51
Anakin drang geduckt in die Arena vor, Tesar war ihm direkt auf den Fersen. Der Rest des Kommandoteams befand sich bereits drei Reihen tiefer, erhellte den Weg mit Glühstäben und schlich nervös um ein nistendes Voxyn herum. Die beiden Jedi folgten ihnen und wichen einem vierzig Meter breiten Krater aus, den Anakin kurz zuvor mit einer Thermogranate hervorgerufen hatte.
Das zunehmend laute Fauchen und Bellen im Torbogen hinter ihnen veranlasste Anakin und Tesar, sich kopfüber die Reihen hinunterzuwerfen. Die Thermogranate, die Krasov im Sterben umklammert hatte, würde drei Sekunden brauchen, bis sie explodierte, nachdem eines der tobenden Voxyn sie ihr aus der leblosen Hand geschlagen hätte. Irgendetwas in Anakins Wunde riss, und ein halb betäubter Schmerz schoss ihm durch den Bauch. Er ignorierte ihn und beendete seinen Salto, landete auf den Füßen und stolperte auf den Rand zu.
Als Nächstes passierten zwei Dinge gleichzeitig. Zuerst öffnete das Voxyn, das er aufgestört hatte, das Maul und spuckte Säure. Dann explodierte die Thermogranate über ihm, schickte einen grellen weißen Blitz in die Arena und brachte die Wand auf vierzig Metern Länge zum Einsturz, wodurch unzählige Tonnen von Yorikkoralle in die Arena krachten.
Anakins Hauptsorge galt allerdings dem wütenden Voxyn. Er suchte nach seinem Lichtschwert, rollte sich zur Seite und sprang auf − aber die Bestie kratzte nur an der eigenen Kehle, würgte seltsamerweise an ihrer Zunge und ließ braune Säure aus den Seiten des Mauls tropfen. Ein düsterer Schauder lief Anakin den Rücken hinunter; er drehte sich um und sah Welk hinter sich stehen, der eine Hand zu einer Kralle gekrümmt hatte, während sein Gesicht vor Wut und Konzentration verzerrt war.
»Jacen braucht alle unten!«, flüsterte Tenel Ka über Komlink. »Duckt euch, und seid leise!«
Rasch folgte Anakin der Anweisung, Welk hingegen nicht, und Anakin schaute schweigend zu, wie der Dunkle Jedi die Macht einsetzte, um die Bestie zu erwürgen. Gewiss hätten weder Anakin noch sonst jemand vom Kommandoteam die Macht direkt zum Töten benutzt, aber Anakin hätte dieses Verhalten auch kaum unmoralisch nennen können. Wären die Rollen in dieser Situation vertauscht gewesen, hätte er nicht gezögert, seinen Blaster oder sein Lichtschwert einzusetzen, um Welk zu retten.
Als das Donnern der herabstürzenden Yorikkoralle nachließ, fauchten die Voxyn und kratzten über die Yorikkoralle unter ihren Füßen. Anakin spürte, wie Jacen mit der Macht die Bestien beschwichtigte und versuchte, sie davon zu überzeugen, dass es sich um die letzte Störung gehandelt habe. Angesichts des Aufruhrs der letzten Stunde war diese Aufgabe schwierig, doch wollten die Voxyn unbedingt in ihren Nestern bleiben und beruhigten sich.
»Es ist okay, solange man sich langsam bewegt«, riet Tenel Ka. »Aber unternehmt nichts, das bedrohlich wirkt. Auf keinen Fall darf jemand angreifen.«
Als sich Anakin aufrichtete, warf ihn ein Schwindelanfall an die Wand, doch bemerkte das niemand. Alle hielten den Blick auf Zekk gerichtet, der auf Welk zuging, mit Zorn in den Augen.
»Du hast die dunkle Seite benutzt«, zischte er.
»Hätte er den jungen Solo lieber von der Bestie umbringen lassen sollen?«, fragte Lomi und stellte sich zwischen die beiden.
»Du hast dein Versprechen gebrochen«, sagte Zekk.
»Er hat mir das Leben gerettet.« Anakin trat zu Zekk und umfasste die Arena mit einer Geste. Keines der lebenden Voxyn war ihnen näher als zwanzig Meter, aber alle in Reichweite des Glühstabs sträubten die Halsschuppen und starrten das Kommandoteam an. »Und wenn wir deine Wut fühlen können, gilt das Gleiche für die Voxyn.«
Die Hitze in Zekks Miene verlor sich. »Tut mir Leid, Anakin.«
Er starrte Welk und Lomi an und sagte: »Benutzt die Macht nie wieder − solange ich in der Nähe bin.«
Damit machte er auf den Hacken kehrt und ging die Ränge hinunter zu Jacen und Jaina. Anakin schaute ihm hinterher und war plötzlich zu müde, um sich auf Zekks harsche Ansichten hinsichtlich der dunklen Seite einzulassen. Seine Beine zitterten. Er brauchte einen Moment, bis er sich konzentriert hatte und die Macht zu Hilfe holte, um sich zu stärken, dann winkte er Welk und Lomi weiter und schloss sich ihnen an.
»Danke übrigens«, sagte er zu Welk.
»Dann fühlst du dich nicht von der dunklen Seite befleckt?«, fragte Lomi.
»Ich habe keine Angst davor, wenn du das meinst«, antwortete Anakin. »Aber Zekk hat Recht, Welk hat sein Versprechen gebrochen.«
»Keine Sorge«, meinte Welk und drehte sich nicht um. »Das mache ich bestimmt nicht noch einmal.«
Sie stiegen in einem Zickzackkurs die Ränge hinunter, wobei Jacen sich so weit wie möglich von den nistenden Voxyn fern hielt. Obwohl sie Atemmasken aufgesetzt hatten, war der Gestank unerträglich, und sie sahen Kadaver in allen Verwesungsstadien, während die werdenden Mütter das Futter bewachten, das die Jungen ernähren sollte, die nie aus ihren sterilen Eiern schlüpfen würden. In einigen Fällen waren Voxyn verhungert und auf den Gerippen der Nester zusammengebrochen. Der Anblick stimmte Anakin traurig, obwohl es ihn nicht überraschte. Aus seinen Studien und aus Jacens endlosen Vorträgen während der langen Raumreisen wusste er, dass viele Wesen den eigenen Tod in Kauf nahmen, um der folgenden Generation das Überleben zu ermöglichen. Dieser Wille war ein greifbarer Beweis der Unendlichkeit der Macht, behauptete Jacen.
Auf halbem Wege nach unten kam ein Absatz von zehn Metern Höhe, unter dem sich, wie sie sahen, eine weitere Reihe Torbögen ähnlich jenem befanden, durch den sie hereingekommen waren. Um nicht noch mehr nicht nistende Voxyn durch diese Portale anzulocken, gingen sie um die Arena − oder was immer es war − herum und stiegen abwechselnd nach oben oder unten, um die Voxyn-Nester zu meiden. Die Anstrengung setzte Anakin bald zu, obwohl er die Macht zu Hilfe nahm. Schließlich begannen seine Knie stärker zu zittern und sein Bauch zu brennen. Tahiri bemerkte es natürlich sofort. »Anakin, du zitterst ja.« Anakin nickte. »Der Gestank macht mich fertig.«
»Bei dem Gestank fängt jeder an zu zittern«, meinte Tesar und trat von hinten an Anakin heran. »Dieser hier wird dich tragen.« Ehe Anakin widersprechen konnte, hatte der Barabel ihn hochgehoben. Tahiri beharrte darauf, Anakins Zustand Tekli zu schildern, die wiederum plötzlich aufschrie, als ein wütendes Voxyn den Kopf über die Kante streckte und Säure in ihre Richtung spuckte. Aus Angst, den Rest der Bestien aufzustören, blieb das Kommandoteam stehen, und Anakin lag in Tesars schuppenbesetzten Armen.
Schließlich gingen sie weiter um die Arena herum, und Anakin sah, dass die Ränge unten besser ausgestattet waren als diejenigen, auf denen sie unterwegs waren. Die Wände waren mit Statuen von Yun-Yammka geschmückt; viele zeigten, wie sich der Gott Gliedmaßen abriss oder sein Blut vergoss. Einige stellten Yuuzhan-Vong-Krieger dar, die von dem Gott verspeist wurden. Anakin entdeckte lange Spieße und spitze Haken, die aus den Wänden um den Arenaboden ragten. Vermutlich hatten sich in diesem Stadion die Yuuzhan Vong einst damit unterhalten, Gladiatorensklaven gegeneinander antreten zu lassen.
Dann fielen Anakin Rampen auf, die von den unteren Rängen in die Arena führten, und er begriff seinen Irrtum. Die Yuuzhan Vong selbst hatten hier gekämpft − oder zumindest jene Glücklichen, die in den privilegierten unteren Rängen sitzen durften. In diesem Licht betrachtet bekamen die Statuen von Yun-Yammka eine religiöse Note, und er stellte sich die Arena als eine riesige Kirche vor. Fast konnte er vor seinem inneren Auge sehen, wie dieser Ort mit Yuuzhan Vong gefüllt war, die ihrem Glauben huldigten, während das Weltschiff die Dunkelheit zwischen Galaxien überwand, und die prominentesten Vong und gefeiertsten Anführer ehrten ihre Götter mit ihrem Blut und ihrem Tod, um den Yuuzhan Vong eine neue Heimat in der fernen Galaxis der Neuen Republik zu sichern.
»Setz mich ab«, verlangte Anakin. Krieger wie diese würden sich nicht von jemandem besiegen lassen, der von einem anderen in den Kampf getragen wurde. »Ich lasse mich nicht tragen, nicht hier − nicht, bis die Sache vorüber ist.«
Tesar stellte Anakin auf die wackligen Beine.
Lowbacca murrte und knurrte daraufhin eine Frage.
»Wie wollen Sie erwarten…«
»Tesar kann mir helfen«, sagte Anakin und unterbrach Em Tedes Übersetzung. Er wandte sich an den Barabel. »Als Ulaha gefoltert wurde, hast du ihr Kraft gespendet.«
»Jetzt wird es nicht mehr so viel sein«, warnte Tesar. »Zu dem Zeitpunkt waren wir zu dritt.«
»Ich nehme, was ich kriegen kann«, sagte Anakin. »Ich möchte die Angelegenheit nur auf meinen eigenen Füßen beenden.«
Der Barabel zeigte die nadelspitzen Zähne. »Dann wäre dieser hier geehrt.«
Anakin spürte, wie Tesar den Kontakt durch die Macht herstellte, dann fühlte er ein eigenartiges Reptilienfrösteln, als sich ihre Emotionen vereinten. Die Welt wurde seltsam rot, und Anakin spürte, wie seine Schwäche in Tesar floss und dessen Kraft zu ihm. Damit stellte sich ein Gefühl der Einsamkeit ein, nicht so wie die Trauer, die Menschen kannten, sondern das schmerzliche Fehlen von zwei Kameraden, die niemals zurückkehren würden.
Ohne sich bewusst zu sein, dass er die Augen geschlossen hatte, schlug er sie wieder auf. »E-es ist nicht ganz so, wie ich es erwartet hatte.«
»Nein?«, schnarrte Tesar. »Möchtest du Schuppen?«
Erstaunt darüber, dass er den Scherz verstanden hatte, kicherte Anakin und ging den anderen hinterher. Seine Verbindung zu Tesar fühlte sich ähnlich an wie das Kampfgeflecht, nur war es jetzt die Kraft des Barabel, die geteilt wurde.
Einige Minuten später verkündete Alema, sie seien jetzt auf der anderen Seite der Arena genau gegenüber dem Torbogen angelangt, durch den sie eingetreten waren, und das Team stieg die Treppe hinauf. Anakin schaffte es aus eigener Kraft, aber Raynar litt weiterhin unter den Nebenwirkungen des Gegengiftes und musste mithilfe der Macht von einer Reihe zur nächsten hinaufgehoben werden. Sie waren nur noch eine Reihe vom Ausgang entfernt, als Raynar, der auf Alema wartete, die hinter ihm hochstieg, zehn Meter nach unten zeigte.
»Seht nur!« Seine Zunge war so angeschwollen, dass Anakin ihn zuerst gar nicht verstand. »Eryl!«
Raynar drehte sich um und taumelte in die Richtung, in die er zeigte, und rief damit die Reaktion eines nahen Voxyn hervor, das die Halsschuppen aufstellte. Alema zog sich mit einer raschen Bewegung hoch und lief dem verwirrten Jedi hinterher, während Anakin und einige andere ihn mit der Macht zurückholten.
Das Voxyn spuckte Säure und verfehlte sein Ziel, dann machte es einen Satz und schlug zweimal auf Raynar ein. Beim ersten Mal zerriss es den Overall, der zweite Hieb hinterließ vier klaffende Wunden. Anakin überließ den verwundeten Jedi seinen Gefährten, zog das Lichtschwert aus dem Harnisch und aktivierte es.
»Anakin, nein«, warnte Jacen. »Lass es zu seinem Nest zurückkehren.«
Anakin schaltete das Lichtschwert aus, hielt die Waffe jedoch kampfbereit vor sich. Tesar ließ den stammelnden Raynar hinüber zu Ganner und Alema schweben, die rasch hinter der Kante mit ihm verschwanden. Das Voxyn starrte das Lichtschwert in Anakins Hand an.
»Brauchst du Hilfe, junger Solo?«, fragte Lomi. »Ich könnte es töten, aber da gibt es dieses Versprechen…«
»Halte dich an dein Versprechen«, sagte Anakin. Langsam senkte er das Lichtschwert und wich zurück. »Du möchtest Zekk doch sicherlich nicht wütend erleben.«
»Da wäre ich nicht so sicher«, meinte Lomi. »Ich habe gehört, er sei sehr stark, wenn er wütend ist.«
Das Voxyn kehrte zu seinem Nest zurück. Anakin wagte wieder zu atmen, dann stiegen er und die anderen rasch über die letzte Reihe zum Ausgang hinauf. Alema und Zekk waren mit Tekli und Raynar bereits auf der anderen Seite, doch Jacen und die Übrigen warteten direkt im Torbogen.
Anakin ging hindurch und sah sich Raynar über die schmale Schulter der Chadra-Fan an. Vier tief klaffende Wunden zogen sich diagonal über die Brust, aber es gab keine starken Blutungen, und der Knochen war nicht bloßgelegt.
»Wie geht es ihm?«
»Im Augenblick den Umständen entsprechend«, sagte Tekli und sprühte Desinfektionsschaum auf die Wunden. »Alles hängt davon ab, wie gut Cilghals Mittel gegen die Infektionen wirkt.«
Anakin starrte Raynar an. Noch ein Opfer, diesmal ein enger Freund von Jacen und Jaina − immerhin hatten sie es durch das Labyrinth der Voxyn geschafft. Er fühlte sich gleichermaßen kummervoll wie erleichtert, doch nicht schuldig. Er hatte seine Entscheidungen so gut getroffen, wie er konnte.
Obwohl Raynar es vermutlich nicht mitbekommen würde, kniete Anakin sich neben ihn hin und klopfte ihm auf die Schulter. »Können wir ihn transportieren?«
»Irgendwer muss ihn anheben«, sagte Tekli. »Ich bewege ihn.«
Zekk hatte den Patient schon in die Luft gehoben, ehe Anakin den Befehl geben konnte. Alema stand neben ihm, hielt Teklis Medipack und wirkte beunruhigt. Anakin berührte sie am Arm, nahm ihr das Medipack ab und reichte es Tahiri.
»Wir brauchen dich, damit du den Weg findest«, sagte er zu Alema. »Lomi war niemals außerhalb des Abrichtebereich, und alle anderen würden sich hier verirren.«
Alema dachte einen Moment lang nach und ging voraus in einen Gang, der in die entgegengesetzte Richtung führte, der sie bisher gefolgt waren. Dieser Korridor ähnelte jenem, durch den sie in die Arena gelangt waren, nur gab es hier keine von Säure verätzten Höhlen, die mit parallel verlaufenden Tunneln verbunden waren. Schließlich erreichte das Team einen Quergang, der mit Yorikkoralle blockiert war, vermutlich um die Voxyn zu hindern, sich im Rest des Weltschiffs zu verteilen. Alema ging am ersten und dem nächsten Gang vorbei und blieb vor dem dritten stehen.
»Es fühlt sich an, als wären wir hier der Oberfläche sehr nahe.« Ein Schauder lief durch ihre Lekku, während sie sprach. »Schätzungsweise sind wir weit von dem Tor entfernt, auf das sie uns zugetrieben haben. Vielleicht können wir sie doch noch überraschen.«
Jaina checkte ihr Komlink. »Vielleicht. Die Flechette-Mine haben sie jedenfalls nicht ausgelöst.«
Anakin deutete auf die blockierende Yorikkoralle. »Wer möchte die Ehre haben?«
Lowbacca und Tesar zündeten gleichzeitig die Lichtschwerter und machten sich an die Arbeit. Die Yorikkoralle war viel härter als die an Bord der Exquisite Death, und es dauerte fast zwanzig Minuten, ehe sie sich durch den meterdicken Pfropfen geschnitten hatten. Anakin verbrachte derweil einige Zeit in Meditation und sorgte, so gut es ging, für seine Wunde, doch Tekli wollte sie nicht noch einmal öffnen.
Schließlich holte Ganner den letzten Block aus dem Gang. Vor ihnen führte ein Zugangstunnel zur Oberfläche. In ungefähr fünfzig Metern Entfernung endete er an einer transparenten Membranwand und einer Luftschleusenklappe, die zu der Versorgungsstraße führte, welche sie aus dem Raum gesehen hatten. Diese Straße war jedoch ganz offensichtlich nicht mehr in Gebrauch. Sie war voll gestopft mit erbeuteten Gerätschaften − Landgleitern, Lastenhebern, Hovertaxis und sogar einem Soro-Suub-Wolkenwagen −, ohne Zweifel wurde das alles hier verstaut, bis es im Abrichtebereich gebraucht wurde.
Und dort, mittendrin, mit versiegelten Luken und halb ausgefahrenen Landehilfen, stand ein verbeulter leichter Frachter.
»Nun«, sagte Anakin. »Sieht so aus, als wäre die Macht endlich mit uns.«