12
Lediglich einen Kilometer jenseits der Transparistahlwand verlor sich der von Antennen überzogene Horizont in einem bodenlosen Abgrund taumelnder Asteroiden und treibender Sterne. Winzige blaue Halos kamen in Sicht und wuchsen langsam zu den Rechtecken riesiger Frachtkähne heran, die mit Durastahl beladen von den außen liegenden Fabrikationsanlagen zurückkehrten. Mannschaftstransporter zogen lange Ionenschweife durch die Dunkelheit und eilten zu den verschiedenen Arbeitsplätzen auf den mehr als hundert Raumdocks in der Umlaufbahn, und riesige Schweißerdroiden hüllten Schiffsskelette in helle Funkenstürme.
Auf dem Weg hinein hatte Han Solo auf den Bilbringi-Werften fast fünfhundert im Bau befindliche Kriegsschiffe gezählt. Zum größten Teil handelte es sich um Geleitschiffe, Korvetten und kleinere Schiffe, die schnell fertig gestellt werden konnten, doch sah er auch zwei Sternzerstörer der Imperium-Klasse. Obwohl die großen Schiffe vermutlich nicht mehr einsatzbereit werden würden, ehe die Yuuzhan Vong die Fabriken besetzten, waren die Rümpfe schon fast geschlossen und die Triebwerke bereits eingebaut. Bestimmt hatte der junge General Muun, ein Sullustaner, einen Plan, denn er gehörte genau zu jener Sorte Schreibtischtäter, die das Oberkommando auf Coruscant stets zu beeindrucken wussten und selten daran scheiterten, Hans letzte Reste von Geduld aufzubrauchen.
Han wünschte sich, er würde eine dieser Jedi-Techniken beherrschen, mit denen man sich beruhigen konnte, wie sein Sohn Jacen sie immer begeistert schilderte, zwang sich, ein Lächeln aufzusetzen und wandte sich der Mitte des Raums zu. Leia saß auf einer kleinen Couch bei dem General; ihr Gesicht und ihre betörenden braunen Augen leuchteten so hell wie damals, als Han sie zum ersten Mal gesehen hatte. Er würde niemals verstehen, wie es ihr gelungen war, diese Leidenschaft über dreißig Jahre in Diensten der Galaxis hinweg zu erhalten, und doch musste er eingestehen, dass diese Begeisterung für ihn zu einer Rettungsleine geworden war, die ihn durch viele Dekaden von Kampf, Verlust und Tod geführt hatte. Jetzt blieb ihm, wenn gelegentlich ihre Beine ermüdeten und sie stolperte − nach der beinahe tödlichen Feuerprobe auf Duro waren sie noch immer schwach −, beinahe das Herz stehen, wenn er an den Schmerz dachte, dass er Leia beinahe verloren hätte, und er schwor sich, sie nie wieder aus seinem Leben auszugrenzen.
»… hunderttausend Leben stehen auf dem Spiel, General«, sagte sie gerade. »Die Vray sind eine friedliebende Spezies. Ohne eine Eskorte steht der Evakuierungskonvoi ohne Schutz gegen die Yuuzhan Vong da.«
»Und wie viele Leben wird die Neue Republik verlieren, wenn Bilbringi fällt, ehe die Flotte fertig gestellt wurde?«, fragte Muun. Seine schweren sullustanischen Wangen kräuselten sich leicht, während er sprach, doch ansonsten blieben seine Gefühle hinter der maskenartigen flachen Miene verborgen. »Ganze Welten werden untergehen, und das bedeutet Millionen von Leben.«
»Sie bittet doch nur um zwanzig Schiffe«, mischte sich Han ein.
Der General wandte Han den Blick zu. »Sie bittet um fünf Kreuzer und fünfzehn Korvetten − um ein Viertel der Verteidigungsstreitmacht von Bilbringi, und die Yuuzhan Vong kundschaften bereits unsere äußeren Sicherheitsposten aus.«
»Wir lassen Ihnen die Dauntless.« Han sprach so einsichtig wie möglich. »Und die anderen Schiffe werden in einer Standardwoche zurück sein… oder in spätestens zwei.«
»Es tut mir Leid, nein.« Muun schüttelte den Kopf und wollte sich erheben.
Die abgeschirmte Kom-Station auf dem Schreibtisch des Generals piepste. C-3PO, der hinter der Couch gestanden hatte, hob den Kopf und fragte: »Möchten Sie, dass ich für Sie drangehe, General?«
Muun nickte. »Solange es nicht von höchster Dringlichkeit ist, melde ich mich in wenigen Minuten zurück.«
»Danke, C-3PO«, sagte Han. Jede Unterbrechung des Gesprächs würde ihre Chance mindern, die Eskorte zu bekommen. Han ließ sich in einen Stuhl gegenüber von Muun sinken. »Sie scheinen zu vergessen, General, mit wem Sie sich gerade unterhalten.«
Leias Augen blitzten alarmiert auf. »Han…«
»Vor gar nicht langer Zeit hätte sie die Schiffe einfach verlangen können«, fuhr Han fort. »Wenn es jemand verdient hat…«
»Ich weiß, was die Prinzessin verdient hat.« Muun kehrte widerwillig zu seinem Stuhl zurück. »Ich habe die historischen Vids an der Akademie studiert.«
»Historische Vids?«, knurrte Han. »Wann hat man Sie in Dienst gestellt? Ungefähr letztes Jahr?« Er schaute durch die Transparistahlkuppel hinaus zu den Raumdocks.
Die Wangen des Sullustaners zitterten empört, doch ehe er antworten konnte, meldete sich wieder C-3PO.
»Entschuldigung, wenn ich störe, aber hier ist ein Gesandter der Yuuzhan Vong für Prinzessin Leia.«
»Was?«, fragten Han und Leia wie aus einem Mund.
»Wimmel ihn ab«, sagte Han.
Und Leia fragte: »Wie hat er mich gefunden?«
C-3PO übermittelte ein digitales Kreischen an der Kom-Station. Einen Moment später kam die Antwort.
»Der Gesandte der Yuuzhan Vong weigert sich, seine Informationen einem untergeordneten Offizier preiszugeben, aber er schwört im Namen von Yun-Yammka, er wolle Ihnen nichts tun. Ihm geht es darum, über das Schicksal von Flüchtlingen zu verhandeln.«
»Nein«, sagte Han.
Leia warf ihm einen bösen Blick zu und sagte zu C-3PO: »Sag ihm, ich würde ihm entsprechende Instruktionen in Kürze schicken.«
»Bist du raumkrank geworden?« Han wusste, aus dieser Diskussion würde er nicht als Sieger hervorgehen, aber er musste wenigstens alles versuchen. Nachdem die Yuuzhan Vong für den Tod seines besten Freundes verantwortlich waren, wollte er nicht auch noch seine Frau verlieren. »Oder vielleicht hast du Elan und den Bo’tous-Anschlag vergessen − oder die Tatsache, dass du letztes Jahr auf Duro beinahe deine Beine verloren hättest?«
»Ich habe überhaupt nichts vergessen«, erwiderte Leia ruhig. Sie wandte sich an ihren Gastgeber. »Aber gewiss möchte General Muun erfahren, aus welchem Grund die Yuuzhan Vong über meine Anwesenheit hier Bescheid wissen − ebenso wie ich selbst.«
Der Sullustaner nickte. »Ja, gewiss.«
»Sie können doch einem Yuuzhan Vong nicht erlauben, nach Bilbringi zu kommen!«, sagte Han, da er begriff, dass Muun seine beste Chance darstellte, Leia von dieser riskanten Aktion abzubringen. »Allein, wenn er die Schiffe zählt…«
»Das wird dem Feind nur von Nutzen sein, wenn die Zahlen stimmen.« Der Sullustaner schaute Han nicht einmal an. Seine Wangen verzogen sich zu einer Art steifem Grinsen, und er sagte: »Auf eine solche Gelegenheit haben wir gewartet.«
»Dann ist es mir ein Vergnügen, Ihnen dazu zu verhelfen.« Leia drehte sich zu C-3PO um. »Teile dem Yuuzhan Vong mit, dass wir sicheres Geleit garantieren.«
»Solange er unbewaffnet und unmaskiert erscheint«, fügte Han düster hinzu. Leias Noghri-Leibwächtern, die auf dem Gang vor Muuns Büro warteten, würde das noch weniger gefallen als ihm, aber es war hoffnungslos, Leias Meinung zu ändern. »Und falls er irgendwelche komischen Dinge veranstaltet…«
»Er hat bereits versprochen, sich ehrenhaft zu benehmen«, antwortete C-3PO. »Obwohl meiner Meinung nach das Wort eines Yuuzhan Vong so viel wert ist wie das Wort eines Jawa.«
General Muun beugte sich über seinen Schreibtisch und stellte eine Kom-Verbindung zu seinem Sicherheitschef her. »Beginnen Sie mit der Operation Ruhepause. Dies ist keine Übung.«
Han und die beiden Leibwächter verbrachten die zwei nächsten Stunden damit, eine der alten Verhörkammern der imperialen Basis in einen Gesprächsraum zu verwandeln, in dem er die Sicherheit für seine Frau gewährleistet glaubte. Das wichtigste Merkmal war die Transparistahlscheibe, die sich zwischen den beiden befand, doch installierte Han zudem eine Biosensoranlage, um wichtige Körperfunktionen des Yuuzhan Vong zu überwachen. Außerdem gab es einen leichten Unterdruck, damit kein Gift in Leias Raum eindringen konnte sowie einen Schalter, mit dem eine Klappe zum Vakuum draußen geöffnet werden konnte.
General Muun ergriff ebenfalls Maßnahmen zur Vorbereitung und war doppelt so schnell damit fertig. Er hatte kaum den Befehl gegeben, da wurde die Arbeit auf den Docks beendet und das Licht gelöscht, wodurch die Werft wie verlassen wirkte. Als das Patrouillenschiff sich dem Planetoiden näherte, wurde nur mehr in drei baufälligen Raumdocks gearbeitet, und Mannschaften legten letzte Hand an den Rümpfen eines halben Dutzend belangloser Korvetten an. Die große Mehrheit der Docks konnte man nicht einmal sehen, und die wenigen, die erkennbar waren, schienen in der Hast einer überstürzten Evakuierung verlassen worden zu sein. Ob der General sein Kommando nun trotz seiner Jugend verdient hatte oder nicht, Han bewunderte seine Klugheit; anhand von dem, was man von der Oberfläche erkennen konnte, würden die Yuuzhan Vong sich nicht gerade beeilen, um. die Schiffswerften von Bilbringi anzugreifen.
C-3PO kündigte die Ankunft des Gesandten an, dann betrat ein Dutzend Wachen das Verhörzimmer mit ihrem Besuch. Gegenüber dem Yuuzhan Vong konnte man sich diplomatische Höflichkeit nicht leisten; etwas, das aussah wie ein künstliches Auge, war konfisziert worden und unterlag nun der Obhut eines Sicherheitsoffiziers, und anstelle seiner eigenen Kleidung trug der Yuuzhan Vong einen dünnen Mantel der Flottenwache mit aufgesetzter Kapuze. In seinen Händen hielt er ein schwammähnliches Wesen, das einem der Villips ähnelte, mit denen die Yuuzhan Vong über weite Distanzen kommunizierten, obwohl dieses größer und gallertartig war. Die Wissenschaftsoffiziere hatten den Yuuzhan Vong nach allem abgesucht, das sie als Waffen erkannten, und dieses Ding tatsächlich als organisches Kommunikationsgerät eingestuft, aber Leias Noghri-Leibwächter, Adarakh und Meewalh, hatten auf einer eigenen Untersuchung bestanden und an dem Ding geschnüffelt, herumgestochert und gedrückt, bis Han befürchtete, es könne platzen. Trotzdem legte er die Hand auf den Schalter, der die Klappe ins Vakuum des Alls öffnete; solange ihm niemand erklären konnte, wie so ein übergroßes Protozoon Nachrichten durch die Galaxis schicken konnte, würde er es nicht glauben.
Nachdem alle zufrieden waren, schob die Eskorte den Gesandten auf den einzigen Stuhl im Raum, ging hinaus und verriegelte die Tür.
Leia trat an die Transparistahlscheibe. »Ich bin Leia Organa Solo.«
»Ja, wir sind uns schon einmal begegnet, auf dem Planeten Rhommamool.« Die Stimme des Gesandten klang kehlig und arrogant, und Leia erbleichte sofort. Der Yuuzhan Vong setzte dieses Wesen auf den Tisch, zog die Kapuze zurück und enthüllte ein entstelltes Yuuzhan-Vong-Gesicht mit einer leeren Augenhöhle. »Und auf Duro haben wir sogar eine Weile zusammengearbeitet.«
»Cree’Ar?« Leias Hand suchte instinktiv das Lichtschwert − dasjenige, welches Luke vor Jahren für sie gebaut hatte. Das andere hatte Tsavong Lah auf Duro zerstört. »Nom Anor!«
»Sie haben ein hervorragendes Gedächtnis.« Der Yuuzhan Vong starrte Leia kalt an. »Wie geht es Ihrem Sohn Jacen? Und Mara, geht es ihr gut? Wie Sie wissen, habe ich ein besonderes Interesse am Zustand Ihrer Schwägerin.«
Han spürte den Schalter unter seiner Hand und begriff plötzlich, dass er kurz davor stand, ihn zu drücken. »Reden Sie weiter, Bursche.« Während des Falls von Duro hatte Nom Anor versucht, Mara und Jaina zu töten, und auch den Tod von Leia und Jacen wollte er inszenieren. Vor zwei Jahren hatte er Mara mit einer tödlichen Krankheit infiziert, die sie nur knapp überstanden hatte. »Es gäbe kaum etwas, das ich lieber tun würde, als Sie ins Vakuum zu blasen.«
Nom Anor lächelte nur höhnisch. »Ehe Sie gehört haben, was ich zu sagen habe? Außerdem halte ich Leia Organa Solo nicht für den Typ Mensch, der das Versprechen eines sicheren Geleits bricht.«
»Mein Versprechen, nicht Hans«, sagte Leia. »Und seine Selbstkontrolle ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Woher wussten Sie, dass ich hier bin?«
»Da Sie die Vray evakuieren wollen, mussten Sie irgendwo nach einer Eskorte Ausschau halten. Wo sonst, wenn nicht hier?« Nom Anor deutete auf das Wesen. »Darf ich?«
»Die Vray werden schon seit Wochen evakuiert«, sagte Leia und drängte weiter auf eine Antwort. Han bezweifelte, dass Nom Anor es ihnen verraten würde, wenn sich ein Spion auf Bilbringi befände, aber was nicht gesagt wurde, war für General Muun ebenso nützlich. »Wir sind erst seit ein paar Stunden hier.«
»Natürlich überwachen wir Bilbringi − das ist alles, was ich zu dieser Angelegenheit sagen kann.« Ohne ein zweites Mal um Erlaubnis zu bitten, weckte Nom Anor seine Kreatur mit einem kurzen Streicheln. »Tsavong Lah möchte, dass Sie Folgendes sehen.«
Das Wesen zerfloss zu einer flachen Scheibe, dann begann es biolumineszent zu leuchten. In dem Licht erschien ein langes Sternenschiff mit klotzigem Bug und der typischen Hammerkopfbrücke der großen Zivilkreuzer der Corellian Engineering Corporation. Da man keinen Schweif hinter den Ionentriebwerken sah und die Türen des Landedecks offen standen, schwebte das Schiff anscheinend stehend im Raum.
»Der Starliner Nebula Chaser«, erklärte Nom Anor. »Genau in diesem Moment.«
Han schlug das Herz bis zum Hals. Die Nebula Chaser war das Schiff, mit dem sich Mara und Jaina treffen wollten. Ihre Mission galt als einfach, ein rasches Treffen in einem sicheren Sektor, um dann wieder nach Hause zurückzukehren − doch ganz eindeutig war etwas schiefgelaufen. Han setzte seine Sabacc-Miene auf und verkniff es sich, seine Frau anzusehen.
»Sehr beeindruckend«, sagte Leia. Obwohl sie genauso besorgt sein musste wie Han, klang ihre Stimme trocken und spöttisch. »Sie haben gelernt, Hologramme zu übertragen. Ich freue mich schon auf Ihre Holodramas im Net.«
»Die Yuuzhan Vong kennen das lebende Licht schon seit Jahrhunderten«, fauchte Nom Anor. »Ich zeige Ihnen dieses Schiff, weil der Kriegsmeister dachte, Sie würden es vielleicht tauschen wollen.«
Jetzt kommt’s, dachte Han. Er nahm die Hand von dem Schalter, da er sich selbst nicht vertraute, dem Drang widerstehen zu können, falls die Yuuzhan Vong seine Tochter in ihrer Gewalt hätten.
»Tsavong Lah hat sich geirrt«, sagte Leia. Ihre Stimme klang ein wenig zu kalt, was der einzige Hinweis auf die Eiskugel war, die ihr im Magen liegen musste. »Ich würde lieber mit einem Hutt Handel treiben.«
»Die Hutts haben aber nicht das, was Sie wollen.« Nom Anor zeigte mit seinem klauenartigen Finger auf das Hologramm. »An Bord befinden sich zehntausend Flüchtlinge, und ihr Leben liegt in Ihrer Hand.«
»Das bezweifle ich. Falls Tsavong Lah mir das zeigen wollte, ist unser Geschäft gescheitert.«
Leia wandte Nom Anor den Rücken zu und trat von dem Transparistahl zurück. Han musste sich arg zusammenreißen, um sie nicht daran zu erinnern, dass möglicherweise das Leben ihrer Tochter auf dem Spiel stand, doch er hielt den Mund, da er wusste, sie wollte lediglich das Selbstvertrauen ihres Gegners erschüttern.
Sie schaffte es bis zur Tür, ehe Nom Anor rief: »Sie können sie retten.« Er erhob sich und blickte über das lebende Licht hinweg. »Sagen Sie mir nur, wo die Basis der Jedi liegt.«
Leia sah Han an und wunderte sich, ob Nom Anor mit »sie« die Flüchtlinge oder Jaina und Mara meinte, dann antwortete sie: »Es gibt keine Jedi-Basis.«
Nom Anor seufzte theatralisch. »Prinzessin Leia, Sie würdigen mich erneut in den Augen von Tsavong Lah herab.« Er ließ sein Kinn sinken. »Ich habe ihm eingeredet, Sie würden niemals so viele Leben für so wenige opfern, aber er glaubt, Sie seien bereit, noch mehr − wesentlich mehr − zu opfern, um die Jedi zu schützen.«
Während Nom Anor sprach, wurde eine Salve von Plasmakugeln auf dem Hologramm sichtbar, die den ungeschützten Starliner trafen und Löcher in den Durastahlrumpf schmolzen. Dunkle Wolken aus Trümmern und Dampf schossen in den Raum, und schon tauchte die nächste Plasmasalve auf. Viele der Kugeln trafen die gleichen Löcher wie die ersten und durchbrachen die Schotten im Schiffsinneren. Die Wolken wurden dunkler, weil weitere Wrackteile ins kalte Vakuum gesaugt wurden, dann veränderte sich das Bild und zeigte den betroffenen Bereich; bei einigen der Teile, die zuvor nur als Flecken zu erkennen gewesen waren, handelte es sich um Schiffspassagiere, die vom Unterdruck zerrissen worden waren.
»Gewiss ist die Weisheit von Tsavong Lah so grenzenlos wie die Galaxis selbst.« Nom Anor verdrehte sein eines Auge, als habe er einen Witz gemacht, dann deutete er auf den Starliner. »Sie sterben, weil Jedi an Bord waren. Wenn die Jedi nicht wollen, dass weitere Flüchtlinge ums Leben kommen, werden sie sich uns innerhalb des Zeitraums ergeben, den Sie eine Standardwoche nennen.«
»Weitere?« Han wusste, genau diese Frage hatte sich Nom Anor von ihm gewünscht, doch konnte er sich nicht beherrschen. Er musste erfahren, was mit Jaina geschehen war. »Wie viele denn noch?«
»Ihre Kundschafter werden Ihnen bestätigen, dass eine unserer Flotten die Welt Talfaglio umzingelt hat; während der nächsten Woche werden alle Flüchtlingsschiffe im Orbit festgehalten. Falls die Jedi nicht tun, was wir verlangen, werden die Schiffe zerstört.« Nom Anor betrachtete Hans Hand, die über dem Schalter schwebte, dann fügte er hinzu: »Oder falls ich nicht zurückkehre.«
»Sie erwarten, die Jedi würden sich ergeben?«, fragte Han. Er war zu erleichtert, weil Nom Anor Jaina oder Mara nicht erwähnt hatte, um wirklichen Zorn über den Tod von zehntausend Fremden zu verspüren. Vielleicht hätte er deshalb Schuldgefühle haben sollen, aber im Augenblick war für ihn nur die Sicherheit von Mara und Jaina wichtig. »Das wird bestimmt nicht passieren, Bursche. Ich könnte Sie also genauso gut durch die Klappe nach draußen befördern.«
Han starrte Nom Anor an und bewegte die Hand in Richtung Schalter, grinste schief und ließ sich Zeit, damit Leia ihn stoppen konnte. Der Yuuzhan Vong starrte nur höhnisch zurück und wandte den Blick nicht ab, sogar dann nicht, als Hans Hand den Schalter berührte. Han wartete darauf, dass Leia ihn zurückhalten würde, doch sie sagte nichts. Han sah sie an; sie fixierte mit finsterer Miene den Gesandten, in ihren braunen Augen loderte Zorn.
»Worauf wartest du noch?«, drängte sie.
»Meinst du es ernst?«
Leia nickte. »Mach schon.«
Die Schärfe ihrer Stimme behagte Han nicht, und ihm fiel ein anderer Grund ein, weshalb Nom Anor Jaina und Mara vielleicht nicht erwähnt hatte − ein Grund, an den Leia unter Umständen auch schon gedacht hatte. Denn es war durchaus möglich, dass die beiden an Bord der Nebula Chaser gewesen waren, als das Schiff zerstört wurde, dass die Yuuzhan Vong jedoch schlicht nicht begriffen hatten, wen sie da in den Tod schickten.
Han drückte auf den Schalter, und entlang der Kante der Deckplatte öffnete sich zischend die Versiegelung.
»Sind Sie wahnsinnig?« Nom Anor sprang auf. »Sie töten Millionen.«
Leia langte hinüber und drückte erneut den Schalter, wodurch die Deckenplatte blieb, wo sie war. »Nicht wir, Sie.«
Die Luft zischte weiter aus dem Raum und ließ das Bild der Nebula Chaser flackern und verschwinden, als sich dieses Villip-Wesen einrollte. Nom Anor blickte zur Decke, anschließend zu Leia, und in seinem schauerlichen Gesicht stand Überraschung geschrieben. Sie wartete, bis er die Finger auf die Ohren drückte, ehe sie erneut auf den Schalter drückte und die Decke wieder schloss.
Als Nom Anor die Hände von den Ohren nahm, sagte Leia: »Gehen Sie zurück zu Ihrem Kriegsmeister und sagen Sie ihm, wie wir Sie behandelt haben. Sagen Sie ihm, die Jedi übernehmen nicht die Verantwortung für die bedrohten Leben. Jeder Gesandte, der uns ähnliche Drohungen überbringt, wird nicht zurückkehren.«
Nom Anor nickte, wenn schon nicht unterwürfig, so doch immerhin nicht mehr hochmütig. »Ich werde es ihm berichten, doch wird das nichts ändern.« Er ging zur Tür und wartete, bis sie sich öffnete, und fügte noch hinzu: »Der Kriegsmeister glaubt an diesen Plan, und bislang hat er sich nie geirrt.«
Luke Skywalker wusste, dass ein paar Tage im Bacta-Tank den körperlichen Schaden heilen würden, doch litt Alema unter seelischen Qualen, die niemals Besserung erfahren würden. Er fühlte es sogar jetzt, während sie unruhig in der Heiltrance schwebte, und die Pein würde noch schlimmer werden, sobald sie erwachte und vom Schicksal der Nebula Chaser erfuhr. Das würde weitere Schuldgefühle heraufbeschwören, weiteren Zorn, weitere Angst vor dem… Ding, das ihre Schwester getötet hatte. Schon bei der Führung des Widerstands auf New Plympto hatte sie gefährlich dicht an der dunklen Seite gestanden, und nun würde sie darin eine unwiderstehliche Alternative zu der Verantwortung finden, die sie für den Tod ihrer Schwester, für die Vernichtung von New Plympto und das Schicksal des Starliners trug. Dabei stellte sich weniger die Frage, ob Alema Rar sich der dunklen Seite zuwenden würde, sondern wann und für wie lange. Die Tür des Krankenzimmers schob sich wispernd hinter Luke auf, und er drehte sich um. Cilghal betrachtete ihn mit ihren feuchten Augen von der Schwelle aus.
»Tut mir Leid, dich zu stören, Luke, aber dein Schwager verlangt, mit dir zu sprechen. Er scheint zu glauben, wir würden irgendetwas vor ihm geheim halten.«
Luke lächelte. »Der gute alte Han. Schön, dass er wieder normal geworden ist.«
Cilghals großer Mund teilte sich zu einem calamarianischen Grinsen. »Ja, wirklich schön.«
Luke folgte ihr in den runden Gang und ging zum Konferenzraum. Wie vieles an der neuen Basis war der Tunnel mit einem Laser aus dem massiven Gestein geschnitten worden, doch hatte man ihn gegen mögliche Lecks mit weißem Plastischaum versiegelt, der für eine wesentlich sanftere und hellere Atmosphäre sorgte, als sie in einer typischen Höhle geherrscht hätte. Der Schaum war außerdem ein hervorragendes Isolationsmaterial, welches von Geräten erzeugte Wärme so effizient abschirmte, dass manche Spezies es bevorzugten, ihre Katastrophen-Vakuumanzüge zu tragen − was sich viel zu häufig noch als notwendig erwies. Die Ingenieure versuchten, das Problem in den Griff zu bekommen, aber die meisten Bewohner betrachteten ihre Schlafquartiere bereits als Schwitzhütten.
Er betrat den Konferenzraum und fand dort seine Neffen Jacen und Anakin vor, dazu Danni Quee, Tahiri Veila und eine Gruppe anderer Jedi. Ein kleines Hologramm von Han und Leia schwebte über dem Holoprojektor in der Mitte des großen Tisches. Han quetschte seine Söhne darüber aus, warum genau ihre Schwester nicht anwesend war; Leia wirkte ein wenig verlegen.
Luke gesellte sich zu den anderen am Tisch und nahm, sehr zur Erleichterung seiner Neffen, ihren Platz im Sensorbereich des Holos ein. »Han, Jaina ist mit R2-D2 im Kommunikationszentrum, wo sie versucht, die Übertragung zu vergrößern, die sie von der Nebula Chaser aufgefangen hat. Sie kommt, sobald sie kann, aber was sie im Augenblick zu tun hat, ist vorrangig.«
Han runzelte die Stirn, nahm die Erklärung jedoch an. »Hast du von der Drohung gehört?«
Luke nickte. »Vor ein paar Minuten.«
»Wo hast du so lange gesteckt?«
»Ich war bei Alema Rar«, antwortete er. »Sie war nicht angeschnallt, als die Rettungskapsel abgeschossen wurde, und es hat sie übel erwischt. Auf dem Rückweg hat sie nicht viel gesagt außer dem Wort ›Voxyn‹, daher hoffte ich, einen unterbewussten Eindruck dessen zu bekommen, was ihrer Schwester passiert ist.«
Han kniff die Augen zusammen. »Einen unterbewussten Eindruck?«
»Durch die Macht, Han«, sagte Luke und verlor langsam die Geduld mit seinem Schwager. Obwohl Han einigermaßen wieder der Alte war, manifestierte sich seine Trauer um Chewbaccas Tod manchmal auf eigenartige Weise. »Jaina geht es gut − und Mara auch.«
Besonders feinfühlig stellte sich Han zudem nicht an. »Wieso ist Mara dann nicht da?«
»Mara ist gerade unabkömmlich«, erklärte Luke. »Sie füttert Ben.«
»Du wirst entschuldigen, wenn wir ein wenig nervös sind.« Leia warf ihrem Mann einen verärgerten Blick zu, dann fuhr sie fort: »Diese Demonstration von Nom Anor hatte es in sich. Zehntausend Leute sind gestorben, und ich bezweifle, dass er den Angriff gestoppt hätte, wenn ich ihm verraten hätte, wo er Eclipse findet. Was sollten wir wegen Talfaglio unternehmen?«
»Zuerst dürft ihr eins nicht vergessen: Wenn wir den Yuuzhan Vong erlauben, uns die Verantwortung zuzuschreiben, spielen wir ihnen in die Hände«, sagte Luke. »Denn sie sind die Mörder, nicht wir, und das dürfen wir nicht vergessen.«
»Das stimmt natürlich, Meister Skywalker«, sagte Cilghal und wandte sich nun vor der größeren Gruppe in aller Form an Luke. »Aber trotzdem fühle ich mich unbehaglich bei dem Gedanken, vor dem Tod so vieler die Augen zu verschließen. Ob die Verantwortung bei uns liegt oder nicht, wir müssen etwas tun, um es zu verhindern.«
»Und wir sind auch nicht so ganz unschuldig.« Jaina betrat den Raum und führte R2-D2 und einige Jedi herein. Die Nachricht von der Drohung Tsavong Lahs verbreitete sich rasch, und die Besatzung der Basis fand sich nach und nach im Konferenzraum ein. »Auf der Nebula Chaser befanden sich Jedi, und diese Jedi führten den Widerstand auf New Plympto an. Die Rar-Schwestern haben den gesamten Starliner gefährdet, allein dadurch, dass sie an Bord gegangen sind − genauso wie wir, die wir uns auf ein Treffen eingelassen haben.«
»Und woher weißt du, ob die Yuuzhan Vong sie nicht sowieso geopfert hätten?«, fragte Danni Quee, die die Eigenschaft hatte, bei jedem Argument schnell die Schwächen aufzuzeigen. Die kleine Frau mit den grünen Augen und dem lockigen blonden Haar hatte sich als eine der ersten in der Gefangenschaft der Yuuzhan Vong befunden − und hatte dabei ihre Foltermethoden kennen gelernt. »Wir haben doch keine Ahnung, wie diese Schlächter denken«, fuhr sie fort. »Das führt zu Fehlern. Schweren Fehlern.«
Während Danni sprach, trat sie zur Seite und ließ Jaina durch, damit sie sich zu Luke in den Sensorbereich des Holo-Koms stellen konnte.
»Hallo, Dad, Mom«, sagte Jaina. »Tut mir Leid, dass ihr warten musstet.«
»So lange haben wir nicht gewartet«, sagte Leia.
Die Anspannung in Hans Gesicht verlor sich, und er fügte hinzu. »Ja, nicht weiter schlimm.«
Diese Ruhe dauerte einen Moment an, ehe Anakin Solo, dessen braunes Haar so wirr war wie immer, nach vorn kam und die Diskussion auf Hyperantrieb stellte. »Also, gleichgültig, ob wir nun schuld sind oder nicht, es stehen hunderttausende, vielleicht Millionen Leben auf dem Spiel. Wir müssen unbedingt etwas unternehmen.«
»Was würdest du denn vorschlagen, Anakin?«, fragte Luke.
Tahiri antwortete für ihn. »Die Blockade brechen, natürlich.« Blond und gertenschlank wirkte sie in mancher Hinsicht wie eine jüngere Ausgabe von Danni Quee − und auch sie war eine Gefangene der Yuuzhan Vong gewesen, bis Anakin sie aus dem Gestalter-Laboratorium gerettet hatte. »Wir lassen sie bluten, damit sie es nicht noch einmal versuchen. Nur auf diese Weise können wir sie zurückschlagen.«
»Und das könnte exakt das sein, was die Yuuzhan Vong von uns erwarten«, sagte Danni. »Wenn sie die Jedi als Krieger wie sich selbst betrachten, erwarten sie eine ehrenvolle Antwort.«
Han nickte ins Hologramm. »Sie wollen die Jedi aus der Reserve locken. Ihr wäret Narren, wenn ihr darauf reinfallt − insbesondere, weil sie auf euch warten.«
»Also lassen wir einfach eine Welt sterben?« Jacens ruhige Stimme bildete einen scharfen Kontrast zu der zunehmenden Spannung im Raum. Er wandte sich an Tahiri und Anakin. »Doch wenn wir mit unseren Lichtschwertern herumfuchteln, verlieren andere ihr Leben.«
Anakin zog eine düstere Miene, wie so oft, wenn er in letzter Zeit mit seinem älteren Bruder redete. »Vielleicht kannst du einfach daneben stehen und zuschauen…«
Jacen hob die Hand. »Lass mich bitte ausreden, Anakin. Ich sage, dass beide Möglichkeiten nicht gut sind.« Er blickte die anderen im Raum an. »Wenn wir in den Kampf ziehen, werden die Yuuzhan Vong mehr Leute töten; wenn wir nicht kämpfen, werden sie trotzdem morden. Beides dürfen wir nicht zulassen. Die Jedi sind schließlich die Verteidiger des Lebens in der Galaxis.«
»Worauf willst du hinaus, Jacen?«, wollte Han wissen. »Dass die Jedi sich ergeben sollen?« Er schloss die Augen und zuckte zusammen. »Komm schon, das darf doch nicht wahr sein.«
»Niemand wird sich ergeben, Han«, sagte Luke.
Er konnte Hans Sorge gut verstehen. Von allen jungen Jedi-Rittern, die nach Eclipse gekommen waren, gehörte Jacen zu jenen, die sich am meisten mit Philosophie auseinander setzten, und häufig grübelte er über die paradoxe Idee, dass es manchmal notwendig sei zu zerstören, um zu erhalten. Luke wusste, die Sorgen seines Neffen waren das Resultat der verstörenden Vision auf dem Planeten Duro, in welcher Jacen gesehen hatte, wie die Galaxis sich auf die Dunkelheit zubewegte, ohne es verhindern zu können. Weil er Angst hatte, das Gleichgewicht noch stärker zu verschieben, hatte sich der junge Jedi sogar zeitweise ganz von der Macht zurückgezogen. Obwohl er die Macht schließlich wieder angewendet hatte, als dies erforderlich wurde, um seiner Mutter das Leben zu retten, wohnte ihm wegen dieser Vision weiterhin eine Unsicherheit inne, und daher verleitete ihn sein Unbehagen manchmal fast zur Handlungsunfähigkeit − eine Situation, die auf ihre eigene Weise so gefährlich war wie jene, in der sich Alema befand.
»Wir ergeben uns nicht«, wiederholte Luke. »Und wir werden uns von den Yuuzhan Vong auch nicht unvorbereitet in die Schlacht locken lassen.« Er wandte sich an Danni und Cilghal. »Hat das Eclipse-Programm schon etwas anzubieten?«
Danni schüttelte den Kopf. »Nichts. Aus den Holos wissen wir, dass sie in der Schlacht von einem Yammosk koordiniert werden, aber es war bislang nicht möglich, Einsatzmuster zu identifizieren oder zu erkennen, wie er kommuniziert. Wir müssen näher heran.«
Luke sah Cilghal an. »Und die Villips?«
»Ich fürchte, meine Gruppe hat noch weniger Fortschritte gemacht«, berichtete sie. »Die Yuuzhan Vong benutzen die Villips, die uns in die Hände gefallen sind, offensichtlich nicht mehr; wir können sie nur sezieren. Bisher haben wir nicht die geringste Ahnung, wie sie funktionieren.«
Luke nickte den beiden Wissenschaftlern zu. »Es ist zu früh, um Fortschritte zu erwarten, aber die werden sich schon einstellen.« Er wandte sich an die anderen − und das waren mittlerweile fast fünfzig, darunter auch Mara, ihr Sohn Ben und über ein Dutzend Freiwillige, die jedoch keine Jedi waren. »Unser Pfad liegt zwar nicht klar vor uns, doch einer Sache bin ich mir sicher: Es wäre Torheit, uns von den Yuuzhan Vong herauslocken zu lassen, ehe wir bereit sind. Ich hoffe, ihr könnt euch in Geduld üben und der Macht vertrauen, dass die Schuld an der Zerstörung der Nebula Chaser den Richtigen zugewiesen wird.«
In der Gruppe erhob sich zustimmendes Gemurmel, das nachließ, als Mara an Lukes Seite kam. »Gut ausgedrückt, Luke.« Sie wiegte Ben in einem Arm, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste Luke auf die Wange. »Aber ich würde mich besser fühlen, wenn die Macht gegenüber den Yuuzhan Vong nicht blind wäre.«