42
Während er sich auf den treibenden Rhythmus von Vaectas Singsang konzentrierte, dachte Tsavong Lah an Yun-Yuuzhans Opfer, an die Augen, die er abgetreten hatte, um die Sterne zu erleuchten, an die Tentakel, die er gegeben hatte, um die Galaxien zu erschaffen. Wie die Götter es zu ihrer Zeit getan hatten, mussten die Yuuzhan Vong es nun ihrerseits tun. Der heutige Sieg würde die linke Zange seines letzten Angriffs festigen, und deshalb legte er seine linke Hand auf den Schneideblock. Er verstand die Bedeutung des Glaubens, derweil seine Vorgänger sie nicht begriffen hatten; deshalb würde er dort Erfolg haben, wo sie gescheitert waren.
Aus diesem Grund hatte Tsavong Lah um die Rückkehr des Priesters Harrar gebeten, seines persönlichen spirituellen Führers und der einzigen Person, der er vertraute, ihm die notwendigen Opfer zu nennen, die den Sieg der Yuuzhan Vong sichern würden. Gern hätte er das Ritual von Harrar selbst durchführen lassen, aber damit hätte er Vaecta beleidigt. Heute würde Harrar als Freund und Zeuge an seiner Seite stehen, jedoch nicht als Priester.
Vaecta segnete die Radank-Klaue, welche die Gestalter anstelle der geopferten Hand anbringen würden, und Tsavong Lah blickte hinaus auf die neblige, blaugrüne Scheibe von Borleias, die nun umhüllt war von einem Netz aus Energieblitzen und Plasmastreifen. Nach allem, was man gehört hatte, handelte es sich um eine Welt ohne jegliche Ressourcen, die dem Feind nützlich waren, und dennoch stellte sie den idealen Aufmarschplatz für den Schlag gegen Coruscant dar und war aus diesem Grund schwer und ausgezeichnet befestigt. Die Ungläubigen hatten die orbitale Verteidigung in drei Schichten aufgebaut, wobei die großen Plattformen die äußere, die kleinen Plattformen die innere und ein dichter Gürtel von Raumminen die mittlere Schicht bildeten.
Eine Plasmakugel von der Größe eines kleinen Mondes überforderte gerade die Schilde einer schweren Plattform und verwandelte die nicht lebende Abscheulichkeit in eine schmelzende Masse aus Metall, doch das Inselschiff, das den Angriff durchgeführt hatte, bezahlte teuer für den Erfolg. Ein Kegel meterdicker Turbolaserblitze konvergierte auf dem Schiff, überwältigte die Anomalieprojektoren und brach vier riesige Breschen in den Rumpf. Das Schiff trieb ab, das Leben darin ergoss sich in den offenen Raum, und ein Schwarm Geschosse der Ungläubigen von den schweren Plattformen bereitete ihm ein Ende.
Seef, seine Kommunikationsdienerin, trat vor ihn und trug den bereits umgestülpten Villip von Maal Lah, eines kauzigen Offiziers aus der Domäne des Kriegsmeisters, des obersten Kommandanten, der den Sieg des heutigen Tages sichern sollte. Obwohl Tsavong Lah die Besorgnis im Gesicht des Untergebenen bemerkte, wartete er, bis Vaecta den Segen beendet hatte.
»Wenn ich dürfte?«, sagte er und deutete auf den Villip.
Vaecta nickte. »Die Götter sind niemals beleidigt, wenn jemand seine Pflicht erfüllt.«
Die Priesterin vollführte die notwendigen Verneigungen vor Yun-Yuuzhan und den anderen Göttern, ehe sie das Opfer des Kriegsmeisters dem Mörder widmete, und Tsavong Lah wandte sich an den Villip.
»Ihre Kommandanten werden zu tollkühn«, sagte er.
»Sie sind erpicht darauf, Ihr Lob zu erringen«, erwiderte der Villip. Das Bild zeigte einen Krieger mit eckigem Kinn und so vielen Schlachtwirbeln, dass er gezwungen war, rote Tätowierungen über die blauen zu legen. »Ich habe sie gewarnt, dass sie dies nicht erreichen, indem sie ihre Schiffe aufs Spiel setzen.«
»Aber Sie favorisieren doch selbst wagemutige Taktiken«, unterstellte Tsavong Lah.
»Ich sehe die Notwendigkeit, unsere Schiffe zu schonen, Kriegsmeister. Coruscant wird gut verteidigt.«
Tsavong Lah war überrascht. Nach dem Verlust des großen Schiffs hatte er vom obersten Kommandanten erwartet, für einen Insertionsangriff zu plädieren, um Dovin-Basal-Schwerkraftfallen im inneren Ring der Defensivplattformen zu legen. Diese Taktik war zwar kostspielig, hätte jedoch schnell einen Weg zum Planeten frei gemacht, indem das Minenfeld nach unten zum inneren Ring der Orbitalplattformen gezogen worden wäre. Unter der Voraussetzung, dass ein ausreichend großer Teil der Angriffsflotte den Plan überlebte, würde es auch die Taktik signalisieren, die er anzuwenden beabsichtigte, um die weitaus stärkeren Verteidigungseinrichtungen um Coruscant zu beseitigen.
»Ich würde Ihnen Geduld empfehlen, Maal Lah.« Der Kriegsmeister schaute hinaus zur Schlacht, wo Borleias’ dunkler Mond gerade über den Horizont kroch. Auf seiner Oberfläche explodierten winzige rote Flecken in einer lockeren Linie. »Wie sieht die Sache auf dem Mond aus?«
»Die Ungläubigen leisten heftigen Widerstand, aber sie können sich nicht mehr lange halten«, versicherte Maal Lah ihm. »Der Dovin Basal wird innerhalb der nächsten Stunde auf der Oberfläche sein.«
Sie hatten drei Divisionen zum Angriff geschickt, um einen riesigen Dovin Basal auf Borleias’ dunklem Mond zu installieren. Anstatt den Satelliten auf den Planeten stürzen zu lassen, wie es die Praetorite Vong auf Sernpidal getan hatten, sollte der Dovin Basal die Verteidigungsstellungen aus ihrer Position schieben. Angesichts der zweiunddreißigstündigen Umlaufbahn des Mondes würde diese Strategie mehr als einen Tag in Anspruch nehmen, aber damit schonten sie auch Schiffe und vermieden es, den Ungläubigen ihren Plan für Coruscant zu verraten.
Vaecta nahm Tsavong Lahs Coufee aus der Scheide und begann, eine rituelle Opfergabe aus den Schenkeln der Gestalter zu schneiden, welche die Radank-Klaue an seinem Handgelenk anbringen würden. Da er sah, dass ihm nur noch wenig Zeit zur Verfügung stand, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder ganz der Zeremonie widmen musste, wandte er sich erneut an Maal Lahs Villip.
»Sie haben die Sache bisher gut gemacht, mein Diener.« Tsavong Lah war insgeheim jedoch enttäuscht. Als Kriegsmeister besaß er das Privileg zu entscheiden, was getan werden sollte und wie, aber nachdem eine Schlacht begonnen hatte, blieb der eigentliche Kampf seinen Untergebenen überlassen. »Aber deswegen haben Sie sich vermutlich nicht bei mir gemeldet.«
»Ich hätte Sie niemals gestört, nur um zu melden, dass ich ausführe, was Sie erwarten, Großer Kriegsmeister«, sagte Maal Lah. »Der Yammosk informiert mich, dass seine Jungen Schwerkraftimpulse von der dem Systemrand zugewandten Planetenseite fühlen.«
Voller Erstaunen vergaß sich Tsavong Lah und hätte beinahe seine Hand von dem Schneideblock zurückgezogen. Der Yammosk war Maal Lahs Kriegskoordinator, mit dem der oberste Kommandant die Gedanken teilte, und seine »Jungen« waren die Dovin Basale, die mit den Sensorsystemen jedes Schiffes verbunden waren. »Schwerkraftimpulse, mein Diener?«
»Die Modulation ist unbeholfen und fehlerhaft, Kriegsmeister, aber es ist eindeutig eine Art Kode. Bestimmte Elemente ähneln sogar unserem. Die Masseauswertung identifiziert als Quelle eine gepanzerte Raumyacht ähnlich der Jadeschatten, ein Schiff, das an der Schlacht von Duro teilgenommen hat und später als Jeedori-Eigentum erkannt wurde.«
»Jeedai!.« Laut Tsavong Lahs Spion befanden sich die Jeedai noch auf Coruscant, wo sie ihre Flotte auftankten und Nachschub aufnahmen. Seine Leser hatten ihm versichert, sie würden Borleias frühestens einen Tag nach dem geplanten Ende der Kämpfe erreichen. »Wann ist das Schiff ins System eingedrungen?«
»Das ist uns nicht bekannt«, sagte Maal Lah. »Aber es ist höchst unwahrscheinlich, dass das Schiff bei unserer Ankunft bereits hier war.«
»Worauf begründen Sie diese Annahme?«
»Hätten die Jeedai von unserer Ankunft gewusst, wären sie bereits in Kontakt mit Borleias getreten und hätten einen sicheren Modus der Kommunikation installiert. Sie verfügen über einige Methoden, die wir noch nicht abhören können, daher wäre es kaum notwendig, uns auf ihre Anwesenheit hinzuweisen, indem sie den Planeten so offen grüßen.«
»Und Sie haben eine Vermutung, welchen Zweck ein solches Risiko hat?«, fragte Tsavong Lah.
Der Villip schaute unbehaglich drein. »Großer Kriegsmeister, mein Urteil in diesen Angelegenheiten ist ein Flammkäfer angesichts der Nova Ihrer Weisheit, aber wenn nun Ihr Spion auf Coruscant beide Seiten des Rajat reitet?«
Tsavong Lah schwieg und überlegte, ob dies in den Rahmen des Möglichen passte. Natürlich könnte er Viqi Shesh unterschätzt haben, und gewiss könnte sie ihn zum Narren halten − oder vielleicht wusste die Sekte der Irreführung der Neuen Republik sogar von ihrem Kontakt zu ihm und lieferte ihr nun falsche Informationen, damit sie diese weiterleitete. Auch durfte er den HoloVid-Berichten, anhand derer die Leser ihre Geschichte bestätigt hatten, keinen Glauben schenken; die feindliche Sekte der Irreführung konnte auch das manipuliert haben, so wie seine eigenen Agenten die planetare Schildmannschaft infiltriert hatten.
Während Tsavong Lah sich Gedanken über die Bedeutung des Berichts seines obersten Kommandanten machte, schnitt Vaecta einen Streifen Fleisch aus ihrem eigenen Oberschenkel, ließ ihr Blut laufen und verflocht den Streifen mit dem von dem Gestalter. Das Ergebnis legte sie auf eine Zeremonienplatte aus Gatag-Muschel, segnete es im Namen von Yun-Yammka und hielt es dem Kriegsmeister hin.
»Einen Augenblick.« Tsavong Lah nahm seine Hand vom Schneideblock.
Harrars Augen traten ungläubig vor. »Ihr bittet die Götter zu warten?«
»Sie werden Verständnis haben.« Tsavong Lah wandte sich wieder an Maal Lah und fragte: »Dies ist die erste Impuls-Nachricht, die wir vom Feind abgefangen haben, oder?«
Maal Lah nickte. »Soweit ich weiß, ja.«
»Warum sollten wir dann glauben, es wäre Borleias, das sie kontaktieren wollen?« Er richtete den Blick auf Seef. »Finden Sie heraus, was mit dem Yammosk bei Talfaglio passiert ist, und erteilen Sie Befehl an alle obersten Kommandanten, dass die Kriegskoordinatoren vernichtet werden müssen, falls die Gefahr einer Gefangennahme besteht.«
Seef nickte, und ihr traten die Augen nun ebenfalls fast aus dem Kopf. »Es wird erledigt.«
Maal Lah sagte: »Ich werde ein Sonderkommando beauftragen, das Jeedai-Schiff zu kapern…«
»Es wäre besser, das Schiff zu ignorieren, als den Jeedai zu zeigen, dass sie Erfolg hatten«, schlug Harrar vor. Er zeigte auf den Schneideblock. »Ich bitte Sie, Kriegsmeister. Die Götter warten.«
»Nur noch einen Augenblick.« Tsavong Lah teilte Harrars Vorschlag dem obersten Kommandanten in Form eines Befehls mit, dann fügte er hinzu: »Und ich wünsche jetzt nicht mehr, dass der Mond die Arbeit für uns erledigt. Befehlen Sie einen Insertionsangriff, um die Schwerkraftfallen zu legen.«
»Aber was ist mit Coruscant?« Maal Lah zog ein ebenso überraschtes Gesicht wie Harrar und Seef. »Wenn Sie Recht haben mit dem Yammosk, brauchen wir uns jetzt nicht zu verraten.«
»Vielleicht nicht, doch manchmal hat der Flammkäfer Recht und die Nova nicht.« Tsavong Lah legte seine Hand wieder auf den Schneideblock, dann blickte er hinaus zu der Verteidigungsschale von Borleias und schob die Hand weiter, bis der Ellbogen unter der Säge des Gestalters zu liegen kam. »Heute brauchen wir viel Unterstützung − geben Sie ihm den Arm.«