5

 

Obwohl verunreinigende Substanzen die Monitorelektroden längst dick überzogen hatten und man Eelysa in dem trüben, grünen Bacta-Tank kaum sehen konnte, wusste Leia, dass die Jedi-Meisterin erwacht war. Sie fühlte Eelysa in dem engen Tank, ihre starke Präsenz in der Macht, isoliert von den anderen und sich der Gefahr bewusst, gleichzeitig neugierig darauf, dennoch voller Geduld und Ruhe und trotz ihrer Hilflosigkeit mit sich selbst im Frieden. Leia langte in die Macht, füllte ihr Herz mit Trost, und sie spürte die Barabels − Tesar Sebatyne und die Hara-Schwestern Bela und Krasov −, die das Gleiche taten.

Eelysa hielt den Kontakt Sekunden- oder minutenlang und füllte die Macht mit Dank und Liebe, dann versank sie in die Jedi-Heiltrance. Leia und die Barabels blieben bei ihr, bis ihre Gedanken und Gefühle so ruhig wurden wie ein Teich an einem windstillen Tag, und zogen sich anschließend einer nach dem anderen zurück.

Plötzlich stellte Leia überrascht fest, dass sie sich selbst so stark und friedvoll fühlte wie lange nicht mehr. Es handelte sich um die tiefste Macht-Berührung, die sie je erlebt hatte, nicht, weil die Barabels stärker waren als andere Jedi, sondern weil sie so frei und unschuldig aufeinander zugingen. Jetzt begriff sie. warum Eelysa es auf sich genommen hatte, ihre Meisterin auszubilden − Tesars Mutter, Saba Sebatyne −, obwohl sie damit sich und ihre Mission auf Barab I einem Risiko ausgesetzt hatte.

»Leia?«, fragte Han. »Alles in Ordnung mit dir?«

»Mir geht es gut, Han.« Sie blickte ihn bei der Antwort nicht an, vielleicht nur, da er gerade ihre Verbände wechselte und sie als Allerletztes die schwarze, schwärende Masse sehen wollte, die ihre Beine darstellten. »Aber Eelysa… wir müssen etwas unternehmen.«

»Habe ich das nicht schon erwähnt?«, murmelte Han.

Sie waren fast einen ganzen Tag zu früh am Treffpunkt erschienen, und dann hatte das eintönige Warten begonnen, bis Han fast dazu bereit war, seine Passagiere in eine Luftschleuse zu stecken. Zwar konnten Izal Waz und die Barabels die Verzögerung nicht erklären, sie versicherten Han jedoch immer wieder, dass sie es wissen würden, wenn das Treffen ausfiele. Dabei beruhigte es ihn auch wenig, dass auf Hans Frage, woher sie es wissen würden, Izal nur die Barabels ansah, diese lediglich mit den Schultern zuckten und sagten, sie würden es eben wissen.

Leia sah Bela an − oder vielleicht auch Krasov − und sagte: »Wir müssen Verbindung mit Ihrer Meisterin aufnehmen.« Es war schwer vorstellbar, einem Barabel etwas zu befehlen, doch Leia sprach mit dem herrischen Tonfall, den sie in ihrer Zeit als Staatschefin der Neuen Republik so oft mit guter Wirkung eingesetzt hatte. »Geben Sie uns ihre Kom-Daten.«

Die beiden Schwestern sahen einander und dann Tesar an und kamen offensichtlich zu einer Übereinkunft.

»Wie Sie wünschen«, sagte Krasov − vielleicht auch Bela. »Aber wenn Sie die benutzen, wird daz Treffen ausfallen. Meisterin Saba hat gelernt, sich vor Lauschern der Friedensbrigade zu hüten.«

Tesar, der dunkler und größer als die beiden Frauen war, zuckte mit den Achseln. »Aber Sie sollten tun, waz Sie für daz Beste halten. Sie wird sowieso mit unz unzufrieden sein.«

»Das dürfte nicht nur für Ihre Meisterin gelten«, meinte Han düster.

Tesar ließ die Schultern hängen. »Dieser hier entschuldigt sich für seinen Rat. Sie mögen jederzeit mit dem Blaster auf ihn schießen.«

»Führen Sie mich nicht in Versuchung…«

Leia legte ihrem Mann die Hand auf die Schulter und brachte ihn zum Verstummen. »Ich bin sicher, Tesar macht sich ebensolche Sorgen um Eelysa wie wir! Schließlich ist sie die Meisterin seiner Mutter.«

Die Härte, die unterschwellig in Hans Augen aufblitzte, überraschte sie, doch er nickte knapp und nahm das Synthfleisch, um die Ränder der Bacta-Bandage abzudecken. Der Kleber sollte eigentlich keine Schmerzen verursachen, doch auf Leias entzündeter Haut brannte er wie Feuer.

Han stellte ihren Fuß auf die Stütze, dann sammelte er die alten Verbände ein und erhob sich. »Vergiss es, Tesars Mutter zu erreichen.«

»Meisterin Saba«, korrigierte Krasov ihn.

Han ignorierte sie und fuhr fort: »Wenn sie nämlich dann gar nicht kommt, verschlimmert es unsere Lage nur.« Er wandte sich an Tesar. »Woher wissen Sie, dass Ihre Mutter − Meisterin Saba − trotzdem kommt?«

»Weil wir nichtz anderez gespürt haben«, antwortete Bela.

Han wandte sich an Bela. »Was bedeutet das: ›nichts anderes gespürt‹?«

»Ihre Gefährtin versteht ez«, antwortete Tesar und blickte Leia an. »Durch die Macht.«

»Dann muss sie sehr nah sein«, meinte Leia und war nicht sicher, ob sie verwirrt oder beeindruckt sein sollte. »Ich kenne nur wenige Jedi, die fühlen können, was andere tun, und selbst dann müssen sie nah beieinander sein.«

Krasov schüttelte den Kopf. »Das gilt nicht für Brutgefährten.«

»Wir fühlen, dasz ihr nichtz zugestoßen ist«, fügte Bela hinzu.

»Ich verstehe.« Leia schwirrte langsam der Kopf von diesem Gespräch. »Sie meinen also, Sie haben ihren Tod nicht gefühlt?«

»Und deshalb wissen Sie, dass das Treffen stattfinden wird?«, hakte Han nach. »Weil Meisterin Saba nicht tot ist?«

Tesar lächelte breit. »Exakt! Wenn Meisterin Saba nicht tot ist, wird sie herkommen.«

Auf Hans Gesicht zog ein Gewitter auf − alarmierend, jedenfalls für Leia. »Das war’s.« Er starrte einen Augenblick auf den Boden, dann wandte er sich an Leia. »Wir fliegen nach Talfaglio.«

»Talfaglio?« Leia erwartete Widerspruch von den Barabels. Als der ausblieb, fragte sie: »Meinst du das ernst?«

»So ernst wie ein hungriger Hutt«, gab Han zurück. »Wir können es uns nicht erlauben, hier auf Bacta zu warten, das möglicherweise irgendwann eines Tages kommt.«

Er warf die Verbände in den Müllschlucker und wollte den Raum verlassen. Leias Repulsorstuhl konnte sich kaum schnell genug drehen, damit sie ihm hinterhersehen konnte.

»Han, warte!« Leia blieb, wo sie war; würde sie sich erst in Bewegung setzen, musste sie ihm bis ins Cockpit folgen. »Lassen wir uns die Sache noch einmal durch den Kopf gehen.«

Han wandte sich in der Tür um. »Was gibt es da zu überlegen?« Wieder setzte er diesen harten Blick auf − den kannte sie zwar, aber hier war er nicht angemessen. »Wir brauchen Bacta.«

»Ja«, räumte Leia ein. »Aber wie lange dauert es, Talfaglio zu erreichen?«

»Zehneinhalb Stunden«, meinte Han zuversichtlich. »Ich habe den Kurs schon von Izal berechnen lassen.«

Leia warf einen Blick auf den transportablen Tank. »Wir haben keine zehn Stunden. Eelysa wird schon nach der halben Zeit sterben.«

»Und du in zwanzig.«

»Das wissen wir nicht.«

»Also, ich werde kein Risiko eingehen.« Han drehte sich um und verschwand durch die Tür.

Leia fuhr ihm hinterher, aber mit dem Schritt, den er in seiner Wut vorlegte, konnte sie nicht mithalten. Er lief bereits um die Biegung des Gangs, als sie aus dem Mannschaftsquartier schwebte, und inzwischen verstand sie den harten Blick.

»Han!«

Er blieb stehen, drehte sich jedoch nicht um.

»Wir können nicht losfliegen.« Leia fragte sich, ob sie diesen Mann überhaupt noch kannte, ob er durch Chewbaccas Tod und den Verrat der Duros so verbittert geworden war, dass sie ihn nun fast als den selbstsüchtigen Zyniker betrachten musste, für den er sich bei ihrer ersten Begegnung selbst gehalten hatte. »Wir müssen warten… und hoffen.«

»Wir müssen dich in einen Bacta-Tank bringen.« Han wandte sich um, in seinen Augen standen Tränen, die er nicht zeigen wollte. »Wenn nicht, wirst du vielleicht nie wieder gehen können.«

»Dann gehe ich wenigstens nicht über Leichen.« Leia setzte ihren Stuhl in Bewegung. »Han, hast du vergessen, wer ich bin? Glaubst du, ich möchte gehen können, wenn es jemand anderen das Leben kostet? Würdest du das von mir wollen?«

Han schüttelte schwach den Kopf. Dann rannen die Tränen aus seinen Augen, und er lief den Gang hinunter. Leia folgte ihm nicht. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, wann sie ihn am besten in Ruhe ließ. Einen weiteren Verlust könnte er nicht ertragen, und langsam begriff Leia − oder befürchtete sie es nur? −, dass er, wenn er sie in diesem Repulsorstuhl betrachtete, den nächsten Verlust vor sich sah, noch jemanden, den ihm die Yuuzhan Vong genommen hätten.

Und zu ihrem Erstaunen begriff sie nun, dass sie das Gleiche in ihm sah. Nach Chewbaccas Tod hatte er sich von seiner Familie abgeschottet und war in der Galaxis verschwunden, um allein zu trauern. Sie hatte geglaubt, er brauche lediglich Raum, und den hatte sie ihm gelassen. Aber jetzt wurde ihr klar: Er hatte einen weiteren Grund, denn er musste sie und die Kinder vor einem Zorn schützen, den er nicht kontrollieren konnte. Wäre er auch gegangen, überlegte sie, falls sie sich mehr Mühe gegeben hätte, zu ihm vorzudringen, und bereit gewesen wäre, den Sturm durchzustehen, wenn Han schließlich seiner Wut erlag? Würde er sich dann heute wie ein Fremder anfühlen?

Nur Narren begingen den gleichen Fehler zweimal, entschied sie und fuhr den Gang entlang. Diesmal würde sie ihn nicht allein leiden lassen.

»Schiff auf Annäherungskurs«, verkündete Izal Waz.

Große Erleichterung machte sich in Leia breit, nicht nur, weil das Bacta eintraf. Sie steuerte ihren Stuhl rasch zum Hauptfrachtraum und wurde von den drei Barabels überholt. Die beiden Hara-Schwestern eilten zu den Geschützkanzeln, Tesar lief zum Cockpit. Sie stoppte an der Maschinenstation, schickte C-3PO los, damit er auf Eelysa aufpasste, dann fuhr sie zu ihrem neuen Posten hinter dem Cockpit-Schott. Han und Izal saßen bereits auf ihren Plätzen. Tesar ragte hinter ihren Sitzen auf und blockierte Leia fast vollständig die Sicht.

»Der Transponder ist in Betrieb«, sagte Han. »Ein gutes Zeichen.«

»Die Star Roamer«, berichtete Izal Waz. »Damorianischer Mediumfrachter, bewaffnet. Registriert auf CorDuro-Transport.«

»Hier draußen?«, fragte Han. Das Rendezvous sollte am Rand des corellianischen Sektors stattfinden, in einem System, das nie vermessen worden war und aus kaum mehr als ein paar Asteroiden und einem Staubring bestand und dessen Kern ein kollabierter Stern bildete. »Was treibt CorDuro an einem Ort wie diesem?«

»Daz sind diejenigen, auf die wir gewartet haben«, erklärte Tesar. »Von ihnen bekommen wir unsere Bacta-Tankz.«

»Von CorDuro?«, fragte Leia enttäuscht. CorDuro-Transport hatte sich Versorgungsgüter angeeignet, die für Flüchtlinge bestimmt waren. »Meisterin Saba hat eine Vereinbarung mit denen

»Ja, aber CorDuro weisz daz bisher noch nicht.« Tesar wandte sich ihr zu, und ein stecknadelkopfgroßes, rotes Licht − der kollabierte Stern, gesehen aus dem Inneren des Staubrings − erschien außerhalb des Cockpits. »Sie werden ez jedoch bald erfahren.«

»Sind Sie raumkrank?«, schimpfte Han. Er blickte von Tesar zu Izal Waz. »Sie können keine Bacta-Tanks von CorDuro kaufen! Das sind Kollaborateure. Möglicherweise sind sie nur eine Tarnung für die Friedensbrigade.«

Izal Waz grinste Tesar an, dann fragte er: »Gibt es dafür einen Beweis?«

»Jacen hat einen Bericht an den Geheimdienst der Neuen Republik geschickt«, sagte Leia. »Aber er hat nur einen nebensächlichen Fall umrissen. Wirklich handfeste Beweise gibt es nicht.«

Tesar zischte und sagte: »Aber bald.«

Während Leia noch über die Bemerkung des Barabels nachdachte, wurde der CorDuro-Frachter langsamer und schwenkte auf einen Orbit im Staubring ein. Ein paar Minuten später ertönte der Annäherungsalarm erneut. Han stellte ihn ab und betrachtete stirnrunzelnd das Display, doch Izal aktivierte umgehend die Datenaufzeichnung des Falken.

»Ich bekomme nur die Masse-Daten.« Han schnallte sich seinen Gurt um. »Das zweite Schiff kommt von den Yuuzhan Vong.«

Tesar zischte erneut, dann sah er sich zu Leia um. »Nicht mehr lange, denkt dieser hier.«

Er bewegte sich zur Seite, damit sie die Anzeigen besser sehen konnte. Leia lächelte dankbar und wollte schon ihren kleinen Blaster in die Hand nehmen − schließlich konnte es sich immer noch um eine Falle handeln −, entschied sich jedoch dagegen und ließ die Waffe im Ärmel. Weil die Barabels auf totaler Funkstille bestanden hatten, war es ihr und Han nicht möglich gewesen, ihre Geschichte auch nur teilweise von Luke bestätigen zu lassen, aber die Gefühle, die sie im Mannschaftsquartier empfunden hatte, deuteten auf keinerlei verräterische Absichten hin.

Han und Izal Waz identifizierten das Yuuzhan-Vong-Schiff als Korvetten-Patrouillenschiff, und dann warteten alle, während die Star Roamer in den Andockbereich manövrierte.

»Die Yuuzhan Vong wollen Bacta kennen lernen«, erklärte Tesar. »Ehe Meisterin Eelysa verwundet wurde, hat sie Meisterin Saba von diesem Treffen erzählt.«

»Und Meisterin Saba entschied, Sie würden selbst einige Bacta-Tanks brauchen«, fügte Han hinzu.

Tesar entblößte die Hauer und lächelte. »Daz erschien unz nur gerecht.«

»Was passiert, wenn etwas schief läuft?« Die Sorge in Hans Stimme war Leia so fremd, dass sie für einen Moment dachte, es würde jemand anderer sprechen. »Eelysa wird diejenige sein, die dafür den Preis bezahlt.«

»Und auch Leia, denken Sie, nicht?«, meinte Izal Waz.

»Der Gedanke ist mir allerdings schon gekommen«, gestand Han ein.

Tesar bedeckte Hans Schulter mit einer schwarz geschuppten Klaue. »Han Solo, Sie machen sich zu viele Sorgen. Waz soll schon schief gehen?«

Leia musste lächeln. »Wenigstens wird sich Jacen besser fühlen«, sagte sie, um Han von all den Dingen abzulenken, die tatsächlich misslingen könnten. »Sein Bericht stand ein wenig im luftleeren Raum ohne handfeste…«

Sie beendete den Satz nicht, denn ihre Gedanken schwirrten umher wie Falkenfledermäuse über einem Abwärmeschornstein. Warum sollte jemand einen Killer engagieren, um sie zu töten? Warum einen CorSec-Agenten bestechen, um ihren Datenblock zu stehlen? Warum eine Schlachtflotte schicken, um sie daran zu hindern, nach Hause zurückzukehren?

»Beweise!«, rief sie. »Jemand glaubt, ich hätte Beweise.«

»Beweise?« Han drehte sich zu ihr um. »Für CorSecs Kollaboration?«

Leia nickte. »Davor haben sie Angst.«

»Das ergibt Sinn«, sagte Han. »Allerdings kann man nicht wirklich sicher sein.«

»Was habe ich denn sonst während des letzten Jahres getan?«, fragte Leia. »Und niemand hat versucht, mich vor Jacens Bericht zu töten − wenigstens niemand von unserer Seite.«

»CorDuro steht nicht ganz auf unserer Seite, Liebes.«

Han öffnete eine taktische Verbindung zum Navcomputer-Display, damit Leia auf ihrem Platz hinten die Ereignisse mitverfolgen konnte. Eine Minute später hatten sich die Korvette und der Frachter zu einem einzigen Echoimpuls verbunden, und Izal Waz öffnete einen Subraum-Kanal und verkündete die Koordinaten des Rendezvous.

»Ich dachte, wir hätten Funkstille verordnet?«, meinte Han.

»Sie sind nah genug«, sagte Tesar.

Ein paar Sekunden später hörte man eine nervöse Stimme von der Star Roamer. »Wer war das?« Da niemand antwortete, fragte die Stimme erneut: »Unidentifizierter Transmitter, antworten Sie, und geben Sie sich zu erkennen.«

Natürlich taten sie das nicht. Kurz darauf begann die Elektronik zu zischen und zu spucken, als der Frachter auf aktive Sensoren umschaltete und in ihre Richtung suchte. Leia war sicher, der Falke würde nicht entdeckt werden. Der Asteroid, auf dem sie standen, war zwar nur einige Male größer als das Schiff, aber Han hatte den Falken neben einem zehn Meter hohen Hügel abgestellt, und Standardsensoren würden die Silhouette des Schiffes hier nicht erkennen.

Das Zischen verschwand, und wieder verstrich eine Minute. Das taktische Display wurde leer, weil die beiden anderen Schiffe wegen der Drehung des Asteroiden außer Sicht gerieten, dann gab es statisches Rauschen, weil die Sensoren auf die Sonne gerichtet waren. Als das Rauschen aufhörte, waren die Roamer und die Korvette der Yuuzhan Vong wieder getrennte Impulse.

Tesar zischte niedergeschlagen. »Sie werden…«

Er wurde unterbrochen durch das Heulen des Annäherungsalarms. Neue Impulse erschienen auf dem Bildschirm und näherten sich von fünf Seiten. Sie feuerten Laserblitze und sogar Langstrecken-Ionentorpedos ab. Die Yuuzhan Vong wollten den Angriff abwehren, wie es die Yuuzhan Vong eigentlich immer taten. Die Roamer floh in die einzige Richtung, die ihr offen blieb: auf den Falken zu.

Han und Izal begannen mit der Startsequenz, während Leia sich mit der Frage beschäftigte, ob sie den Frachter abfangen konnten, ehe der in den Hyperraum sprang. Unter den Impulsen auf dem taktischen Display erschienen Hinweise auf deren Identität. Es handelte um eine bunte Mischung alter T-65-X-Flügler und noch älterer Y-Flügler, dazu zwei Skipray-Kanonenboote. Einige der Transponderkodes der Neuankömmlinge blinkten schon, um Schaden anzuzeigen, und die Yuuzhan Vong hatten noch nicht einmal gefeuert.

»Das ist die traurigste Piratenbande, die ich seit einiger Zeit gesehen habe«, meinte Leia. »Wen hat Meisterin Saba für diese Aufgabe angeheuert?«

»Niemanden. Daz ist unser Geschwader, die Wilden Ritter.« Tesar lächelte stolz. »Ich fliege einen sehr guten Y-Flügler.«

Jede Notwendigkeit einer Entschuldigung wurde durch den Annäherungsalarm ausgeräumt. Ein weiteres Schiff, ein schneller Frachter mit Namen Jolly Man, kam aus dem Hyperraum, um der Roamer den Weg abzuschneiden. Das CorDuro-Schiff blieb auf Kurs, begann zu feuern und schickte winzige Lichtnadeln in die Dunkelheit hinaus. Ein Trio uralter Z-95-Kopfjäger fiel aus dem Bauch der Jolly Man und hielt auf sie zu. Die Roamer wollte ausweichen − dann plötzlich änderte sie die Meinung und hielt auf die winzige Sonne zu.

»Die steuern direkt auf die Schwerkraftquelle zu! Auf einen weißen Zwerg!« Han gab Schub auf die Ionentriebwerke − die noch ein wenig kalt waren − und startete den Falken. »Die müssen verrückt sein.«

»Nein«, sagte Tesar. »Die haben Angst.«

Der Grund wurde einen Augenblick später sichtbar, als ein Impuls hinter einem Asteroiden auftauchte und die Verfolgung aufnahm. Der Name Sureshot tauchte daneben auf, zusammen mit der Legende, die das Schiff als CEC YT-1300-Frachter identifizierte − das gleiche Schiff wie der Falke.

»Sie ist nicht so schnell wie der Falke«, sagte Izal Waz stolz. »Aber… nun, sie fliegt.«

Die Roamer wich der Sureshot aus, doch das abrupte Manöver gab den Kopfjägern der Jolly Man Zeit aufzuholen. Sie flogen ein paar Mal vorbei, schalteten die Energieschilde aus und zwangen den Kapitän zu der Entscheidung, Zeit mit Manövern zu vergeuden oder sich ein Loch in den Rumpf schießen zu lassen. Schließlich aktivierte die Sureshot ihren Traktorstrahl und erfasste das Ziel.

Die Roamer gab die Manöver auf und beschleunigte weiter, feuerte auf die Sureshot und zog den kleineren Frachter hinter sich her. Die Kopfjäger kümmerten sich bei zwei Vorbeiflügen um das Kanonenfeuer, aber sie konnten den Antrieb nicht ins Visier nehmen, ohne in den Traktorstrahl zu geraten. Die Sureshot wendete um neunzig Grad, um den Vektor zu ändern, doch der Kurs veränderte sich nicht merklich. Die Triebwerke kamen gegen die Kombination aus Schubkraft des Frachters und Anziehungskraft des weißen Zwergs nicht an.

»Klug«, sagte Leia. »Er gibt der Sureshot eine Wahl − entweder aufzugeben oder in die Sonne gezerrt zu werden.«

»Tesar«, sagte Han, »wie lange dauert es noch bis zu dem Punkt, an dem eine Umkehr nicht mehr möglich ist?«

Tesar hatte diese Berechnungen bereits angestellt. »Zehn Minuten«, sagte er. »Unz bleiben fünf Minuten, biz wir in Traktorstrahlreichweite kommen.«

Han öffnete einen Kom-Kanal. »Dranbleiben, Sureshot. Hilfe ist schon unterwegs.«

»Hauptsache, es dauert nicht den ganzen Tag«, lautete die Antwort.

Leia holte in den nächsten Minuten kaum Luft, während der Falke sich näherte. Die Kopfjäger griffen die Roamer immer wieder an, doch handelte es sich dabei eher um eine Belästigung. Auf Leias Empfehlung hin öffneten sie einen Kanal zu dem Kapitän und versprachen ein mildes Urteil im Tausch gegen Kooperation mit dem Geheimdienst der Neuen Republik. Der Kapitän versprach, die Sureshot nicht in die Sonne zu zerren, wenn sie den Traktorstrahl abschaltete, dann schloss er den Kanal. Izal Waz schlug vor, der Mannschaft Freiheit im Tausch gegen die Bacta-Tanks zu versprechen, aber Leia verwarf diese Idee. Wenn der Kapitän erfuhr, worauf sie eigentlich aus waren, bestand die Gefahr, dass er die Tanks aus reiner Rachsucht zerstörte.

Also warteten sie und beobachteten das taktische Display, während die anderen beiden Ketten der Wilden Ritter das Schiff der Yuuzhan Vong als Übungsziel nutzten. Obwohl das Schiff eine erstaunliche Menge an Plasma und Magma in den Raum schleuderte, befanden sich die antiken Sternjäger stets dort, wo der Angriff nicht stattfand. Oder sie hatten die Schilde im richtigen Moment an der richtigen Stelle, oder sie überraschten die Schützen der Yuuzhan Vong. Die feindliche Korvette löste sich Stück für Stück auf, dann immer schneller, und schließlich flog sie auseinander und vermischte sich mit dem Staubring.

Han pfiff. »Wo waren die, als die Yuuzhan Vong Ithor angegriffen haben? Die Neue Republik könnte ein paar mehr Piloten von diesem Kaliber gebrauchen.«

»Dieser hier glaubt, Meister Luke hätte dem nicht zugestimmt«, sagte Tesar. »Unz wurde verständlich gemacht, dasz Jedi nicht wie Soldaten jagen sollen.«

»Seid ihr alle Jedi?«, fragte Leia.

»Die Piloten schon, ja.«

Die große Silhouette des damorianischen Frachters verdeckte die kleine Sonne vor ihnen; die glühenden Ionentriebwerke glitten über das Cockpit des Falken hinweg, als Han heranflog. Die kleinere Scheibe eines YT-1300 erschien seitlich unter ihnen, und ihr Rücken war wie ein Kaleidoskop aus jenen Grundfarben lackiert, wie sie von den Arcona bevorzugt werden. Die Kopfjäger waren kaum zu sehen, das Trio der winzigen, schwarzen Kreuze jagte Blitze aus ihren Laserkanonen auf den einen halben Kilometer langen Rumpf der Roamer.

Han sprach ins Interkom. »Meine Damen, wir zählen darauf, dass Sie das Triebwerk der Roamer ausschalten. Izal, warum aktivieren Sie nicht den Traktorstrahl?«

»Bin schon dabei.«

Der Arcona löste den Gurt und erhob sich. Der Anblick des riesigen Rumpfes allein überzeugte Leia, dass sie die Richtung des Frachters nicht rechtzeitig ändern konnten.

»Han«, sagte sie, »das ist nicht der richtige Weg.«

Han drehte sich halb zu ihr um. »Ich lausche.«

»Müsste es nicht über der Brücke eine Notluke geben?«

»Ja − die ist nur von innen verschlossen.«

»Gleichgültig«, meinte Leia. »Wir haben Jedi.«

Han runzelte die Stirn. »Die Mannschaft von CorDuro wird sie erwarten.«

»So?«, fragte Tesar. »Wir haben Jedi.«

Aus irgendeinem Grund schien Izal Waz nicht richtig zu verstehen, und Tesar brach in ein Zischen aus. Leia zeigte Han die Finger einer Hand.

»Wir haben noch fünf Minuten«, sagte sie. »Ich kann mit dem Caisson umgehen.«

»Viereinhalb Minuten«, berichtigte Izal Waz und ging nach hinten.

»Zwei genügen.« Tesar zischte erneut. »Wir haben Jedi.«

»Richtig.« Han zog seinen Blaster und reichte ihn Leia. »Ich hoffe nur, wir haben auch noch Jedi, wenn die Sache vorüber ist.«

Leia fuhr voraus zum Backbord-Andockring, wo Bela und Krasov bereits in ihren braunen Jedi-Roben warteten. Sie bildeten einen erstaunlichen Gegensatz zu Izal Waz, der, um die Wahrheit zu sagen, in seiner zerschlissenen Fliegerjacke eher komisch wirkte.

Han stellte den Falken auf die Seite und brachte ihn in eine Position über dem Andockring. Die Roamer versuchte, ihnen zu entwischen, aber Han war ein zu guter Pilot, um sich von einem so schwerfälligen Schiff ausmanövrieren zu lassen. Leia bekam beim dritten Versuch den Caisson über den Andockring, dann aktivierte sie die Magnetklammer und gab Druck in den Gang.

»Drei Minuten«, warnte Han. »Wenn es bis dahin nicht passiert ist…«

Tesar öffnete die Luke − und zischte unwillkürlich, als ihn ein Blasterblitz an der Schulter traf. Von ihrem Stuhl aus erhaschte Leia einen Blick auf ein angreifendes Mitglied der gegnerischen Besatzung in CorDuro-Uniform und schoss zweimal, dann sprangen die zwei Hara-Schwestern mit gezündeten Lichtschwertern durch die Tür. Der Mensch schrie und ging zu Boden. Zwei Blastergewehre eröffneten das Feuer aus der gegenüberliegenden Luke. Der Tunnel füllte sich mit Blitzen, was ungefähr zwei Sekunden andauerte; dann drangen die Barabels in die Roamer ein.

Izal Waz folgte, trat über die beiden Leichen im Caisson und stieß mit einem Tritt einen weiteren Angreifer aus dem Weg, als er den Frachter enterte. Tesar reagierte langsamer, riss den Stoff von seiner Schulter und enthüllte ein rauchendes Loch und versengte Schuppen.

Leia bewegte ihren Stuhl vor. »Tesar, wie schlimm ist es?«

»Sehr schlimm«, knurrte er. »Meine beste Robe.« Er schob eine Kralle durch das Loch.

Dann zischte er ausgelassen, sprang durch die Luke und folgte seinen Gefährten in die Star Roamer.

Leia starrte ihnen still hinterher. Als die Luke am anderen Ende des Caissons sich schloss, machte sie die Luke des Falken zu und zog den Caisson zurück. Dann schaute sie auf die Uhr.

Zwei Minuten.

Sie aktivierte das Interkom. »Han, wir sind fertig. Vielleicht können wir noch ein bisschen Zeit gewinnen, wenn wir…«

»Nicht notwendig«, erwiderte Han. »Die Roamer hat den Kurs geändert.«

»Haben sie sich ergeben?«, fragte Leia. »Gut. Vielleicht finden wir jetzt heraus, wer mich unbedingt umbringen will.«

»Hm, vielleicht nicht«, meinte Han. »Sie haben sich nicht direkt ergeben.«

»Nicht direkt ergeben?« Leia überprüfte die Luke zweimal, dann machte sie sich zum Hauptfrachtraum auf. »Wovon sprichst du da?«

»Die Sensoren zeigen zwei Rettungskapseln.«

»Hier?«

Leia erreichte den Hauptfrachtraum und fuhr zur Maschinenstation, wo sie das Bild der Rettungskapseln sah, die sich von der Star Roamer entfernten. Bei der Geschwindigkeit würden sie drei Jahre brauchen, ehe sie die nächste bewohnbare Welt erreichten. Allerdings würden sie wohl kaum so lange unterwegs sein. So wie es aussah, wurden beide Kapseln bereits von dem weißen Zwerg angezogen.

Izal Waz’ Stimme kam atemlos aus den Lautsprechern. »Star Roamer gesichert«, sagte er. »Und wir haben genug Bacta, um einen See zu füllen.«

»Izal«, fragte Leia über das Interkom. »Was ist mit der Mannschaft?«

»Meinen Sie Überlebende?«

»Ja, Überlebende«, sagte Leia.

Einen Augenblick lang herrschte Stille, dann senkte Izal die Stimme zu einem Flüstern. »Nun, was würden Sie tun, wenn Sie sehen, wie drei wütende Barabels auf Sie losstürmen?«