planetoiden wirkte wie ein gesprenkelter Flickenteppich aus grauem Staub und gezackter Yorikkoralle. Über die Oberfläche zog sich ein weitmaschiges Netz von Wegen, die gelegentlich sternförmig zu Kreuzungen zusammenliefen oder einfach in den dunklen Schlünden von Zugangsportalen verschwanden.

Das Weltschiff rief sie noch immer nicht, und das Kribbeln in Anakins Nacken verhieß Gefahr. Keine Basis der Neuen Republik hätte ein Schiff so dicht herangelassen, ohne Kontakt herzustellen. Jaina flog weiter hinter den anderen Schiffen her und folgte ihnen um die Krümmung des Planetoiden. Ein Komplex von kegelförmigen Grashal-Spitzen tauchte am Horizont auf und ragte durch die Außenhülle, leicht steuerbords zu der langen Linie von Schiffen, der sie folgten. Sogar mit bloßem Auge konnte Anakin erkennen, dass die Gebäude auf der Oberfläche nahe einer schwarzen Grube von den Ausmaßen einer kleinen Stadt standen.

»Maximale Vergrößerung, Ulaha«, sagte er. »Was ist das?«

Ulaha richtete die Holokamera auf den Komplex und erhöhte die Vergrößerung. »Scheint eine Art Raumhafen zu sein«, schnaufte sie. Obwohl es der Bith nach der Heiltrance wesentlich besser ging, war sie noch geschwächt und bleich. »Es ist ein großes Loch, das von vielen Eingängen umgeben ist, offensichtlich Ladeeinrichtungen.«

»Verlassen?«

»Leer«, korrigierte Ulaha. »Keine Schiffe in Sicht, aber die Landebuchten sind voller Frachtkapseln… und Käfige.«

Anakin erforschte die Einrichtung mit der Macht. Die gequälte Präsenz, die er vorher gespürt hatte, war verschwunden, doch das hungrige Rumoren des Voxyn hatte nichts von seiner Stärke verloren. Das Kribbeln im Nacken wurde zum Jucken, und als ihm nun auffiel, dass ihr gegenwärtiger Kurs sie von dem Komplex fortführen würde, begriff er plötzlich, warum das Weltschiff sie noch nicht gegrüßt hatte.

»Sie versuchen, uns in eine Falle zu locken. Jaina, Kurswechsel auf den Komplex zu. Sofort!« Anakin aktivierte das Komlink. »Ganner, du und Tesar, ihr müsst die Rakete scharfmachen. Wartet auf Zielkoordinaten. Alle anderen schließen ihre Vakuumanzüge. Wir haben einen rauen Ritt vor uns.«

Während Jaina das Schiff herumzog, schlug Lowbacca brüllend Alarm. »Oh nein«, zirpte Em Tede. »Meister Lowbacca sagt, es sei ein Kreuzer…«

»Ich habe ihn gehört«, gab Anakin zurück.

In der Ferne trieb ein eiförmiger Brocken Yorikkoralle über den Horizont und manövrierte sich in eine Position zwischen der Exquisite Death und dem offensichtlichen Ladebereich des Klonkomplexes. Lowbacca warnte, dass die Korvetten von Myrkr beschleunigten und ausschwärmten. Das halbe Dutzend Schiffe, dem sie gefolgt waren, nahm nun Kurs auf den Kreuzer. Als Em Tede sich anschickte, diese Mitteilung in Basic zu übersetzen, schaltete Anakin ihn aus.

Einer der kleineren Villips neben dem Grußvillip des Schiffes stülpte sich aus seiner Körperöffnung und nahm die Gestalt eines knollenförmigen Yuuzhan-Vong-Kopfes an, der von kropfartigen Auswüchsen in Höhe der Stirn umzogen war. »Gadma dar, Ganner Rhysode.«

Anakin wandte sich wegen der Übersetzung an Tahiri, doch der Villip fuhr in Basic fort, ehe sie damit beginnen konnte.

»Streicheln Sie den Grußvillip, Jeedai, damit wir sprechen können.«

Bevor er der Anweisung Folge leistete, sagte Anakin: »Jaina, halte den Kurs. Lowie, nimm den Kreuzer ins Visier, und übermittle die Koordinaten an Ganner und Tesar.«

Der Yuuzhan Vong wurde ungeduldig. »Ich meine die ledrige Scheibe neben diesem Villip, Jeedai

Anakin strich über den entsprechenden Villip. Anstatt sich jedoch umzustülpen, öffnete sich ein Loch in der Mitte, und ein kurzer Tentakel mit einem schwarzen Auge am Ende schob sich heraus. Der Yuuzhan Vong − oder besser, sein Villip − zog die Augenbrauen hoch und wollte gerade etwas in seiner eigenen Sprache fordern, dann begriff er und lächelte.

»Sehr gut, Ganner Rhysode. Wie ich sehe, benutzen nicht nur wir Masken.«

Da er keinen Anlass sah, den Feind über seinen Fehler aufzuklären, ließ Anakin die Holomaske aktiviert. »Ich bin sicher, es handelt sich nicht um einen Höflichkeitsanruf, Schiffsmeister.«

»Kommandant«, korrigierte ihn der Offizier. »Ich habe die Pflicht, das Schiff zurückzuholen, das Sie gestohlen haben.«

»Gestohlen?«, fragte Anakin. »Wir haben es nur geborgt. Sie können es zurückhaben, wenn wir fertig sind.«

Der Villip stutzte einen Moment, dann runzelte er die Stirn. »Ich fürchte, wir brauchen es jetzt. Ergeben Sie sich dem Matalok vor Ihnen, und Sie werden der Einzige sein, der für den… Missbrauch… der Exquisite Death leiden muss.«

Anakin blickte durch die Brückenkuppel und sah ein Oval von der Länge seines Arms vor sich. Die Distanz zwischen den Schiffen betrug kaum mehr als ein Dutzend Kilometer, und trotzdem hatte der Kreuzer das Feuer noch nicht eröffnet. Vielleicht träumte der Kommandant davon, Tsavong Lah siebzehn Jedi zu präsentieren − oder er glaubte, sein Kreuzer habe von einem so kleinen Schiff wie der Exquisite Death nichts zu befürchten.

Lowbacca knurrte einen Bericht, demzufolge ein halbes Dutzend Korallenskipper und ebenso viele Korvetten über der Kloneinrichtung Position bezogen hatten.

»Es ist nicht schwierig, meinem Matalok den Angriff zu befehlen, Jeedai«, warnte der Kommandant. »Meine Falle war gut gestellt, und der Kriegsmeister sagte, wenn wir das Feuer eröffnen müssen, sind die Geiseln von Talfaglio zum Sterben verdammt.«

»Hat er das gesagt?« Anakin öffnete sich für seine Gefährten, damit sie sich auf das vorbereiten konnten, was er plante. »Ich sehe, wir haben keine Wahl.«

In der Hoffnung, Luke habe auf seiner Seite der Galaxis alles unter Kontrolle, nahm Anakin das Lichtschwert von seinem Gürtel, aktivierte es und zerschlug den Grußvillip.

»Volle Kraft voraus, Jaina.« Er schaltete sein Komlink an. »Ganner, ziel auf den Kreuzer. Stell den Zünder auf Annäherung ein, und feuer, sobald du bereit bist.«

»Feuer frei.«

Die Meldung kam fast, ehe der Befehl erteilt war, doch Anakin begriff erst, als die Rakete vorbeischoss, dass Ganner gewusst hatte, was Anakin beabsichtigte. Das Kommandoteam hatte sein Kampfgeflecht automatisch, vielleicht sogar unbewusst, hergestellt, sobald ein Gefecht wahrscheinlich wurde.

Das unerwartete Auftauchen der Rakete verwirrte die Yuuzhan Vong ein paar Sekunden lang. Eine Salve Plasmakugeln tauchte auf, um das Geschoss abzufangen, und das Droidenhirn aktivierte sein Programm für Gegenmaßnahmen. Die Rakete lenkte einen Teil ihrer Energie auf die Schilde und setzte den Weg zu ihrem Ziel in einer ausweichenden Spiralbewegung fort. Anakin brauchte seiner Schwester nicht erst zu sagen, dass sie einen weiten Bogen um das Ziel schlagen sollte. Baradium war die gleiche Substanz, die Thermogranaten zu einer derart fürchterlichen Waffe machte, und die mit dem Sprengstoff voll gepackte Rakete hätte als Munition für eine ganze Angriffsdivision gereicht.

Die Schützen der Yuuzhan Vong versuchten ein paar Sekunden lang vergeblich, die Angriffswaffe abzufangen, dann gaben sie auf und überließen die Verteidigung den Schildmannschaften. Ein schwarzer Punkt erschien einen halben Kilometer von dem Schiff entfernt und saugte die Rakete in ihr Verderben.

Sobald das Droidenhirn die Existenz einer Schild-Anomalie entdeckte, maß es mit seinem Leitlaser die Entfernung zum Ziel, berechnete, dass achtundneunzig Prozent von dessen Masse im Detonationsbereich lagen und löste die Explosion von tausend Kilogramm Baradium aus. Der Kreuzer verschwand in einem grellen Ball weißen Feuers, der für ein paar Augenblicke einer Sonne mit einem Kilometer Durchmesser ähnelte.

Die Exquisite Death wurde von der Druckwelle erschüttert, dann meldete sich Ganner über Komlink. »Was jetzt? Plan D?«

»So in der Art.« Anakin blickte zu der Kloneinrichtung und sah ein Dutzend Yorikkorallenflecken über den Gebäuden. Sie waren nicht herausgekommen, um anzugreifen, also würden sie ihre Energie sparen und erst schießen, wenn die Exquisite Death herangekommen war. Angesichts der Wahrscheinlichkeit, durch einen Fehlschuss eine der Korvetten zu treffen, die sich hinter der Death befanden, schien das die beste Strategie zu sein. »Also, ich möchte Folgendes.«

Anakin hatte seinen Plan noch nicht ganz umrissen, da hielt ihm Ulaha ihren Datenblock hin.

»Was ist das?«

»Ich muss diejenige sein, die beim Schiff bleibt«, sagte sie.

Anakin spürte die Besorgnis seiner Schwester so deutlich wie seine eigene. »Ich möchte dich nicht beleidigen, Ulaha«, sagte Jaina, »aber du bist wohl kaum in der Lage dazu.«

»Vielleicht nicht, aber ich bin Pilotin − und die Exquisite Death ist nicht gerade ein Sternjäger.« Ulaha drückte Anakin den Datenblock in die Hand. »Wir wissen, die Erfolgswahrscheinlichkeit deines Plans liegt bei einundzwanzig Prozent, bei einer Verlustprojektion von über neunzig Prozent. Wenn ich nicht mitkomme und euch nicht zur Last falle, steigt eure Erfolgschance auf fast fünfzig Prozent.«

»So hoch?« Anakin wollte die Verlustschätzungen gar nicht hören. »Okay, aber du setzt einfach nur den Shuttle von Zwei-eins-S ab und verschwindest dann sofort. Brauchst du irgendetwas?«

Ulaha dachte einen Moment lang nach und sagte dann: »Wenn genug Zeit ist, hätte ich gern ein Stück Metallrohr aus dem Droidenvorrat. Lasst es im Korridor.«

»Kannst dich drauf verlassen.« Anakin wollte sie umarmen oder ihr die Hand schütteln oder irgendetwas tun, denn die Situation wirkte so endgültig und unumkehrbar. Stattdessen schickte er Jaina zum Rest des Teams, das sich bereits im ersten Frachtraum versammelte. An der Türluke blieb er stehen und blickte zurück. »Keine Heldentaten, Ulaha. Das ist ein Befehl. Setz einfach nur Zwei-eins-S ab und verschwinde.«

Die Bith nickte ihm zu. »Okay, Anakin. Wir machen das Richtige.« Sie wandte sich ab und griff nach der Kontrollhaube. »Jetzt beeil dich; jede Minute Verzögerung reduziert die Erfolgschancen der Mission um null Komma zwo Prozent.«

Mit einem Gefühl von Leere und Einsamkeit lief Anakin durch den Korridor zum ersten Frachtraum, wo die Jedi bereits ihre Ausrüstung und sich selbst in fünf Yuuzhan-Vong-Frachtkapseln verstauten. Er ließ das Rohr für Ulaha im Korridor, dann versiegelte er die Frachtraumtür und gesellte sich zu den anderen.

Zekk verstaute Tesar zusammen mit Ganner, Jovan und Tenel Ka. »Seid ihr sicher, dasz wir genug Thermogranaten haben?«, schnarrte Tesar. »Wir werden eine Menge für die Voxyn brauchen.«

»Ich habe alle vier Kisten eingepackt.« Zekk schloss die Tür der Kapsel.

»Nur vier?«, fragte Tesar.

Zekk schüttelte den Kopf, dann versiegelte er den Spalt mit Blorash-Gallert und winkte Anakin zur nächsten Kapsel, in der schon Raynar, Eryl und Tahiri saßen. »Wir sind die Letzten. Ich hielt es für das Beste, Familien und Ausrüstung auf die verschiedenen Kapseln zu verteilen.«

Es war nicht notwendig, diese Maßnahme zu erklären. Anakin nickte, dann zog er seine Vakuumkapuze über und hockte sich neben Tahiri, gegenüber von Eryl und Raynar. Zekk quetschte sich neben Anakin hinein, machte einen Leuchtstab an und versiegelte den Spalt von innen. Die Exquisite Death flog offenbar noch immer ohne Widerstand weiter, und über das Kampfgeflecht spürte Anakin, wie Ulahas Beklemmung schließlich Verwunderung Platz machte.

»Sie kommen uns entgegen, aber sie schießen nicht«, meldete Ulaha über Kom. »Jetzt schwärmen sie aus, und aus den Nasen einiger Schiffe hängen Fangtentakel.«

»Sie wollen uns lebendig in die Hände bekommen!«, vermutete Anakin. »Warum riskieren sie so viel?«

»Sie sind Außergalaktische«, meinte einer der Barabels über Kom. »Ez hat keinen Zweck, sie verstehen zu wollen.«

Die Exquisite Death schwenkte hart nach backbord, dann ruckte sie wieder auf Kurs, tauchte kurz ab und wich aus wie ein Jäger.

»Ihr müsst mit dem Abwurf beginnen«, sagte Ulaha. Das Schiff begann zu beben. »Sie schießen ihre Tentakel auf uns ab.«

»Angepeilte Landezone zwei Kilometer vom Raumhafen in Richtung eins-zwanzig-zwei«, berichtete 2-lS aus dem Shuttle. »Überraschungswahrscheinlichkeit hoch.«

Anakin gab den Befehl, und Ulaha zog die Exquisite Death in einen Steigflug, dass die Korallen knackten. Am Ende der langen Reihe von Frachtkapseln benutzte 2-4S seine Blasterkanone, um eine provisorische Bombenluke zu öffnen, und der Druck im Frachtraum fiel mit ohrenbetäubendem Getöse. Anakins Kapsel rutschte über den Boden auf das Loch zu.

»Köder ist raus«, meldete 2-4S.

Anakins Kapsel, Nummer fünf, rutschte immer schneller auf das Loch zu.

»Kapsel eins ist raus.« Ein Augenblick der Stille folgte, dann kam wieder die Stimme von 2-4S: »Feindliche Fangtentakel haben Köderkapsel gefangen.«

Anakin hielt den Atem an. Er hatte beabsichtigt, die Kapsel auf dem Boden detonieren zu lassen, aber solange die Yuuzhan Vong überzeugt waren, dass die Jedi Bomben abwarfen und nicht das Kommandoteam…

Plötzlich ging ein statisches Knistern durch die Komlinks, dann sagte 2-lS mit kaum hörbarer Stimme: »Köder ist explodiert. Schwerer Schaden an feindlichem Schiff.«

Die Barabels zischten über den Kom-Kanal.

»Kapsel zwei unterwegs«, meldete 2-4S. »Kapsel drei…«

Anakin hörte die nächste Meldung nicht, denn ein gewaltiges Dröhnen erfüllte ihre Kapsel, als diese über die Kante des Lochs kratzte und in den freien Fall überging. Ihm wurde angesichts der Schwerelosigkeit flau im Magen, und alle fünf begannen zu schweben.

»Zwei-vier-S ist unterwegs«, meldete 2-4S.

Tahiri packte Anakins Arm, und Eryl begann laut mit dem Countdown. Anakin öffnete sich der Macht so vollständig wie möglich und achtete genau auf jede Emotion der anderen, die daraufhinweisen könnte, dass eine der Kapseln von einem Fangarm erwischt oder von einem Plasmageschoss getroffen worden war. Er spürte nur die gleiche Besorgnis wie bei sich selbst − außer bei den Barabels, die ein emotionales Äquivalent von »Hurra« ausstießen.

Schließlich sagte Eryl: »Fünfzehn Sekunden − los!«

Zumindest den Berechnungen nach waren sie nun in einer Höhe von tausend Metern über der Oberfläche des Weltschiffs. Anakin fing ihre Kapsel mit der unsichtbaren Hand der Macht ab und dämpfte den Sturz gerade genug, dass die Schwerkraft sie weiter zum Boden zerrte. Die Kriegsdroiden hatten berechnet, eine Verlangsamung von ungefähr eineinhalb Standard-Gravitationskonstanten würde nicht sehr stark auffallen, und die resultierende Landung könnten sie zu neunundneunzig Prozent überleben. Sie wurden kurz schwerelos, als die Kapsel aufschlug, dann stürzten sie alle auf den Boden und überschlugen sich unzählige Male, ehe sie verknäult zum Stillstand kamen.

Mit der Macht schob Anakin die anderen von sich herunter, dann zündete er sein Lichtschwert und schnitt durch den Blorash-Gallert-Saum. Er hatte kaum ein faustgroßes Loch hineinbekommen, als Zekk und die anderen die Verzögerung der Granaten aktivierten und die Macht benutzten, um sie durch den Spalt zu quetschen. Zwei Sekunden später explodierte über ihnen ein wallender Feuerball.

Anakin hoffte, die Explosion würde aus der Ferne realistisch genug aussehen, öffnete die Kapsel ganz und trat hinaus in ein Becken aus staubiger brauner Yorikkoralle. Die Senke war ungefähr drei Meter tief, dreihundert Meter lang und einhundert Meter breit − vermutlich kein Einschlagkrater, sondern die Narbe eines vor langer Zeit geschehenen Unglücks. In der gegenüberliegenden Ecke lag die zerbrochene Hülle einer weiteren Frachtkapsel, und eine Gruppe winziger Gestalten huschte um sie herum. Einer der Jedi spürte seinen Blick und winkte ihm zu, dann drehten sich alle vier um und gingen in seine Richtung los. Kurz darauf explodierte die Kapsel blendend grell durch eine Thermogranate.

Anakins Aufmerksamkeit wurde durch eine schnelle Bewegung auf den Himmel gelenkt. Er sah gerade rechtzeitig hoch, um zu beobachten, wie eine kleine unidentifizierbare Form in der Ecke des Feldes landete und dann in einem riesigen Feuerball aufging. Da er glaubte, sie würden von einem Yuuzhan-Vong-Kriegsschiff beschossen, hätte er sich beinahe flach auf den Boden geworfen − hielt sich jedoch zurück, als er die schwarze, mit Sternen übersäte Tarnpanzerung eines Kriegsdroiden sah, der aus einer Staubwolke auftauchte und mit unglaublich schnellen Schritten auf ihn zurannte.

Anakin beauftragte Raynar und Eryl, ihre Kapsel auszuladen, und schickte Zekk zum Rand des Beckens, um die Umgebung zu erkunden, dann nahm er sich einen Moment Zeit, um sich auf die anderen zu konzentrieren. Er spürte bei einigen Benommenheit und leichte Schmerzen, aber das Team schien zu neunundneunzig Prozent unversehrt zu sein − genau wie die Droiden es versprochen hatten.

Er holte sein Elektrofernglas hervor und richtete es nach oben. Ohne das blaue Leuchten von Ionentriebwerksschweifen brauchte er einen Moment, bis er das Gefecht lokalisiert hatte, welches sich am Himmel schon weit in Richtung Myrkr verlagert hatte. YVH 2-lS trennte sich gerade von Ulaha; sein klumpenförmiger schwarzer Yuuzhan-Vong-Shuttle zog in Spiralen zurück in Richtung Weltschiff, während die Bith mit der Exquisite Death auf den tiefen Raum zuhielt.

Zu Anakins Enttäuschung hatten die Yuuzhan Vong den Köder nur halb geschluckt. Die Korallenskipper und vier der Korvetten hatten 2-1S’ Shuttle eingekreist und versuchten mit den Fangtentakeln den krängenden Felsen zu fassen − aber die übrigen Yuuzhan Vong verfolgten die Death.

Neben sich hörte Anakin schwere Schritte, und Ganner sagte über das Kom im Vakuumanzug: »Wir sollten lieber gehen, Anakin. Wo der Raumhafen liegt, haben wir festgestellt, und die Sensoren von 2-4S lassen vermuten, dass sie unsere Anwesenheit nicht bemerkt haben.«

Anakin nahm das Elektrofernglas von den Augen und wandte sich ab. Er wäre gern geblieben, um zu erfahren, ob denen dort oben die Flucht gelang − aber weder 2-lS noch Ulaha hätten das gewollt. Jede Minute Verzögerung reduzierte die Erfolgschancen um null Komma zwei Prozent.

 

Das Kommandoteam hatte erst fünfhundert Meter zurückgelegt, als 2-4S sich mit seiner metallischen Stimme über Kom meldete. »2-lS berichtet, seine Überlebenschancen seien auf null gesunken. Jetzt optimiert er…«

Ein orangefarbener Feuerball leuchtete am Himmel auf, und die beiden letzten Worte des Droiden gingen in einem Sturm von elektronischen Interferenzen verloren. Anakin nahm das Elektrofernglas und sah drei feindliche Korvetten, die sich in einer weißen Gischt aus Yorikkoralle auflösten. Das vierte Schiff, aus dieser Entfernung nur ein winziger Splitter, trudelte unkontrolliert durch den Raum.

»Verlustquotient optimiert«, sagte 2-4S.

Anakin nickte und erwiderte: »Maximaler Wirkungsgrad.«

Alle wussten aus den Trainingseinheiten mit 1-1A, dass es das höchste Lob war, das man einem von Landos Droiden aussprechen konnte, und mehrere der Jedi wiederholten das Kompliment. Sie setzten den Weg zum Raumhafen fort, setzten die Macht ein, um ihre Spuren hinter sich im Staub zu verwischen, und vermieden sorgfältig Staubwolken, die in den luftlosen Himmel aufsteigen würden.

Nach einigen Minuten entdeckte 2-4S zwei Korallenskipper, die sich näherten. Das Kommandoteam musste sich unter Staub verbergen und wartete ab, während das Duo in einem langsamen, mäandernden Suchmuster über sie hinwegflog. Wenn die Piloten die Aufschlagstelle erreichten, würden sie vier riesige Baradiumkrater finden, und es würde aussehen, als habe man an Bord der Exquisite Death vier schlecht gezielte Bomben abgeworfen. Daraufhin würden sie zu ihrer Basis zurückkehren und über die Inkompetenz des Feindes lachen. Bis dahin mussten die Jedi sich in Geduld üben und warten.

Obwohl es niemand sagte, waren alle in Gedanken bei Ulaha, die sich allein an Bord der Exquisite Death befand und von fünf Korvetten und einem Heer von Skips verfolgt wurde. Obwohl die Bith im Kampfgeflecht immer schwächer wahrzunehmen war, konnte Anakin spüren, wie sehr sie mit den zu erledigenden Aufgaben beschäftigt war, erschöpft und voller Schmerzen, aber ohne Furcht − sogar mit sich selbst in Frieden. In der Hoffnung, Ulahas Ruhe deute auf eine gelungene Flucht hin, schaute Anakin durch das Elektrofernglas zum Himmel, sobald die Suchschiffe verschwunden waren, und versuchte, die Exquisite Death am Himmel zu entdecken, was jedoch unmöglich war. Selbst wenn er in die richtige Richtung schaute, würden die Bith und ihre Verfolger zu weit entfernt sein, als dass er sie mit einem Elektrofernglas ausmachen konnte.

Das Kommandoteam setzte den Marsch fort. Ulahas Präsenz wurde schwächer und schwächer und war schließlich völlig verschwunden. Anakin fühlte die Beklemmung im Kampfgeflecht und wusste, alle Jedi hegten die gleiche Angst.

Tahiri fragte: »Ist sie…«

»Nein«, unterbrach Jacen sie. »Das hätten wir gespürt.«

»Vielleicht ist sie in den Hyperraum gesprungen«, meinte Anakin. »Zwei-vier-S?«

»Negativ«, antwortete der Droide. »Die Exquisite Death befindet sich noch in Sensorreichweite.«

Dann begann die Musik, eine schrille, schöne Melodie, die Anakin in seinem Kopf hörte. Obwohl sie etwas Melancholisches an sich hatte, wirkte sie doch eher ruhig als traurig, und vielleicht war es die schönste Musik, die er je gehört hatte. Er wandte sich um, und auch die anderen starrten zum Himmel, manche hatten den Kopf schief gelegt und lauschten, anderen liefen Tränen in den Gesichtsmasken über die Wangen.

»Exquisite Death und ihre Verfolger werden langsamer«, meldete 2-4S. »Analyse deutet auf Tentakelfesselung hin.«

Niemand schien ihn zu beachten. »Ich wünschte…« Jaina verstummte, da das Lied die Tonart wechselte und Energie zu sammeln begann. »Ich wünschte, ich könnte das aufnehmen.«

»Ja«, sagte Jacen. »Bestimmt würde Tionne es gern in ihrem Archiv haben… ein schwerer Verlust für die Jedi.«

Anakin wusste angesichts der tonlosen Stimme seines Bruders nicht, ob Jacen ihn kritisieren oder nur ausdrücken wollte, was er fühlte. Ohne Frage würde Ulaha die Death übergeben. Selbst wenn sie den Angriff der Entertruppe überlebte, würde sie ein weiteres Brechen nicht überstehen.

Die Musik wiederholte das Thema vom Anfang, doch eindringlicher nun und ohne die Andeutung von Traurigkeit, dann schwoll sie zu einem starken Crescendo an.

In der plötzlichen Stille hörte er, wie Tahiri der Atem stockte.