28
Anstatt den blank geputzten Korridor zum Paradedeck der Errant Venture zu nehmen, wo zwei Dutzend Studenten der Akademie darauf erpicht waren, ihre Macht-Fähigkeiten zu präsentieren, folgten Luke und seine Begleiter dem frisch geschniegelten Booster Terrik zu einer Liftröhre und fuhren direkt zur Brücke. Der Sternzerstörer konnte nur eine gewisse Zeit im Orbit von Eclipse bleiben, wenn man nicht riskieren wollte, die Position der Basis zu verraten, und das Letzte, was irgendwer in der Gruppe wollte, war, Zeit damit zu verbringen, HoloNet-Sendungen zu sehen. Unglücklicherweise hatten sie gerade die Nachricht erhalten, dass Nom Anor in der Frage der Geiseln von Talfaglio eine Rede vor dem Senat halten wollte, und Borsk Fey’la persönlich hatte sowohl Wedge Antilles als auch Garm Bei Iblis um ihre Anwesenheit gebeten. Es konnte also durchaus etwas Wichtiges passieren, das von großer Bedeutung für die Jedi wäre.
Booster führte sie durch den hinteren Teil der Brücke ins Kom-Zentrum des Schiffes, wo ein alter imperialer Holoprojektor auf einem Konferenztisch stand. Außer Luke und Booster waren Corran und Mirax Horn, Han und Leia, R2-D2 und C-3PO anwesend; und Ben strampelte unzufrieden in Maras Armen. Tionne und Kam Solusar waren mit ihren Schülern auf dem Paradedeck und erklärten, Meister Skywalker würde in Kürze erscheinen.
Luke hatte noch nicht gehört, wie Corran und Mirax dem Voxyn auf Corellia entwischt waren. Ihre Geschichte war durch die Ankündigung von Nom Anors Rede unterbrochen worden, doch behaupteten sie, die Sache sei gar nicht so aufregend gewesen, nur mussten sie leider eine Möglichkeit finden, wie sie Corellian Transport Services für ein stark zerfressenes Hovertaxi entschädigen konnten.
Ben wurde unruhiger, während sich die Gruppe um den Projektor versammelte. Für gewöhnlich war er ein äußerst gelassenes Baby, aber manchmal konnte man ihn einfach nicht beruhigen. Während R2-D2 jetzt das uralte Sende-Empfangsgerät auf das Holoband des Senats einstellte, begann Ben zu jammern. Luke spürte, wie Mara ihn durch die Macht zu beruhigen versuchte. Als das nicht half, versuchte er es selbst. Ben weinte nur umso lauter. Mara seufzte heftig und machte sich mit dem Kleinen zum Nebenraum auf.
Leia hielt sie zurück. »Lass nur. Ich muss das wirklich nicht sehen.«
Mara nickte und reichte ihr Ben.
Das Kind beruhigte sich fast augenblicklich.
Luke und Mara wechselten einen erstaunten Blick, und beide fühlten sich leicht besorgt, weil sie ihren Sohn nicht selbst hatten beruhigen können.
»Ich habe an Anakin gedacht«, sagte Leia und schaute Ben ins Gesicht. »Ich habe Mara beobachtet und mir gewünscht, ich hätte mehr Zeit für ihn gehabt, als er in diesem Alter war.«
Luke lächelte und wandte sich der Übertragung zu, wo die Kamera gerade auf eine Gestalt im Großen Plenarsaal zoomte.
Für Viqi Shesh wirkte Nom Anor zu selbstsicher. Obwohl ihm Fey’la das Privileg versagt hatte, im Gewand des Kriegers zu erscheinen, zeigte sich der Exekutor aufrecht und hochmütig, taub allem Spott der Senatoren gegenüber und das eine Auge auf das Podium des Hohen Rates gerichtet. Er trug eine schimmernde Robe aus lebendem Glistagewebe, das Blasterblitze fast genauso gut abwehrte wie eine Vonduun-Krabbenrüstung, doch wesentlich harmloser aussah − zumindest für jene, die das Geheimnis dieser Fasern nicht kannten.
Nom Anor trat in die Mitte der Rednerplattform und wartete, dass Ruhe einkehrte. Das würde eine Weile dauern, wie Viqi wusste. Nach Fey’las öffentlicher Stellungnahme für die Jedi würden die Anhänger der Jedi so lange Lärm machen, bis sie von dem Bothan gebremst wurden. Fey’la, der nie eine Gelegenheit ausließ, einem Feind eins auszuwischen, gab Nom Anor keine Chance, seinen Fehler zu korrigieren. Er beugte sich vor, spähte hinter seiner Staatschefkonsole hervor und sprach ins Mikrofon.
»Sie haben darum gebeten, angehört zu werden«, hallte Fey’las verstärkte Stimme durch den Raum und brachte die Zwischenrufer zur Ruhe. »Möchten Sie uns vielleicht die Geiselnahme von Talfaglio erklären?«
Nom Anors leere Augenhöhle zuckte. »Wohl kaum. Sie missverstehen die Situation. Ich bin gekommen, um Sie zu informieren, dass der Kriegsmeister das Ultimatum für die Kapitulation der Jedi verlängert hat.«
Im Saal wurde erstauntes Raunen laut. Viqi war so schockiert wie die Übrigen, denn der Kriegsmeister war eigentlich nicht der Typ, der sich von Fey’las leeren Drohungen beeindrucken ließ. Vielleicht trieb Nom Anor sein eigenes Spielchen. Nachdem sich Fey’la nun hinter die Jedi gestellt hatte, glaubte der Exekutor möglicherweise, er könnte zu einer Vereinbarung mit den Fürsprechern des Beschwichtigungsvotums gelangen. Ein solcher Plan musste rasch gestoppt werden, oder es könnte Nom Anor sein, der an ihrer Stelle Fey’la ersetzte, wenn Tsavong Lahs Attentäter endlich zuschlugen. Sie verstand nicht, was dieses Attentat so lange verzögerte. Die meisten Gelegenheiten, die sie empfohlen hatte, waren inzwischen verstrichen, und bislang hatte sie nichts über verdächtige Personen in der Nähe des Staatschefs gehört.
Viqi wartete nicht, bis sich der Aufruhr gelegt hatte, sondern aktivierte ihr eigenes Mikrofon. »Wie erklären Sie denn dieses plötzliche schlechte Gewissen, Herr Gesandter?«
Nom Anors Miene war viel zu blasiert. »Der Kriegsmeister ist zu der Einsicht gelangt, es sei für die Neue Republik zu schwierig, seinen Befehl kurzfristig in die Tat umzusetzen.« Er hielt kurz inne und wandte sich vom Podium des Hohen Rates ab, um direkt zu den Rängen zu schauen. »Gestern Nacht hat uns ein besorgter Bürger siebzehn junge Jedi überstellt…«
Im Saal entstand ein solcher Aufruhr, dass man den Rest von Nom Anors Satz nicht verstehen konnte. Viqi fiel, ebenso verblüfft wie die anderen, in ihren Sitz zurück und fragte sich, wie das hatte passieren können. Kein Kopfgeldjäger der Galaxis konnte einfach losfliegen und siebzehn Jedi einsammeln − nicht einmal eine ganze Kompanie von Kopfgeldjägern würde dazu reichen.
Um die Ordnung wiederherzustellen, war Fey’la gezwungen, den Saal abzudunkeln, und sogar dann dauerte es mehrere Minuten, ehe er den Saalwächter anweisen konnte, dass jeder Senator, der weiterhin schrie, von den Sicherheitsdroiden entfernt werden sollte. Als das Licht wieder anging, hatte der Bothan die Ohren flach angelegt, und in seinem Nacken hatten sich die Haare zu einem Kamm gesträubt.
»Ich glaube Ihnen nicht«, sagte er.
Viqi war geneigt, dem beizustimmen, und mit ihr nahezu der gesamte Senat. Das Murmeln schwoll erneut zu einem Tumult an, bis die Sicherheitsdroiden den Lärm unter Kontrolle brachten, indem sie mit ihrer überlegenen Lautstärke Warnungen brüllten.
Nom Anor grinste höhnisch. »Ich habe eine Liste.« Er machte eine Schau daraus, ein Blatt, das wie abgezogene Schlangenhaut aussah, zu betrachten, dann sagte er: »Ihr Anführer ist Ganner Rhysode. Seine Gehilfen sind offensichtlich Tesar Sebatyne und ein Wookiee namens Lowbacca.«
Von der Wookiee-Galerie hallte ein klagendes Heulen herunter, und ein Sicherheitsdroide wurde von einer haarigen Pranke aus der Luft gefegt.
»Die Bith Jedi Ulaha Köre wurde verwundet, als sie sich der Gefangennahme widersetzte, und ich finde hier auch den Namen Solo.«
»Solo?«, stieß Wedge Antilles hervor. Zusammen mit Garm Bei Iblis stand er aus irgendeinem Grund, den Viqi nicht recht einsah, hinter Fey’las Platz. »Sie haben einen Solo?«
Im Saal wurde es so still, dass die nächste Frage, die von General Bei Iblis gestellt wurde, sogar in den obersten Galerien verstanden worden wäre, ohne dass Fey’las Mikrofon sie verstärkt hätte. »Welchen? Anakin oder die Zwillinge?«
Der blasierte Blick verschwand von Nom Anors Gesicht. »Zwillinge?« Er bemühte sich um ein Grinsen, doch in Viqis Augen sah es eher gequält als höhnisch aus. »Wir haben drei.«
Die Generäle sahen sich betreten an, und Fey’la ließ die Ohren hängen. Nur Viqi schien den subtilen Wandel in Nom Anors Auftreten zu bemerken. Sie wusste nicht, welche Bedeutung Zwillinge für die Yuuzhan Vong hatten, allerdings war ihr klar, dass es eine geben musste − und Nom Anor würde vor Tsavong Lah wie ein Dummkopf dastehen, weil er es nicht früher erkannt hatte.
Viqi beugte sich vor und starrte den Yuuzhan Vong an, als wolle sie seine Behauptung als Lüge bezeichnen. »Jacen und Jaina sind Zwillinge, Herr Gesandter.« Sie lehnte sich zurück und fügte mit affektiertem Lächeln hinzu: »Das weiß jeder. Sie sind Zwillinge, genauso wie ihre Mutter und Luke Skywalker.«
Nom Anor kniff das intakte Auge zusammen und fixierte sie mit unverhohlener Wut. »Was sie sind, spielt keine Rolle.« Er zwang sich, Fey’la wieder anzusehen. »Ich bin gekommen, weil der Kriegsmeister mir aufgetragen hat, Ihnen Folgendes mitzuteilen: Er wird die Geiseln von Talfaglio schonen, solange die Neue Republik weiterhin ihre Jedi ausliefert.«
Fey’la erhob sich von seinem Platz. »Niemals.«
Nom Anor ignorierte ihn und wandte sich an die Galerie. »Die gleiche Anzahl alle…«
Plötzlich fiel sein Mikrofon aus, und seine letzten Worte drangen nicht mehr zum Senat vor.
Viqi schaltete ihr eigenes Mikrofon zu. »Die gleiche Anzahl alle zehn Tage. Sie haben das Recht, es zu erfahren, ob der Staatschef es nun möchte oder nicht.«
Ihre Worte zeigten Wirkung und lösten eine erhitzte Debatte aus, bis die Sicherheitsdroiden erste Senatoren tatsächlich mit dezenten Blitzen zu den Ausgängen trieben. Fey’la drückte einen Knopf auf seiner Konsole und erhob sich, und seine Stimme hallte nun sowohl aus dem Lautsprechersystem des Saales als auch aus den individuellen Konferenzkonsolen.
»Der Staatschef würde Ihnen allerdings gern mitteilen, und zwar unabhängig davon, ob Ratsmitglied Shesh es möchte oder nicht, wie die Yuuzhan Vong ihre Diplomatie betreiben.«
Mif Kumas, der Ordnungsbeamte des Senates, erschien am Rand der Tür zum Saal und flatterte heftig mit seinen großen Calibop-Flügeln, während er versuchte, mit den drei großen Verteidigungsdroiden Schritt zu halten, die für den Einsatz bei ernsthaften Schwierigkeiten gedacht waren. Fey’la blickte lange genug in Viqis Richtung, um seine Reißzähne zu entblößen, und plötzlich wusste sie, dass der Staatschef nicht deshalb noch lebte, weil Tsavong Lah keine Attentäter geschickt hatte, sondern weil diese versagt hatten. Sie erstarrte, erhob sich ruhig und wollte das Podest des Hohen Rates verlassen.
Fey’la drückte auf eine Taste, und seine Stimme ertönte aus ihrer Konferenzkonsole. »Wollen Sie schon gehen, Senatorin Shesh?«
Viqi hob das Kinn und sah ihm so fest in die violetten Augen, wie sie konnte. »Ich möchte lediglich ein Bedürfnis verrichten.«
Er lächelte verschlagen. »Bleiben Sie. Es wird nicht lange dauern, und ich bin sicher, Sie werden es höchst… erhellend finden.«
Vor die Wahl gestellt, entweder von Kumas’ Wachdroiden zum Gehorsam gezwungen zu werden oder zumindest ihre Unschuld weiterhin plausibel vortäuschen zu können, kehrte sie zu ihrem Platz zurück und tat, als würde sie die nachdenklichen Blicke der Generäle in ihre Richtung nicht bemerken.
»Ich hoffe, es wird wirklich schnell gehen.«
»Natürlich. Ein schneller Tod ist der sicherste.« Fey’la drückte auf eine Taste, öffnete sein Mikrofon wieder für das gesamte Lautsprechersystem und wandte sich an Nom Anor. »Vor kurzem hat eine Gruppe Yuuzhan Vong, die sich eingeschlichen hatte, einen Attentatsversuch gegen mich unternommen.«
Im Saal erhob sich halb zweifelndes Murmeln, und in Viqis Bauch begann es so zu rumoren, dass sie fürchtete, die Ausrede mit dem »Bedürfnis« würde sich bald bewahrheiten.
Fey’la hob die Hände. »Unter Ihnen denken sicherlich einige, das sei ein zynisches Komplott, um politische Vorteile zu erringen, aber ich kann Ihnen sagen, das ist nicht der Fall.« Er blickte zu Nom Anor hinunter, der jetzt den Calibop und die Droiden hinter sich bemerkt hatte. »Mein Bestreben liegt einzig darin, dass die Vertreter der Beschwichtigungspolitik in diesem Haus verstehen, mit wem sie es eigentlich zu tun haben. Zu diesem Zweck habe ich zwei Männer mitgebracht, die das Attentat bezeugt haben, zwei Generäle, deren Ehrenhaftigkeit außer Zweifel steht und die mir − wie viele von Ihnen wissen − nicht uneingeschränkt Glauben schenken.«
Mit einem Wink schickte er die Generäle nach vorn, und Wedge Antilles beugte sich über das Mikrofon. »Es war ein gut geplantes Attentat.«
Dann übernahm General Bei Iblis. »Unglücklicherweise betrifft es einen Vorgang von höchster Geheimhaltungsstufe, und die Details dürfen wir Ihnen nicht mitteilen, aber was Staatschef Fey’la sagt, entspricht der Wahrheit. Uneingeschränkt.«
Das zweifelnde Murmeln steigerte sich zu Zorn, und Viqis Bauch gab solche Geräusche von sich, dass das Mikrofon sie auffing. Fey’la wandte sich erwartungsvoll an sie.
»Senatorin Shesh?«, fragte er. »Haben Sie dazu etwas zu sagen?«
Wenn Viqis Blicke Vibromesser gewesen wären, hätte Fey’la jetzt den Tod gefunden. Sie warf einen Blick auf die Wachdroiden, die nur fünf Meter entfernt neben Nom Anor warteten; nur weil sie wusste, dass die sie betäuben würden, ehe sie selbst schießen konnte, nahm sie ihren versteckten Blaster nicht in die Hand.
»Was sollte ich dazu sagen, Borsk? Dass es mir sehr Leid tut?«
Fey’la lächelte triumphierend. »Eine Entschuldigung ist wohl kaum notwendig, Senatorin Shesh. Sie haben ja nur versucht, Kuat zu retten.« Ein kurzer Seitenblick in Nom Anors Richtung. »Haben Sie Ihren Fehler jetzt eingesehen?«
»Meinen Fehler?«, keuchte Viqi und begriff langsam. Ihr Geheimnis war überhaupt nicht aufgedeckt.
Vielleicht war ihr Kontaktmann bei dem Attentatsversuch getötet worden, oder die Yuuzhan Vong waren dafür ausgebildet, selbst den modernen Verhörtechniken zu widerstehen. Das spielte keine Rolle. Fey’la glaubte, er habe ihre Herausforderung abgewehrt − ihre politische Herausforderung. Nun wollte er sie wieder ins Boot ziehen und damit seine Position sichern, und er hatte noch immer keine Ahnung, welches Spiel sie eigentlich mit ihm spielte. Ganz und gar keine Ahnung.
Viqi lächelte und neigte den Kopf. »Ich erkenne meinen Fehler.« Sie warf Nom Anor einen finsteren Blick zu. »Den Yuuzhan Vong darf man nicht vertrauen.«
»Oh nein«, sagte C-3PO zu niemandem im Besonderen. »Haben Sie das Interesse bemerkt, das Nom Anor zeigte, als er erfuhr, dass Jaina und Jacen Zwillinge sind?«
Weder Luke noch einer der anderen antwortete dem Droiden, da ihre Aufmerksamkeit allein dem Holoprojektor galt, wo Borsk Fey’la schadenfroh Nom Anor von seiner Verhaftung unterrichtete. Der Yuuzhan Vong gab sich keine Mühe, seine Unschuld zu beteuern, was Luke mit Besorgnis erfüllte. Der Gesandte starrte lediglich den Bothan an, als würden sie beide die Wahrheit kennen.
»Natürlich kann niemand wissen, welche Bedeutung Zwillinge für die Yuuzhan Vong haben«, plapperte C-3PO weiter. »Aber in ungefähr achtundneunzig Komma sieben Prozent der Kulturen in unserer Galaxis werden sie als Symbol für die dualistische Natur des Universums betrachtet: gut und böse, hell und dunkel, männlich und weiblich. Wenn zwischen den Zwillingen Harmonie herrscht, befindet sich das Universum im Gleichgewicht…«
Auf dem Hologramm flatterte Mif Kumas mit Betäubungshandschellen nach vorn, und drei Wachdroiden bildeten ein Dreieck um den Yuuzhan Vong. Zu Lukes größter Überraschung streckte dieser die Hände aus und brachte die Handgelenke zusammen − dann packte er seinen kleinen Finger und riss ihn ab. Aus dem Stumpf spritzte schwarzer Dunst und hüllte Nom Anor und Mif Kumas in einen dunklen Gifthauch.
Ein solcher Vorfall schien in den Programmen der Droiden nicht vorgesehen zu sein, denn sie eröffneten erst das Feuer, als der Yuuzhan Vong dem Calibop den Stumpf seines Fingers ins überraschte Gesicht schlug. Luke sah, wie die ersten beiden Bolzen Nom Anors schimmernde Robe trafen und verloschen, ohne Schaden anzurichten, dann verschwanden die beiden Gestalten in der sich ausdehnenden dunklen Wolke.
C-3PO zollte dem Geschehen auf dem Hologramm keine Aufmerksamkeit und fuhr fort: »Aber welche Bedeutung Zwillinge auch für unsere Feinde haben mögen, ich fürchte, es wird vor allem ihre Wachsamkeit erhöhen. Nom Anors Reaktion lässt erwarten…«
»C-3PO!«, brüllte Leia, die mit dem nun ruhigen Ben ins Zimmer zurückkehrte.
»Ja, Mistress Leia?«
»Sei still, sonst überlege ich mir, ob du eine Speicherlöschung benötigst.«
»Eine Speicherlöschung?«, wiederholte C-3PO. »Wozu um alles in der Welt sollte ich eine Speicherlöschung brauchen?«
R2-D2 trällerte einen Vorschlag.
»Also, ich wollte Mistress Leia doch nur warnen«, widersprach C-3PO. »Ich dachte lediglich…«
Han griff hinter den Kopf des Droiden und betätigte den Unterbrecher des Hauptschaltkreises.
»Danke«, meinte Luke, wenngleich Han den Droiden vornehmlich im eigenen Interesse deaktiviert hatte.
Die Szene auf dem Hologramm war verworren. Nom Anors Wolke verdunkelte bald die Übertragung, und die Wachdroiden hörten auf zu feuern, als sie den Sichtkontakt zu ihrem Ziel verloren. Der Kameramann zoomte zurück, doch der schwarze Rauch breitete sich immer weiter aus, und bald war alles wieder dunkel. Über die Tonleitung hörte man panische Schreie, Husten und trampelnde Schritte.
Einen Moment lang wurde nur statisches Rauschen übertragen, als die Ventilation und das Löschsystem aktiviert wurden, dann wurde das Bild langsam wieder klarer. Als die Treppen und Galerien wieder sichtbar wurden, lagen überall Körper herum, auf den Treppen, über den Konferenzkonsolen, auf den Kommunikationsrampen.
»Sith-Spucke!«, fuhr Corran auf. »Er hat den gesamten Senat umgebracht!«
»Schlafen gelegt«, korrigierte Luke. Er versuchte immer noch, Nom Anors seltsame Reaktion auf Fey’las Vorwürfe zu enträtseln. Luke wusste über das vereitelte Attentat auf den Staatschef Bescheid, da Han und Leia dabei anwesend gewesen waren. Dennoch hatte der Yuuzhan Vong fast so getan, als handele es sich um eine Erfindung zu politischen Zwecken. »Der wollte den Senat nicht vernichten. Dann würde die Neue Republik nur enger zusammenrücken, und bislang haben sich die Yuuzhan Vong eher Mühe gegeben, uns zu spalten.«
Bald wurde deutlich, wie Recht Luke hatte. Sogar an den Stellen, wo die Wolke am dichtesten gewesen war, rührten sich die Körper wieder, man hörte heiseres Husten und Schnappen nach Luft. Kumas’ Flügel flatterten, während Fey’la und die anderen Ratsmitglieder sich aufrichteten, auf die Tasten ihrer Konsolen drückten und Befehle brüllten, die nur in ihrem benebelten Verstand Sinn ergaben.
Die drei Wachdroiden lagen träge auf dem Boden, einer von ihnen war in die schimmernde Robe gewickelt, die Nom Anor getragen hatte. Von dem Yuuzhan Vong selbst war nichts zu sehen.
»Der hat sich verzogen«, meinte Han. »Vermutlich hatte er eine dieser Masken dabei.«
»Vielleicht ergreifen ihn die Sicherheitsbeamten.« Leia wandte sich an Corran, der als Exmitglied des corellianischen Sicherheitsdienstes mehr Erfahrung in solchen Angelegenheiten hatte als jeder andere der Anwesenden. »Was denkst du?«
Anstelle einer Antwort blickte Corran sie und Han nur mit einer Miene unermesslicher Traurigkeit an. Er breitete die Arme aus, kam um den Tisch, und Mirax folgte ihm.
»Han, Leia… es tut mir so Leid.«
»Augenblick, Junge.« Han wich zurück und hob eine Hand, um die Umarmung des früheren CorSec-Mannes abzuwehren, der ihn vor einigen Jahrzehnten noch gejagt und keinesfalls getröstet hätte. »Da gibt es etwas, das ihr wissen solltet.«
Corran blieb stehen und wirkte gleichermaßen verletzt wie verdutzt.
Luke kicherte. »Corran, es gibt einen Grund, warum ich die Jedi zu einem Treffen gebeten habe.« Er blickte in Boosters Richtung, dann sagte er: »Aber diese Sache muss geheim bleiben − streng geheim.«
Booster breitete die Arme aus und blickte sich in der Kabine um. »Wem sollte ich es schon erzählen?«
Luke erklärte, zu welcher Mission Anakin und das Kommandoteam aufgebrochen waren und wie Eclipse versuchte, eine Gruppe von Jedi zusammenzustellen, um die Geiseln von Talfaglio zu verteidigen.
»Erinnerst du dich an das, was du Jacen nach dem Fall von Ithor gesagt hast? Falls es eine Zeit geben würde, in der das Volk sich über die Rückkehr des Mannes freuen würde, der für Ithor verantwortlich war…«
»Meister, damals war ich ein bisschen, äh, enttäuscht«, sagte Corran. »Ich wollte nicht so verbittert klingen.«
»Hast du auch nicht«, versicherte Luke ihm. »Aber, Corran, die Zeit ist gekommen. Die Invasion hat uns überrollt, und die Jedi brauchen jemanden mit deiner Erfahrung, der uns bei der Vorbereitung hilft… und den jungen Piloten beibringt, wie sie als Einheit kämpfen und überleben können.«
Corran dachte darüber kurz nach, dann warf er Mirax einen fragenden Blick zu.
»Was sollen wir denn sonst machen?« Sie deutete auf ihren Vater. »Mit diesem alten Sack rumhängen?«
Booster verzog das Gesicht und wollte etwas erwidern, hob dann aber nur die Hände. »Ich bin zur Geheimhaltung verpflichtet.« Er schielte zu Luke hinüber. »Vermutlich braucht ihr einen Sternzerstörer für eure eigene Flotte?«
»Noch nicht − wo sollten wir dich denn verstecken?« So verlockend das Angebot war, Luke wollte die Schüler der Akademie zunächst aus der Schusslinie bringen. »Admiral Kre’fey hat dieses alte Schmugglerloch in eine Nachschubbasis verwandelt. Einen zusätzlichen Sternzerstörer würde er sicherlich begrüßen, und du wärest dicht genug an Eclipse, um herüberzukommen, wenn die Sache schlecht aussieht.«
Booster funkelte Luke säuerlich an. »Ich weiß, was du treibst, junger Bursche.«
Luke lächelte. »Gut. Ich dachte schon, du würdest langsam nachlassen.«