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Fast hundert Senatorenbalkone waren leer geblieben, um den ithorianischen Boykott zu unterstützen. Die Wookiees schleuderten Teile ihrer Konferenzkonsole auf das Rednerpodium, wo ein Hologramm des thyferranischen Senators einen Neun-Punkte-Plan erläuterte, mit dem Friedensverhandlungen mit den Yuuzhan Vong eröffnet werden sollten. Das gesamte Personal des Konsulats von Talfaglio war auf den Gängen unterwegs und schrie − brüllte eigentlich − die Forderung, dass die Jedi sich ergeben und so die Geiseln retten sollten. Balmorra verkündete ein Angebot, jede Welt umsonst mit einer Turbolaser-Plattform auszustatten, wenn man ihnen im Gegenzug eine Flotte zur Verteidigung schickte. Sicherheitsdroiden schwebten herum und suchten vergeblich nach einem Dathomiri-Attentäter, der sich Gerüchten zufolge im Saal aufhalten sollte.

Es waren nicht gerade die Umstände, unter denen Borsk Fey’la Tsavong Lahs Gesandten gern empfangen hätte. Ihm wäre es lieber gewesen, ihn im Empfangssaal des Staates zu begrüßen, um bei einer Karaffe mit feinstem endorischen Port in aller Stille eine annehmbare Stellungnahme für die Öffentlichkeit zu verfassen. Doch der Emissär hatte diese Einladung abgelehnt und stattdessen vorgeschlagen, der Staatschef möge ihn beim Verlassen des Schiffes empfangen − eine ehrerbietige Geste, die den Senat weiter gespalten und Borsks bereits bröckelnde Position noch mehr unterminiert hätte. Da man sich nicht auf einen Kompromiss einigen konnte, stand man nun hier, im Großen Plenarsaal des Senates der Neuen Republik, wo die gesamte Galaxis zuschaute. Und keiner hatte eine Ahnung, was der andere tun oder sagen würde. Es war, wie man es so hübsch nannte, einer dieser historischen Augenblicke, in denen ganze Reiche durch die Worte von Politikern aufblühten oder untergingen und man in einer Sekunde die Gunst der Nachwelt erlangte oder verspielte. Staatschef Fey’la fühlte sich, als müsse er sich übergeben.

Der Yuuzhan Vong, der in seiner Robe über der roten Vonduun-Krabben-Rüstung entfernt einem Jedi ähnelte, ließ Borsk warten, während er die dreihundert Meter lange Treppe mit dem Tempo eines auf Dagobah beheimateten Sumpffaultiers herunterstieg. Der Gesandte brauchte keine Leibwächter, jedenfalls erweckte er mit seiner lebendigen Rüstung und dem langen Amphistab in den Händen diesen Eindruck. Dem Zischen und Höhnen vieler Senatoren schenkte er keine Aufmerksamkeit, und noch weniger beachtete er jene Narren, die vortraten und ihm private Unterredungen antrugen. Auch als die Togorianer eine Salve Kafbecher nach ihm warfen, schaute er nur kurz zu den Sicherheitsdroiden hoch, die den Hagel abfingen.

Borsk wünschte sich plötzlich, er hätte den Dienst habenden Sergeanten gebeten, den Yuuzhan Vong zu entwaffnen. Er hatte gedacht, es würde ihn im HoloNet mutig aussehen lassen, wenn er einem bewaffneten Krieger gegenüberstand, doch jetzt war er sich dessen nicht mehr so sicher. Zwar würden die Sicherheitsdroiden den Gesandten beim ersten Anzeichen eines Angriffs betäuben, aber Borsk kannte sich gut genug und wusste, dass die Holokameras seine Ängstlichkeit nicht verbergen würden.

Als der Yuuzhan Vong endlich unten angekommen war, blieb er neben dem Rednerpult stehen und wartete. Wie die Unterhändler vereinbart hatten, verließ Borsk den Platz des Staatschefs, ging hinunter und trat ihm entgegen. Ihm folgten zwei Mitglieder des Beirats, Viqi Shesh von Kuat und Fyor Rodan von Commenor. Höflichkeiten oder Grußformeln wurden nicht gewechselt.

»Ich bin Borsk Fey’la. Ich habe Sie hierher eingeladen, um über die Geiseln auf Talfaglio zu sprechen.«

»Was gibt es da zu besprechen?« Der Gesandte zog die Kapuze zurück und enthüllte ein typisches entstelltes Yuuzhan-Vong-Gesicht. »Meine Worte gegenüber Leia Solo waren deutlich genug.«

Der Aufruhr im Saal legte sich, da Konsularangestellte die Datenbanken nach Übereinstimmungen von Gesicht und Stimme durchsuchten. Borsk brauchte solche Hilfe nicht. Obwohl er noch nicht viele der Invasoren persönlich kennen gelernt hatte − eigentlich gar keinen −, hatte er das Hologramm von Leias Treffen mit diesem Vong auf Bilbringi hundertmal gesehen. Nom Anors mürrische Miene war ihm beinahe so vertraut wie seine eigene − sogar mit dem neuen falschen Auge, das in der leeren Höhle saß, die man auf dem Holo noch gesehen hatte.

»Leia Solo ist keine Repräsentantin dieser Regierung mehr«, sagte Borsk. Obwohl sein Fell gesträubt war, klang seine Stimme abweisend. »Wenn Sie der Neuen Republik etwas mitzuteilen haben, müssen Sie es mir sagen.«

Der Gesandte starrte ihn mit seinem gesunden Auge an und war von Borsks Unverschämtheit überrascht. »Kennt Ihr unsere Bedingungen nicht?«

Entrüstetes Gemurmel erhob sich im Saal, während die Konsularangestellten ihre Vorgesetzten über die Identität des Gesandten informierten. Borsk wusste, er musste schnell reagieren. Nom Anors Rolle sowohl im Rhommammool-Osaria-Konflikt als auch beim Fall von Duro war gut dokumentiert, und ihn als Gesandten zu entsenden, stellte eine unverhohlene Beleidigung dar.

»Ich weiß, Sie haben gedroht, Millionen Bürger der Neuen Republik zu töten«, sagte Borsk. »Ich habe Sie deshalb gerufen, damit Sie uns eine Erklärung liefern.«

Das Murmeln steigerte sich fast bis zum Tumult, und die Wookiees brüllten zustimmend. Borsk unternahm nichts, um den Lärm zu unterbinden, was die Talfaglioner ganz richtig als Ermutigung auffassten und versuchten, ihre Verbündeten dazu anzustacheln, die Wookiees niederzubrüllen. Dies wiederum rief lautes Geschrei unter den Anhängern der Jedi hervor, und es schien Borsk, dass er einen Weg gefunden hatte, die Unterstützung für sich selbst zu untermauern. Er starrte Nom Anor unverwandt an und ließ den Aufruhr fortdauern, bis Viqi Shesh schließlich zum Podest des Beirats trat und über Lautsprecher um Ruhe bat. Borsk störte es weniger, dass sie sich dreist über die protokollarische Ordnung hinwegsetzte, sondern wie rasch ihre Bemühung belohnt wurde.

Nachdem der Tumult sich gelegt hatte, wandte sich Nom Anor von Borsk ab und schaute direkt zu den Rängen. »Wie schade, dass der Mut eurer Jedi nicht an den eurer Bürokraten heranreicht.«

Der Chor der höhnischen Bemerkungen war nicht annähernd so laut, wie es Borsk gefallen hätte, und einen Augenblick lang befürchtete er, einen Fehler zu begehen. Während etliche der Systeme, die auf der Seite der Jedi standen, diese fast mit Fanatismus unterstützten, waren viele andere bereits vom Feind besetzt oder wurden durch dessen Invasionsroute vom Rest der Neuen Republik abgeschnitten. Die Welten hingegen, die eine Beschwichtigungspolitik favorisierten, gehörten überwiegend zu den reichen Kernsystemen, deren Ressourcen für die Kriegführung von entscheidender Bedeutung waren und deren politische Macht Borsks Position als Staatschef sicherten. Die Yuuzhan Vong waren darüber im Bilde, und deshalb hatten sie diesen offenkundigen Spion geschickt, der sie hier an vorderster Front repräsentieren sollte. Sie versuchten, den Senat zu spalten in jene, die man einschüchtern konnte, und jene, die dagegen gefeit waren − und Borsk war schon lange genug in der Politik tätig, um zu wissen, was mit denen passierte, die sich leicht einschüchtern ließen.

Er wartete, während Nom Anor den Blick über die Galerie schweifen ließ, allen, die ihn verhöhnten, ein selbstzufriedenes Grinsen schenkte, und jenen, die still blieben, so lange in die Augen schaute, bis ihnen unbehaglich zumute wurde und sie sich abwandten. Borsk bewunderte unwillkürlich die Technik des Gesandten. Es war die klassische Politik der Einschüchterung, die umso besser wirkte, als die Yuuzhan Vong schon mehrfach bewiesen hatten, dass sie selbst die unvorstellbarsten Drohungen in die Tat umsetzten. Zum Glück für die Neue Republik − jedenfalls der ärmlichen Auffassung ihres Staatschefs nach − spielten sie dieses Spiel gegen einen Meister.

Als Nom Anors Blick schließlich wieder beim Rednerpult angekommen war, trat Borsk dicht an den Yuuzhan Vong heran. Er nutzte voller Absicht den Kontrast, den seine untersetzte Figur zu dem breit gebauten Krieger bildete, reckte den Hals und starrte zu dem schiefen Kinn seines Gegenübers hoch.

»Die Yuuzhan Vong müssen sich große Sorgen wegen der Jedi machen, wenn sie glauben, eine Hand voll von ihnen sei so viele Leben wert.«

Borsk sprach so leise, dass der Verstärkerdroide fast zwischen ihnen schweben musste, um seine Worte aufzunehmen, und Nom Anor war wie geplant gezwungen, einen Schritt zurückzutreten.

»Diese Leben bedeuten uns nichts.«

»Tatsächlich?« Borsk blickte zu den oberen Rängen und suchte den friedliebenden Senator von Thyferra. »Das habe ich mir schon gedacht.«

Stille breitete sich im Saal aus, und der Bothan fühlte sich bestätigt, als er das Rascheln der Kleider von tausend Senatoren hörte, die auf ihren Sitzen herumrutschten. Er hielt sein Publikum im Bann, das hatten sie nicht erwartet, und sie wagten kaum zu atmen, um nichts von dem zu verpassen, was nun folgen würde.

Dann trat Viqi Shesh zu ihnen, und Borsk konnte fast hören, wie sich die Anspannung im Saal auflöste.

»Was der Staatschef sagen möchte, Botschafter, ist Folgendes: Die Yuuzhan Vong kennen die Beziehung zwischen der Neuen Republik und den Jedi vielleicht nicht. Uns fehlt es an Kontrolle…«

»Nein.« Borsk warf Shesh einen Blick zu, der Durastahl hätte schmelzen können. »Das ist es nicht, was der Staatschef sagen wollte.«

Shesh erbleichte, wich jedoch nicht zurück. »Ich bitte um Verzeihung.«

»Die Senatorin von Kuat mag ihre Meinung in den dazu vorgesehenen Foren zum Ausdruck bringen, aber sie sollte nicht vorgeben, für den Staatschef zu sprechen.« Borsk starrte sie an, während sie zurückwich, dann wandte er sich wieder Nom Anor zu. »Was der Staatschef sagen will: Die Yuuzhan Vong sind Feiglinge und Mörder. Wenn sie so viel Mut Besaßen wie der geringste ihrer Sklaven, würden sie aufhören, sich hinter hilflosen Flüchtlingen zu verstecken und in den Kampf gegen die Jedi ziehen!«

»Wir verstecken uns nicht!«, schrie Nom Anor. »Die Jedi verstecken sich.«

»Tatsächlich?«, antwortete Borsk sarkastisch. »Dann würde ich Ihnen einen Blick in den corellianischen Sektor empfehlen. Erst kürzlich wurden Jedi bei Froz gesichtet, wie man mir mitgeteilt hat.«

Ein Großteil der Versammlung brach in Gelächter aus, denn der »unverantwortliche Hinterhalt der Jedi« hatte während der letzten Tage die Schlagzeilen im HoloNet beherrscht. Es war zu früh, um einzuschätzen, wie Borsks Vorgehen in den Medien kommentiert werden würde, aber bestimmt würde dieser Vorfall − und mit ihm der Staatschef – in den kommenden Tagen die Nachrichten beherrschen.

Nom Anor fixierte Borsk, und dem Bothan stieg die Säure aus dem Magen hoch. Er kannte die Berichte über das falsche Auge, das auf Bilbringi konfisziert worden war, und er wusste sehr wohl Bescheid, welch unangenehmen Tod derjenige erleiden musste, dem das Gift daraus ins Gesicht gespritzt wurde. Trotzdem wich er nicht zurück. Er spürte die wachsende Unterstützung der Jedi-Anhänger hinter sich, und wenn er jetzt Skrupel zeigte, hätte er alles, was er gerade gewonnen hatte, wieder verspielt.

Dann hatte Borsk einen Geistesblitz, wie er diese Unterstützung festigen konnte. »Und Sie könnten auch einen Blick in den Raum von Bothawui werfen. Aus gut unterrichteten Quellen weiß ich, dass die Jedi dort sehr beliebt sind.«

Das folgende Gelächter überstieg sogar jenes, das der Scherz über Froz hervorgerufen hatte, denn Borsk und die Jedi hatten sich schon nicht mehr gut verstanden seit… nun, eigentlich noch nie. Das war der Schwachpunkt in seinem sich rasch entwickelnden Plan, und einer, den er auszuräumen hoffte, indem er sein Heimatsystem um Unterstützung der Jedi bat. Er schaute zur Galerie von Bothawui hinauf und sah Mak Sezala, den bothanischen Senator, der ihn mit Blicken durchbohrte. Borsk legte warnend die Ohren an, und Sezala erhob sich gehorsam und schlug weitere Planeten vor, wo die Yuuzhan Vong ihre Suche beginnen könnten. Keine der Welten war bewohnt, aber das genügte, um die Senatoren von hundert anderen Systemen mit ähnlichen Vorschlägen aufspringen zu lassen.

Nom Anor kniff die Augen zusammen. Borsk dachte, er habe den Bogen womöglich überspannt, doch der Yuuzhan Vong trat zurück.

»Ich werde Ihre Vorschläge überbringen.« Er wandte sich der Treppe zu und blickte zur Galerie. »Alle.« ,

»Schön, aber tun Sie das doch über Villip«, sagte Borsk.

Nom Anor blickte über seine Schulter. »Wie?«

»Sie können Ihre Vorschläge per Villip übermitteln.« Borsk wollte sich keine Gelegenheit entgehen lassen, den niederträchtigen Spion zu verhöhnen. »Ich habe Sie hergerufen, damit Sie uns erklären, warum Sie das Leben einer Million unschuldiger Geiseln bedrohen. Sie werden diesen Saal nicht verlassen, ehe Sie das getan haben.«

Nom Anors Antwort ging in einem wilden Tumult unter, den die Wookiees veranstalteten. Der Jubel fühlte sich gut an. Borsk würde zwar nie wieder einen Fuß in den bothanischen Raum setzen können. Aber der Jubel fühlte sich gut an.