40

 

Hager und dünnlippig, mit der häufig gebrochenen Nase und einem schwarzen Plaeryin Bol in der umstrukturierten Augenhöhle, war Nom Anor der bekannteste Yuuzhan Vong in der Galaxis. Bei dem gefiederten Wesen, das an seiner Seite hüpfte, sah die Sache anders aus. Es war ein wenig größer als hüfthoch, die Kniegelenke waren umgekehrt angeordnet, es hatte biegsame Ohren, spiralförmige Fühler und zarte Barthaare an einem breiten Affenmund. Jacen hatte noch nie ein solches Wesen gesehen, und doch hatte er das unheimliche Gefühl, er hätte es kennen sollen.

Auf halbem Weg zu ihrem Ziel − zu der Rampe, wo Ganner den Yuuzhan Vong am Rettungsschiff unabsichtlich beleidigt hatte − blieb dieses Wesen stehen und wandte den Kopf in seine Richtung. Obwohl eine doppelte Fenstermembran und über hundert Meter Landegrube zwischen ihnen lagen, sah es ihn direkt an. Es ließ den Blick lange genug auf ihm ruhen, dass ihn ein kalter Schauder überlief, dann lächelte es verschlagen und flatterte vorwärts zu Nom Anor.

Neben Jacen flüsterte Ganner: »Es kann uns nicht gesehen haben!« Trotzdem zog er sich tiefer in den Schatten zurück. »Es hat nur zufällig herübergeschaut.«

»Es hat uns gefühlt«, sagte Jacen und senkte das Elektrofernglas. »Und darüber hinaus hat es unsere Besorgnis gespürt.«

Er fügte nicht hinzu, dass dieses Wesen dazu die Macht benutzt hatte. Ganner war offensichtlich zu dem gleichen Schluss gekommen, wie der Schock verriet, der von ihm ausstrahlte.

»Was ist los bei euch?«, fragte Jaina und gesellte sich in dem Bogengang zu ihnen. »Ihr fühlt euch an, als hättet ihr die Stimme des Imperators gehört! Sagt mir nicht, ihr hättet Angst vor ein paar Yuuzhan Vong.«

»Es waren mehr als ein paar.« Jacen reichte ihr das Elektrofernglas. Ihre Gefühle wirkten seltsam zusammenhanglos, wie oft, wenn ein Kampf unmittelbar bevorstand, aber er konnte sie für ihre Leistung nicht kritisieren. Als die Knallkäfer auf sie zugeflogen waren, hatte sie sich als die Stabilste und Vernünftigste im Kommandoteam erwiesen. Jacen ignorierte die Kompanie Yuuzhan-Vong-Krieger, die vor Nom Anors Shuttle aufmarschierte, und zeigte auf das vogelähnliche Wesen. »Aber Nom Anors Begleiter macht mir Sorgen. Ich glaube, das Wesen hat mich in der Macht berührt.«

Jaina betrachtete das seltsame Ding. »Bist du sicher?«

»Sicher nicht«, stellte Jacen klar. »Aber überzeugt.«

»Ich auch«, stimmte Ganner zu. »Dieses Lächeln…«

»Hm.« Jaina runzelte nachdenklich die Stirn. »Erinnern euch Federn an irgendetwas?«

»Ich denke, sie sollten«, meinte Jacen. »Aber so ein Geschöpf habe ich noch nie gesehen.«

»Tut mir Leid, ich habe vergessen, dass der Geheimdienst der Neuen Republik sich in letzter Zeit nicht mehr mit Onkel Luke austauscht«, sagte Jaina. »Wir haben im Renegaten-Geschwader ein paar interessante Hologramme gesehen. Das ist Vergere.«

»Vergere?« Jacen stockte der Atem.

Vergere war in einen der ersten Anschlagsversuche auf die Jedi verwickelt gewesen, aber von ihr stammten auch die heilenden Tränen, die Maras Krankheit besiegt hatten. Bis heute herrschte Uneinigkeit, ob Vergere eine Freundin oder eine Feindin der Jedi war, ob sie lediglich der Liebling einer Attentäterin oder eine Agentin in eigener Sache war.

»Entweder ist es Vergere oder jemand, der ihr sehr ähnlich sieht«, meinte Jaina. »Und wenn sie dich in der Macht berührt hat, dürfen wir annehmen, dass sie mehr als der kleine ›Liebling‹ dieser Attentäterin war.«

Ganner nickte. »Sie hat uns gewissermaßen auf die Mörderin hingewiesen.«

»Dessen bin ich mir nicht so sicher«, meinte Jacen. »Wenn sie an dem Komplott beteiligt war, warum hat sie Mara dann das Leben gerettet? Warum hat sie jetzt nicht einfach Alarm geschlagen?«

»Vielleicht haben wir uns getäuscht«, schlug Ganner vor. »Möglicherweise hat sie uns gar nicht bemerkt.«

»Ich habe aber sie bemerkt«, beharrte Jacen.

Die Diskussion wurde durch die Ankunft von Anakin und dem Rest des Kommandoteams beendet. Die beiden Dunklen Jedi, Lomi und Welk, befanden sich bei ihnen, trugen nun wieder ihre dunkle Rüstung und waren in Teklis Bacta-Verbände gehüllt. Jacen schämte sich, weil er sich insgeheim wünschte, die Gruppe hätte die Identität der beiden gekannt, bevor sein Bruder sich entschied, sie zu retten; trotzdem hätten sie bestimmt einen Versuch dazu unternommen, aber nachdem sie die Königin erledigt hatten.

Ganner reichte das Elektrofernglas Anakin in dem Augenblick, als Nom Anor und Vergere ihr Ziel erreichten. Der unbewaffnete Yuuzhan Vong, der das Kommandoteam zuvor angesprochen hatte, erschien auf der Rampe und sprach mit Nom Anor. Als Vergere sich mit einem scharfen Kommentar einmischte, erstarrte er, brachte salutierend die Faust an die Schulter und bezog sie in das Gespräch mit ein.

Anakin richtete das Elektrofernglas auf die Soldaten vor Nom Anors Shuttle. »Wie viele…«

»Zu viele, um gegen sie zu kämpfen«, antwortete Jacen.

Anakin ignorierte ihn und sah Ganner an. Jacen, den die Kränkung weniger aufregte, sondern eher enttäuschte, schluckte seinen Stolz hinunter und schwieg. Schließlich hatte sein Bruder um eine Information gebeten, nicht um einen Rat.

Ganner sagte: »Ich habe hundertvier Krieger gezählt − vermutlich drei Züge und ein Offizier.«

Anakins Miene blieb unverändert, doch Jacen spürte Sorge bei seinem Bruder. Ihr erster Plan war bereits fehlgeschlagen, und nun schien auch ihr zweiter zu scheitern. Er tat sein Bestes, um Anakins Befürchtungen zu mildern, damit die anderen durch das Kampfgeflecht nicht so viel davon mitbekamen.

Lomi trat zu Anakin. »Wir können in den Abrichtebereich eindringen. Dort gibt es einen Zugang zum Laboratoriumskomplex.«

Jacen sah, wie Welk erbleichte − und er fühlte seinen Schrecken durch die Macht.

»Was ist der Abrichtebereich?«, fragte Jacen.

»Dort richten die Yuuzhan Vong die Voxyn darauf ab, uns zu jagen«, erklärte Welk. Trotz seiner Angst wollte er seine Meisterin unterstützen − vielleicht hatte er vor ihr mehr Angst als vor den Voxyn. »Die Voxyn stellen für uns kein Problem dar, wenn wir so viele sind.«

»Solange Skywalkers Schüler tatsächlich ihrem Ruf gerecht werden«, stichelte Lomi mit einem höhnischen Grinsen. »Die Wahl liegt bei dir, junger Solo.«

»Wir haben unseren Ruf zu Recht«, sagte Anakin.

Der unbewaffnete Yuuzhan Vong bei Nom Anor zeigte zu den Kolonnaden beim Gefängnisbereich, wo sich die Gruppe versteckte.

»Ich glaube, er erklärt ihm nicht, wo er mal austreten kann«, meinte Ganner. »Die Sache wird langsam gefährlich.«

»Nicht gefährlich, sondern interessant«, erwiderte Anakin. Er wich ein Stück zurück und winkte Lomi mit sich. »Du gehst voran.«

Zekk ging auf ihn zu. »Anakin, was hast du vor?«

Jacen tat sein Bestes, um den Aufruhr und die Entrüstung zu dämpfen, die ins Kampfgeflecht flossen, doch Zekks Gefühle waren zu stark. Sie lösten bei Raynar und Eryl Feindseligkeit und Groll aus, bei den Barabels sogar noch Übleres.

Anakin blickte zur Landegrube zurück, wo Nom Anor und Vergere vor ihren Soldaten gestikulierten. »Wir schaffen es nie, den Raumhafen zu umkreisen. Deshalb müssen wir Lomi durch den Abrichtebereich folgen.«

»Sie ist eine Nachtschwester!«, fuhr Zekk fort. »Du kannst ihr nicht trauen − du kannst sie nicht einmal mitnehmen.«

»Zekk, wir haben keine Wahl«, sagte Jacen. Er freute sich über die Gelegenheit, seinen Bruder unterstützen zu können − vielleicht würde Anakin ihm dann seinen Fehler an Bord der Exquisite Death verzeihen. »Wenn wir sie hier lassen, können wir sie auch gleich eigenhändig töten.«

»Schlimmer«, sagte Lomi und führte sie an den Haftzellen vorbei. »Vermutlich habt ihr keine Reserveschwerter dabei, aber vielleicht einen Blaster…«

»Ich sagte, wir brauchen euch, nicht, dass wir euch vertrauen«, meinte Anakin.

Lomi lächelte arglistig. »Wie du möchtest.«

Sie wandte sich einem Korridor zu, der so dicht mit Ysalamiri-Bäumen bewachsen war, dass sich Jacen fühlte, als wandere er durch einen Dschungel auf Yavin 4. Das Kampfgeflecht löste sich kurz auf, als sie ein Areal betraten, wo die Ysalamiri die Pheromonkapsel nicht gerochen hatten, dann wurde der Gang so eng, dass selbst Tekli seitlich gehen musste. Wären die Wände nicht von einem schlüpfrigen Belag aus Mehltau überzogen gewesen, hätte sich Lowbacca wohl gar nicht hindurchzwängen können.

Auf der anderen Seite öffnete sich der Gang zu einem Wald bitter riechender Bäume mit hängenden Kronen und messerförmigen Blättern. Durch das Laub sah Jacen, dass sie in einem schluchtartigen Bereich gelandet waren, der vielleicht hundert Meter breit und halb so tief war, und über den Baumwipfeln spendete ein »Himmel« aus Leuchtflechten Licht.

Hier blieb Lomi stehen. »Haltet eure Waffen bereit. Die Abrichter haben gerade mit einem Rudel gearbeitet, als ihr eingetroffen seid, und sie haben uns eilig fortgeschafft. Die Voxyn können überall sein.«

Jacen blickte zurück durch den schmalen Spalt aus Yorikkoralle, durch den sie gekommen waren. »Und warum sind sie euch nicht in den Gefängnisbereich gefolgt?«

»Der Pilz«, erklärte Lomi. »Sie können sich nicht an den Wänden festhalten, und ansonsten ist der Gang zu schmal für sie.«

Sie warteten ab, bis Lowbacca und Ganner jeweils eine Detonit-Tretmine gelegt hatten, dann gingen sie weiter den Weg entlang. Jacen stellte das Kampfgeflecht wieder her, und die Dissonanzen innerhalb der Gruppe trafen ihn hart. Angesichts der Tatsache, dass die Dinge nicht so liefen wie gewünscht und alle wegen eines Voxyn-Hinterhalts nervös waren, ging es rau zu.

Lomi führte das Kommandoteam und bog in einen Gang ab, den Jacen nicht einmal bemerkt hatte. Die Bäume wurden sofort dunkler und dichter, von den Zweigen hingen lange Bärte aus schwankendem Moos. Sie waren noch keine fünfzig Schritt durch diesen Bereich vorangekommen, da ertönte hinter ihnen dumpfes Krachen, dem kurz darauf das gedämpfte Poltern fallender Steine folgte.

»Minenexplosion bestätigt«, berichtete 2-4S. »Verlustschätzung nicht verfügbar.«

»Erzähl uns etwas, das wir noch nicht wissen«, meinte Tahiri.

Lomi bog noch mehrmals ab, und Tahiris Kommentare wurden bissiger, während der Wald zunehmend dichter und dunkler wurde. Zwei Korallenskipper flogen vorbei, wendeten knapp unter der Decke und kamen im Sturzflug bis zu den Baumwipfeln runter.

»Anwesenheit wurde entdeckt«, warnte 2-4S.

Lomi scheuchte das Team tiefer in einen sumpfigen Canon, wo Bäume mit schuppiger Rinde aus dem grünen Wasser wuchsen.

»Zwei-vier-S, sichere die Wegkreuzung«, befahl Anakin.

»Bestätige«, erwiderte der Droide.

Sie waren kaum hundert Platscher weit gekommen, da hallte das Wumpf-wumpf des Droidenblasters durch den Canon.

»Vorderes Schiff zerstört«, meldete 2-4S über Komlink.

Das Feuer dauerte noch eine Sekunde an, ehe es von dem brüllenden Zischeln eines Plasmavulkans beantwortet wurde. Durch die Baumwipfel erhaschte Jacen einen Blick auf die dunkle Scheibe eines Korallenskippers, der auf den Canon zuhielt, während ein Fächer dunklen Nebels aus seinem Bauch sprühte.

»Atemmasken!«, rief Jacen.

Die meisten Angehörigen des Kommandoteams zogen ihre Masken bereits über die Gesichter, doch die beiden Dunklen Jedi konnten ihnen nur hilflos zuschauen. Lomi wandte sich mit ausgestreckter Hand an Anakin.

»Ich brauche eine Maske.«

»Halt den Atem an«, sagte Zekk gehässig.

»Und wer wird uns führen, wenn sie fällt?«, wollte Alema wissen.

Die Twi’lek warf ihre Atemmaske über den Sumpf und ließ sie mithilfe der Macht in Lomis Händen landen, dann hörte man von der Kreuzung her das Dröhnen von Raketentriebwerken. Jacen sah zurück und entdeckte den Droiden, der auf einer Säule gelber Flammen aus dem Sumpf aufstieg und aus allen Waffensystemen auf die Nase des Korallenskipper feuerte. Der feindliche Pilot konterte mit zwei Plasmakugeln auf die Brust. YVH 2-4S wurde von einem Ball aus weißen Flammen eingehüllt, doch gelang es ihm noch, sich auf den herankommenden Korallenskipper zu stürzen und dort seine Selbstzerstörung zu aktivieren.

Korallenskipper und Droide gingen in einem leuchtenden Blitz unter. Jacen sah Punkte vor den Augen, dann warf ihn die Schockwelle rückwärts in das Wasser. Tenel Ka fing ihn mit ihren starken Armen auf. Nachdem sie ihn auf die Beine gestellt hatte, sagte sie etwas, das er wegen des Pfeifens in seinen Ohren nicht verstehen konnte, aber das damit ausgedrückte Gefühl erkannte er über das Kampfgeflecht: Seine Atemmaske würde ihm nichts nützen, wenn sie ihm um den Hals baumelte.

Jacen zog sie sich über den Kopf. Die Zerstörung von 2-4S setzte ihm zu. Der Droide war nicht nur ein wertvoller und respektierter Kamerad gewesen; nach der Vernichtung der beiden Droiden war das gesamte Kommandoteam wesentlich schlechter geschützt. Jetzt waren sie auf sich selbst angewiesen.

Als die Punkte vor seinen Augen verschwunden waren, sah Jacen eine Wolke öligen Rauchs, der durch den Canon auf sie zutrieb. Darunter hing der dunkle Nebel, den der Korallenskipper gerade versprühte, als 2-4S ihn abgeschossen hatte. Er drehte sich um und wollte die anderen warnen, doch Anakin winkte das Team bereits vorwärts − dann fühlte er die vertraute Erregung eines Voxyn irgendwo vor sich.

»Sith-Blut!« Tahiri nahm ihr Lichtschwert in eine Hand und den Blaster in die andere. »Wann läuft denn irgendwann mal etwas ohne Probleme?«

Ein Wald aus Lichtschwertern erwachte zum Leben, und Anakin befahl: »Geht weiter − bleiben wir lieber vor diesem Nebel, bis er sich aufgelöst hat.«

Die Barabels setzten ihre Ohrhörer ein, dann ließen sie sich auf den Bauch fallen und glitten durch das Wasser, wobei sie sich leise mit den dicken Schwänzen vorwärts bewegten. Der Rest des Kommandoteams setzte ebenfalls die Ohrhörer ein und watete hinter den Brutgefährten her, manche mit den Blasterwaffen in der Hand, andere mit den Lichtschwertern und wieder andere mit beidem.

Sie waren keine zwanzig Meter weit gekommen, als ein lautes Rauschen durch die Bäume über ihnen wogte, und Jacen spürte, wie überrascht Bela war. Er zeigte auf ihre Seite der Schlucht und wollte Alarm geben, doch die anderen bewegten sich bereits spritzend in ihre Richtung.

Die Barabel schoss aus dem Wasser, klatschte mit dem Körper an einen nahen Baumstamm und krabbelte nach oben. Hinter ihr tauchte die flache Schnauze eines Voxyn auf, dessen perlende Lippen sich gerade verzogen, um Säure zu sprühen. Ein Hagel von Blasterblitzen ging auf den Kopf des Wesens nieder. Einige trafen nur Schuppen und prallten ohne Schaden ab, doch viele brannten sich durch oder fanden das weiche Gewebe um die Augen und Ohrenschlitze herum. Ganner und Alema sprangen vor und hackten mit den Lichtschwertern den rauchenden Kopf ab. Den Halsstumpf mit dem Körper ließen sie wieder unter die Oberfläche sinken.

»Gefunden!«, rief Bela und ließ sich wieder in den Sumpf fallen.

Die drei Barabels brachen hinter den Atemmasken in einen Zischanfall aus, dann erreichte sie der Nebelschleier, und winzige Tröpfchen schwarzen Dunstes vermischten sich mit dem Wasser.

»Alema, Welk − ins Wasser!«, schrie Jacen.

Alema war bereits unter Wasser, als er seine Warnung beendet hatte, doch Welk, der in das Kampfgeflecht nicht eingebunden war, bewegte sich langsamer. Er blickte sich einen Augenblick verwirrt um, dann begriff er schließlich, was vor sich ging, und warf sich ins Wasser − aber Sekunden später tauchte er wieder auf und trieb mit dem Gesicht nach unten auf der Oberfläche.

Lomi benutzte die Macht, um ihn zu sich zu holen, und hielt ihn, während Tekli ihn untersuchte.

»Er atmet normal«, sagte die Chadra-Fan. »Ich glaube, er ist nur…«

Sie unterbrach sich, als sie − und alle anderen im Kampfgeflecht − plötzlich Panik von Alema spürten.

»Was glaubst du?«, fragte Lomi, die nicht wusste, was bei den anderen passierte. »Wird er sich erholen, oder muss ich…«

Ein Zischen von Flüssigkeit, die sich in Dampf verwandelt, schnitt ihr das Wort ab, als Alema ihr Lichtschwert unter Wasser aktivierte. Die Twi’lek sprang in einer Nebelwolke aus dem Sumpf und nutzte die Macht, um einen Salto rückwärts über Ganner hinweg zu machen.

»Noch ein Voxyn!«, schrie Alema und zeigte nach vorn. »Es hat mich am…«

Sie schloss die Augen, ehe sie ausgesprochen hatte, und spritzte Wasser auf ihren Rücken. Ganner und Bela aktivierten ebenfalls ihre Lichtschwerter und wichen zurück, wobei sie nach allen Seiten ins Wasser stachen. Jacen konzentrierte sich darauf, die negativen Gefühle des Teams zu beschwichtigen, und sorgte für die Effizienz des Kampfgeflechts. Anakin setzte die Macht ein, um Alema aus der Gefahrenzone zu heben und sie zu Tahiri schweben zu lassen.

»Übernimm sie.« Anakin zeigte zurück zu dem düsteren Wald, wo die Korallenskipper sie entdeckt hatten. »Nimm Lomi und Tekli, und wartet am Ufer auf uns.«

»Ich?« Tahiri ließ die Twi’lek halb ins Wasser sinken, ehe sie mit der Macht zupackte und sie schweben ließ. »Warum muss ich…«

»Weil Anakin dich darum gebeten hat«, sagte Jacen. Er streckte die Hand zu der Stelle aus, wo Alema gefallen war, und holte sich das Lichtschwert der Twi’lek, dann legte er es dem Mädchen in die Hand. »Keine Zeit für Eifersüchteleien, Tahiri.«

»Ich bin nicht eifersüchtig«, fauchte Tahiri. »Nur werde ich nicht gern wie ein kleines Kind nach hinten geschickt.«

Damit deutete sie auf Lomi und Tekli, dann nahm sie Alema und zog sich zu dem Canon zurück. Jacen aktivierte sein Lichtschwert und gesellte sich zu den anderen, die nach dem Voxyn suchten, sah jedoch, wie die Barabels eine Reihe Granaten mit Erschütterungszündern in dem Kanal verteilten. Eine gute Idee.

»Los, zurück«, befahl Anakin und stimmte dem Plan zu, ehe die Barabels ihn ausgesprochen hatten. »Passt auf die Bäume auf − wir wollen schließlich nicht, dass jemand von einem erschlagen wird.«

Die Barabels warfen ihre Granaten jeweils simultan und arbeiteten sich von dem entferntesten Punkt vor, den das Voxyn ihrer Meinung nach erreicht haben konnte. Jedes Mal, wenn die Explosionen Wassersäulen in die Luft trieben, spürte Jacen die Druckwelle an seinen Beinen. Beim dritten Mal trieben drei Voxyn mit leeren Augen und blutenden Ohren an die Oberfläche. Ganner und Lowbacca machten den betäubten Bestien mit den Lichtschwertern den Garaus.

»Damit hätten wir vier.« Anakin deaktivierte sein Lichtschwert. »Das ganze Rudel.«

»Vielleicht, aber wir sollten uns besser nicht so sicher fühlen«, sagte Tenel Ka und blickte in Jacens Richtung. »Spürst du noch welche?«

Jacen erkundete die Umgebung mithilfe der Macht. Es dauerte einen Augenblick, doch schließlich entdeckte er eine große Gruppe von Wesen mehrere hundert Meter weiter oben in dem Canon.

»Da sind noch welche«, berichtete er. »Ein halbes Dutzend wenigstens. Sie wirken verwirrt und vorsichtig.«

»Gut«, meinte Tenel Ka. »Dann haben wir genug Zeit, uns einen anderen Weg zu überlegen.«

Anakin nickte, und das Kommandoteam machte kehrt. Zwanzig Meter vor der Wegkreuzung kamen ihnen Tahiri und die anderen entgegen.

»Nein! In die Richtung!« Tahiri zeigte in den Canon zu den Voxyn. »Nom Anor und sein Vogel sind mit ungefähr hundert Yuuzhan Vong hierher unterwegs!«

»Und was jetzt?«, beschwerte sich Raynar. Er schlug sich mit der Hand vor die Stirn und strich sich durch das blonde Haar. »Kann sonst noch etwas schieflaufen?«

Zekk sah Lomi an und wandte sich kopfschüttelnd ab, als wolle er sagen, so etwas passiere, wenn man sich mit Dunklen Jedi einlasse. Jacen begriff, dass er sich mit Zekk über seine Wirkung auf das Kampfgeflecht unterhalten musste, aber Anakin schien den zunehmenden Fatalismus in der Gruppe nicht wahrzunehmen.

Er überging Raynar, klopfte Tahiri auf die Schulter und setzte ein freches Solo-Grinsen auf. »Das ist kein Problem«, sagte er.

Lowbacca knurrte eine Frage, die Em Tede ziemlich genau übersetzte als: »Meister Lowbacca möchte gern wissen, ob Sie Ihren Verstand verloren haben.«

»Schon vor langer Zeit«, antwortete Jaina, lachte allerdings nicht. »Und wenn er denkt, was ich denke, ist es verrückt genug, um zu funktionieren.«

Jacen hoffte, der positive emotionale Impuls, der von Jaina ausging, würde auf die anderen überspringen, und erforschte seine Schwester. Er entdeckte die gleiche Kampfgleichgültigkeit wie vorher. Da er seine Sorge nicht zeigen wollte, fragte er: »Was habt ihr denn vor?«

»Einen Hinterhalt«, antwortete Jaina.

Anakin nickte und zeigte nacheinander auf vier Bäume. »Die begrenzen unser Schussfeld. Wir schließen die Yuuzhan Vong von hinten ein und feuern von allen Seiten.«

Das Kampfgeflecht war stark genug, es brauchte nicht mehr erklärt zu werden. Die Schützenteams brachen zu ihren Posten auf, die Menschen verteilten sich im Wasser entlang der Wand, während Lowbacca Jovan Drark und die Barabels nach oben in die Bäume führte und über dem Kanal ausschwärmen ließ. Tekli benutzte die Macht, um Alema und Welk in den Bäumen weit außerhalb des Kampfbereichs zu verbergen. Jacen stellte sich an den Scheitelpunkt des Winkels, wo er sich so dicht wie möglich bei jedem Mitglied des Kampfgeflechts befand.

Lomi watete zu Anakin, der knapp fünf Meter entfernt von Jacen stand. »Höchst beeindruckend, junger Solo«, sagte sie. »Wo soll ich mich postieren?«

»Bleib einfach aus dem Weg. Du hast keine Waffe.«

Lomi schenkte ihm ein spöttisches Lächeln. »Ein Jedi hat immer eine Waffe, Anakin. Soll ich lieber einen Blaster benutzen oder die dunkle Seite?«

Anakin seufzte, dann wies er Lowbacca über Komlink an, er solle ihr Alemas G-9-Powerblaster und Munitionsgurt geben.

»Anakin, das darfst du nicht machen!«, protestierte Zekk. Er sprach so laut, dass Anakin ihn sogar ohne Komlink hören konnte.

»Die Entscheidung liegt nicht bei dir, Kopfgeldjäger«, sagte Anakin. »Diese Sache könnte ziemlich übel werden, und sie hat ein Recht, sich zu verteidigen.«

»Sag ihm, Welk und ich versprechen, die dunkle Seite nicht zu benutzen − solange wir Waffen haben«, sagte Lomi und grinste höhnisch. »Das sollte ihn beruhigen.«

Anakin gab es weiter.

»Ich nehme an, als Nächstes nimmst du sie in das Kampfgeflecht auf«, erwiderte Zekk sarkastisch.

Über den Kom-Kanal kam ein warnendes Klicken, und die menschlichen Jedi tauchten im Sumpf unter und verließen sich auf die Reservesauerstoffbehälter ihrer Atemmasken. Es dauerte nicht lange, bis sie die Anspannung jener fühlten, die den Anmarsch des Feindes aus den Bäumen beobachteten, obwohl dieses Gefühl fast von den Bedenken überlagert wurde, die Zekk und einige andere wegen einer bewaffneten Dunklen Jedi in ihrer Mitte hegten. Zwar war Jacen ebenfalls nicht sehr glücklich über die Angelegenheit, allerdings schien ihm dies besser als die Alternative, dass Lomi die dunkle Seite einsetzen würde. Er tat sein Bestes, um Zekks Groll zu beschwichtigen und die Emotionen der anderen auf die anstehende Aufgabe zu lenken, aber der Streit setzte ihre Effektivität im Kampf herab. Das spürte er.

Schließlich hörte man das ferne Platschen watender Yuuzhan Vong, das unter Wasser zu ihnen vordrang, und dann verkündete der Übermut der Barabels, dass die Zeit zum Angriff gekommen war. Jacen erhob sich leise aus dem Sumpf und sah eine Horde feindlicher Krieger, die sich mit übertriebener Zuversicht durch den Sumpf bewegten − anscheinend überzeugt davon, dass die Jedi angesichts einer Überlegenheit von wenigstens fünf zu eins niemals angreifen würden.

Offensichtlich hatten sie keine ausreichenden Recherchen über die Solo-Familie angestellt. Jacen entsicherte die Splittergranate in seiner Hand und warf sie mitten unter die nichts ahnenden Yuuzhan Vong, dann hob er den T-21-Repetierblaster und eröffnete das Feuer.

Die Yuuzhan Vong reagierten wie die hervorragend ausgebildeten Krieger, die sie waren. Trotz der Granaten und Blasterblitze, die von allen Seiten auf sie niederprasselten, gerieten sie nicht in Panik oder hilflose Verwirrung. Ihre Offiziere erteilten sofort Befehle und wurden umgehend von Jovan Drarks tödlichem Scharfschützen-Blastergewehr erledigt − dem »Langblaster«. Jacen erhaschte einen Blick auf Nom Anor, der im hinteren Teil der Kompanie in einen Schultervillip schrie, und richtete seinen G-9-Powerblaster auf den Exekutor. Doch konnte er sich nicht überwinden zu schießen − jedenfalls nicht sofort. Es war eine Sache, einen anonymen Feind aus Notwendigkeit zu attackieren, und eine ganz andere, einen äußerst verabscheuungswürdigen Feind zu ermorden. Auf Duro hatte Jacen gelernt − als er zum Handeln gezwungen war, um seine Mutter vor dem Tod durch Tsavong Lah zu retten −, dass ein Jedi die Freiheit besaß, nicht die Pflicht, andere vor dem Bösen zu schützen. Doch eine bestimmte Person aus Wut zu töten, fühlte sich an wie Mord − und ein Gefecht als Vorwand zu benutzen für eine derartig frevelhafte Tat schien ihm der Weg zur dunklen Seite zu sein.

Ehe er die Sache innerlich ausgetragen hatte, trat Vergere aus den Bäumen hervor und stellte sich unabsichtlich zwischen Jacen und sein Ziel. Jacen zog die Waffe hoch und zielte auf Nom Anors Kopf. Vergere sah ihn mit ihren Schlitzaugen an, und kurz trafen sich ihre Blicke, dann packte sie den Exekutor und zog ihn hinter einem Baum in Sicherheit. Jacen drückte ab und beobachtete, wie der Blitz harmlos über den Sumpf hinweg jagte, dann richtete der die Waffe zurück aufs Kampfgeschehen.

Da ihre Offiziere tot waren und die Vonduun-Krabbenpanzer den feindlichen Waffen nicht standhielten, suchten die Yuuzhan Vong unter Wasser Deckung. Jemand rief nach einer »Erschütterungsgranate« über Komlink. Jacen stellte das Feuer ein und zog eine Granate aus seinem Ausrüstungsgurt − aber er hatte keine Ahnung, wer gesprochen hatte, fiel ihm auf. Eindeutig litt das Kampfgeflecht unter den Spannungen in der Gruppe.

»Zwei Sekunden Verzögerung«, sagte Anakin. »Entsichern.«

In der Zeit, die Jacen brauchte, um den Entsicherungshebel umzulegen, gruppierten sich die Yuuzhan Vong neu, und zumindest zwei Dutzend erhoben sich aus dem Wasser und suchten Schutz hinter Bäumen und umgefallenen Stämmen.

»Jetzt.«

Jacen schleuderte seine Granate zusammen mit den anderen ins Zentrum der Feinde, dann riss er den Schnellfeuerblaster hoch und feuerte weiter. Die Oberfläche des Sumpfes wölbte sich nach oben, mehrere Yuuzhan Vong trieben auf dem Wasser, bluteten aus Augen und Ohren und starrten leer in den Himmel.

Ein Schwarm von Knall- und Messerkäfern kam aus den Bäumen, wo sich die Überlebenden verbargen, und Jacen hörte mehrere Jedi trotz der mit Panzerung versehenen Overalls stöhnen, als sie getroffen wurden. Irgendwo erwachte knisternd ein Lichtschwert zum Leben, und Ganner watete vorwärts und schlug die Käfer aus der Luft.

»Ganner!«, sagte Anakin über Komlink. »Was machst du da?«

»Ich kann doch nicht einfach zusehen, wie wir niedergemetzelt werden«, erwiderte er.

Lomi marschierte ebenfalls vorwärts, ihr Körper wand und schlängelte sich, während sie Knallkäfern auswich, und ihr Powerblaster füllte die Luft mit grellen Blitzen, während sie Messerkäfer abschoss. Wenn es auch sonst nichts bewirkte, so beeindruckte ihr Vorrücken die Yuuzhan Vong, die ihr Feuer auf die beiden konzentrierten.

»Wartet!«, sagte Jacen. Zweifelsohne konnten sie losstürmen und die Patrouille auslöschen, doch würde ihnen das nicht ohne Verluste gelingen. »Ich kann sie auseinander scheuchen.« Er spürte, dass Anakin ihn fragen wollte, wie, und erklärte: »Die Voxyn − ich glaube, ich kann sie benutzen.«

»Du glaubst?«, fragte Anakin.

»Ich kann«, versicherte Jacen ihm.

Anakin zögerte kurz. »Versuchen wir es.«

Ganner und Lomi gingen in Deckung, Jacen langte nach den Voxyn, die er vorhin gespürt hatte, linderte mithilfe der Macht ihren Schock und brachte sie zu der Überzeugung, vor ihnen gebe es nichts, das sie fürchten müssten.

Die Voxyn reagierten fast zu gut. Das gesamte Kommandoteam erlebte einen hungrigen Aufruhr in der Macht, als die Bestien sie orteten, dann spürte Jacen, wie die Bestien durch den Canon auf sie zuhetzten. Beide Seiten feuerten nun nur noch sporadisch, die Yuuzhan Vong waren zufrieden, sich verschanzt zu haben, weil sie fälschlicherweise mit baldiger Verstärkung rechneten, und damit wiederum waren die Jedi zufrieden. Jacen dachte daran, Jovan über Kom zu sagen, er möge ein Auge auf Nom Anor und Vergere haben, entschied sich jedoch dagegen. Er bewegte sich näher auf die dunkle Seite zu, als ihm lieb war.

Weniger als eine Minute später brüllte ein Yuuzhan Vong überrascht auf und gurgelte dann nur noch, da ihn ein Voxyn unter Wasser zerrte. Mehrere andere Yuuzhan Vong brüllten ebenfalls, als weitere Untiere zuschlugen, doch stießen nur zwei der Feinde Schreie aus, die auf einen Angriff hindeuteten. Die Voxyn, erkannte Jacen, waren mehr an den Macht-Sensitiven interessiert.

»Aus dem Wasser, sofort!«, sagte er über Kom.

Während seine Jedi-Kameraden sich mithilfe der Macht in die Bäume hoben, aktivierte Jacen eine Splittergranate und warf sie in den Sumpf. Zwar war sie nicht so stark wie eine Erschütterungsgranate, doch würde sie einen Druck erzeugen, der seinen Zweck erfüllte. Er wartete, bis die Granate explodierte, daraufhin stellte er über die Macht Kontakt zu den Voxyn her und ermutigte sie, alles, was sich im Wasser befand, als Angreifer zu betrachten.

Weitere Yuuzhan Vong brüllten auf. Ein paar, die sich aus der Deckung wagten, wurden von Jovan und den Barabels erledigt, aber mehr als zehn blieben in ihren Verstecken und schleuderten weitere Knallkäfer in die Bäume. Jacen stieg nun selbst einen Baum hinauf, löste das Kampfgeflecht auf, das sowieso nicht gut funktionierte, und konzentrierte sich ganz auf die Voxyn. Er warf eine weitere Splittergranate und drängte die Bestien, alles im Wasser zu attackieren.

Die Angriffe der Yuuzhan Vong ließen nach, da sie sich gegen die Voxyn wehren mussten. Einige versuchten, auf Bäume zu klettern wie die Jedi, aber ohne die Unterstützung der Macht waren sie zu langsam für ihre Verfolger. Lowbacca und die Barabels nutzten die Ablenkung, sprangen durch die Baumwipfel und griffen von oben an. Bald schossen sie nur noch auf Voxyn, und einige Erschütterungsgranaten brachten auch die letzte Bestie an die Oberfläche.

Jacen ließ sich in den Sumpf fallen. Er fühlte sich nicht schuldig, weil er die Bestien in ihr Verhängnis gelockt hatte, allerdings war er auch nicht gerade stolz auf sich. Vielleicht hatte Zekk Recht; möglicherweise wirkte sich Lomi allein durch ihre Anwesenheit negativ auf das ganze Team aus. Jacen grübelte immer noch, als Anakin mit Tahiri herangewatet kam. Beide grinsten bis über beide Ohren.

Tahiri packte seinen Arm, zog sich daran hoch und küsste Jacen auf die Wange. »Das war astral!«

»Gut gemacht.« Anakin gab Jacen einen Klaps auf die Schulter, und diese Geste drückte eine Herzlichkeit aus, wie sie sich zwischen den Brüdern seit dem Vorfall auf der Centerpoint-Station nicht mehr eingestellt hatte. »Heute hast du einer Menge Jedi das Leben gerettet.«

Jacen hätte sich über dieses Lob gefreut, wenn der Tag nur schon vorüber gewesen wäre.